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       # taz.de -- Grenzen zu Österreich und Tschechien: Fast ganz dicht
       
       > An manchen Grenzen führen BundesbeamtInnen Kontrollen durch. Wegen Corona
       > darf nur rein, wer systemrelevant ist oder wegen humanitärer Notfälle
       > reist.
       
   IMG Bild: Grenzkontrolle in Kiefersfelden: Wer darf rein, wer nicht?
       
       Kieferfelden taz | Die Polizistin mit der FFP2-Maske über Mund und Nase und
       der Warnkelle in der Hand beugt sich zu dem Autofahrer. Der hat die
       Fensterscheibe heruntergelassen. „Servus, wo geht’s hin?“ „Heim nach
       Ebersberg“, sagt er, das liegt im Münchner Umland. Er sei für nur eine
       Stunde auf der anderen Seite der Grenze gewesen, in Tirol. Den negativen
       Coronatest weist er vor – die geforderte Einreiseanmeldung hat er
       allerdings nicht. Die braucht man aber, auch wenn man von Bayern aus an der
       Grenzstation Kiefersfelden nur kurz auf die andere Seite gesprungen ist,
       etwa ins benachbarte Kufstein. Die Beamtin von der Bundespolizei erklärt
       dem Mann, dass er vorne rechts unter das weiße Zelt fahren soll, dort könne
       er den Antrag online stellen.
       
       [1][Es gibt wieder Grenzkontrollen in Deutschland], seit Beginn dieser
       Woche, wegen der Verbreitung des zum Teil mutierten Coronavirus. Und es
       gibt Einreisesperren mit einigen wenigen Ausnahmen. Überwacht werden die
       Grenzen zwischen Bayern und dem österreichischen Tirol sowie die Grenzen zu
       Tschechien. In Tirol ist der Inzidenzwert mit 77 am Dienstag im Vergleich
       zu anderen österreichischen Bundesländern zwar relativ niedrig. Doch
       breitet sich dort vor allem die neue, hoch ansteckende südafrikanische
       Covid-Mutation aus. Tschechien wiederum hatte am Dienstag eine weiterhin
       enorm hohe Inzidenz von 509. Beide gelten momentan als
       Virusmutationsgebiete.
       
       Rainer Scharf, Sprecher der Bundespolizei Rosenheim, führt über die
       Kontrollstelle. „Massive Staus hatten wir bisher nicht“, sagt er. Die zwei
       Spuren der aus Österreich kommenden Autobahn sind geteilt – die linke für
       Lkw, die rechte für Pkw. „Die jeweiligen Beamten im Dienst entscheiden, wer
       kontrolliert wird“, erläutert Scharf. Lastwagen aus Deutschland werden
       meist durchgewunken. Viele haben die Papiere – den Coronatest und die
       Einreiseanmeldung in der Hand und halten sie durch die Scheibe hoch. Wie
       etwa jene Brummi-Fahrerin aus Ungarn, auf deren Lkw groß der Schriftzug
       „Bestia negra“ prangt – „schwarzes Biest“.
       
       Der Fahrer eines mächtigen Lastwagens aus Litauen hat keine Anmeldung.
       Stoisch sitzt er auf seinem Platz in der Fahrerkabine. Der Fall kann
       dauern. Sprecher Scharf macht klar, um was es jetzt geht: „Wir reden nicht
       darüber, was etwa triftige Gründe sind.“ Nach Deutschland einreisen dürfe
       nur, wer dort lebt oder wer wegen dringender humanitärer Fälle hinüber
       müsse, wie die Geburt eines eigenen Kindes. Außerdem der Lkw-Güterverkehr
       und Leute, die als „systemrelevant“ gelten. Dazu zählen etwa
       Gesundheitspersonal, KindergartenerzieherInnen oder Beschäftigte, die für
       die Energieversorgung oder den Verkehr zuständig sind. „Es geht um alle,
       die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung benötigt werden“,
       sagt Scharf.
       
       ## „Das ist nicht systemrelevant“
       
       Gerade an der Grenze zu Tschechien klagen viele Unternehmen, dass sie ohne
       tschechisches Personal den Betrieb nicht aufrechterhalten können. Oft wird
       da rund um die Uhr in Schicht gearbeitet.
       
       Die Organisation der Einreise soll vereinfacht werden. Noch an diesem
       Montag war geplant, dass die Landratsämter bis Mittwoch in einer
       Hauruckaktion den Firmen und Beschäftigten offizielle Bescheinigungen
       darüber ausstellen, ob sie „systemrelevant“ sind oder nicht. Wer diese
       Bescheinigung und den Test hat, darf über die Grenze nach Deutschland –
       alle anderen nicht. Die Ausstellung solcher Bescheinigungen ließ sich aber
       nicht so schnell umsetzen, nun soll es die Papiere ab Freitag geben.
       
       Autos kommen mit Menschen aus Krefeld, aus Italien, aus Polen. Sie haben
       ihre Papiere dabei. Eine Gruppe von drei Leuten wird trotzdem abgewiesen –
       sie drei wollten beruflich etwas besorgen, sagen sie. „Das ist nicht
       systemrelevant“, meint Polizeisprecher Scharf.
       
       Wer die Autobahn gar nicht verlässt und von Kiefersfelden über das
       sogenannte Deutsche Eck dann auf der A8 weiter zum österreichischen
       Salzburg möchte, hat hingegen keine Probleme. Man fährt praktisch von
       Österreich nach Österreich und benutzt dafür eine deutsche Autobahn. Solche
       FahrerInnen werden durchgelassen.
       
       ## Nachbarschaftliche Verstimmungen
       
       20 bis 30 PolizistInnen sind in Kiefersfelden immer im Dienst, rund um die
       Uhr, sieben Tage in der Woche. Das Testzentrum direkt an der Grenzstelle
       ist eine Baracke, betrieben vom Roten Kreuz. An diesem Tag sind auch
       erstmals BundeswehrsoldatInnen zur Unterstützung gekommen. D
       
       er jüngste Streit zwischen Österreich und speziell dem bayerischen
       Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ist hier gerade kein Thema. Doch
       [2][nachbarschaftliche Verstimmungen kommen immer wieder hoch]. Tiroler
       PolitikerInnen hatten die Grenzkontrollen lautstark kritisiert. Bayern
       tobt, wenn die Tiroler Seite Lkw nur in Blockabfertigung über die Grenze
       lassen und somit riesige Staus verursachen, die sich weit ins bayerische
       Inntal ziehen. Jetzt aber ist die A 93 am Vormittag unter der Woche viel
       leerer als sonst.
       
       Man könnte meinen, dass sich unter pendelnden AutofahrerInnen die neuen
       Regeln herumgesprochen hätten. Nicht so bei einer Frau aus Basel in einem
       schwarzen Range Rover. Sie hat keinen Test und kein Papier, zeigt dafür
       ihren Pass und Führerschein. Dringend müsse sie nun weiter nach München,
       ein Geschäftstermin. Doch diskutieren oder genervt aufstöhnen nützt hier
       nichts. Die BeamtInnen wissen, dass die Frau an diesem Tag wohl kaum mehr
       nach München kommt. Anders als kürzlich ein Bestattungsunternehmer. Der
       hatte eine Leiche im Auto, die in Deutschland ihre letzte Ruhe finden
       sollte. Er durfte passieren.
       
       17 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Grenzschliessungen-in-der-Pandemie/!5747025
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       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Guyton
       
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