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       # taz.de -- Terrorprozess in Ruanda: Filmheld oder Terrorist?
       
       > In Ruanda steht die als Terrorgruppe eingestufte Rebellenarmee FLN vor
       > Gericht. Prominentester Angeklagter: ihr Chef Paul Rusesabagina.
       
   IMG Bild: Paul Rusesabagina in der ersten Reihe bei der Prozesseröffnung, 17. Februar
       
       Berlin taz | Unter großer internationaler Aufmerksamkeit hat am 17. Februar
       in Ruandas Hauptstadt Kigali der Prozess gegen den Oppositionspolitiker
       Paul Rusesabagina begonnen – und wurde kurz nach seiner Eröffnung vertagt.
       
       Rusesabagina wurde durch die Verfilmung seiner Arbeit als Direktor des
       Hotels „Mille Collines“ während des Völkermordes an Ruandas Tutsi 1994
       berühmt: der US-Spielfilm „Hotel Rwanda“ zeichnet ihn als mutigen Retter
       Hunderter Tutsi. Doch nach dem Völkermord wurde er zum Politaktivisten im
       Exil gegen Ruandas neue Regierung unter dem ehemaligen Tutsi-Guerillaführer
       Paul Kagame, und jetzt steht er wegen Gründung und Finanzierung einer
       Terrorgruppe zusammen mit zwanzig weiteren Angeklagten vor Gericht.
       
       Teile der Weltöffentlichkeit, vor allem in den USA, [1][sehen in
       Rusesabagina ausschließlich den Filmhelden.] Erst am 11. Februar nannte das
       EU-Parlament ihn in einer [2][Resolution] einen „international anerkannten
       Menschenrechtsaktivisten“ und erinnerte daran, wie es überhaupt dazu kommt,
       dass der seit 2000 in Belgien lebende Ruander jetzt in Ruanda vor Gericht
       steht: am 27. August 2020 stieg er in Dubai in ein Flugzeug, von dem er
       dachte, dass es nach Burundi fliege, nur um in Ruanda zu landen und nach
       der Ankunft festgenommen zu werden. „Gekidnappt und unrechtmäßig
       festgehalten“ nannte Rusesabagina das selbst am Mittwoch vor Gericht.
       
       Doch in Ruanda, wo eine Vereinnahmung des Völkermordes durch Hollywood gar
       nicht gut ankommt, ist Rusesabagina vor allem der Exiloppositionelle, der
       dem andauernden Kampf versprengter Völkermordtäter gegen Ruandas Regierung
       ein ziviles Gesicht gibt. Im Jahr 2018 gründeten verschiedene, teils
       [3][bewaffnete ruandische Exilgruppen] aus dem Kongo, Südafrika und anderen
       Ländern die [4][Ruandische Bewegung für Demokratischen Wandel (MRCD)] mit
       Paul Rusesabagina als Präsidenten. Als bewaffneter Flügel der MRCD
       fungierte die aus dem Kongo heraus kämpfende Nationale Befreiungsfront
       (FLN).
       
       Die FLN verübte in Ruanda mehrere Anschläge, bei denen mindestens neun
       Zivilisten starben, und reklamierte Anfang 2019 die Kontrolle über Teile
       des Nyunge-Regenwalds im Südwesten des Landes nahe der Grenze zu Burundi.
       Dann wurde die Gruppe von Ruandas Armee zerschlagen und ihr Sprecher
       Callixte Nsabimana, alias Sankara, wurde auf den Komoren festgesetzt und
       nach Ruanda ausgeliefert.
       
       Sein Prozess läuft seit Mai 2019 und wurde jetzt mit allen anderen
       FLN-Verfahren und dem gegen Rusesabagina zusammengelegt. Neun separate
       Terrorvorwürfe werden den Angeklagten zur Last gelegt; 84 zivile
       Nebenkläger fordern Entschädigung für FLN-Anschläge.
       
       ## Rusesabagina: Ich bin Belgier, nicht Ruander
       
       An den Fakten besteht kein Zweifel: Nsabimana ist geständig, Rusesabagina
       trat jahrelang öffentlich als MCRD-Präsident auf. Vor Gericht am Mittwoch
       ging es um die Zuständigkeit. Die bestritt Rusesabagina dem ruandischen
       Gericht, da er Belgier sei, kein Ruander. Er sei als Flüchtling nach
       Belgien gekommen, dort habe er seine ruandischen Papiere abgegeben und als
       „staatenloser UN-Bürger“ habe ihn Belgien „adoptiert“.
       
       Die Staatsanwaltschaft widersprach: Rusesabagina habe seine ruandische
       Staatsbürgerschaft nie abgelegt und habe als Ruander vor ostafrikanischen
       Instanzen gegen seine Festnahme geklagt. „Er ist Ruander mit einer zweiten
       Staatsbürgerschaft“, so Staatsanwalt Bonaventure Ruberwa – sowohl Ruanda
       als auch Belgien erkennen die doppelte Staatsbürgerschaft an. Unabhängig
       davon sei die ruandische Justiz für alle in Ruanda an Ruandern verübten
       Verbrechen zuständig.
       
       Rusesabaginas Behauptung, er sei kein Ruander, sorgte in ruandischen Medien
       für Verblüffung und Hohn. Im Gerichtssaal brachte das FLN-Sprecher
       Nsabimana in einer eigenen Erklärung auf den Punkt: „Rusesabagina war unser
       Führer, und seine Mission war, Präsident von Ruanda zu werden. Sich jetzt
       hier hinzustellen und zu sagen, er sei kein Ruander, sondern Belgier, ist
       für mich peinlich. Wollte er als Belgier Präsident von Ruanda werden?“
       
       Zur Klärung des Streits wurde der Prozess auf den 26. Februar vertagt.
       
       17 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ruandas-beruehmter-Regimekritiker-in-Haft/!5706783
   DIR [2] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0055_DE.html
   DIR [3] /Interview-with-Rwandan-President-Kagame/!5604559
   DIR [4] https://mrcd-ubumwe.org/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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