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       # taz.de -- Schlag gegen die OK: Razzia mit GSG9 und BKA
       
       > Bei einem Großeinsatz durchsucht die Polizei 22 Orte. Zwei Festnahmen.
       > Daten lieferte die Entschlüsselung von EncroChat, den Kriminelle nutzten.
       
   IMG Bild: Szenen bei der Großrazzia in Berlin-Neukölln
       
       Berlin taz/dpa | Die Zufriedenheit war den Oberstaatsanwälten anzusehen.
       Entschlüsselte Datensätze des Kurznachrichtendienstes EncroChat seien für
       die Aufklärung der Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ gewesen, sagte
       Thorsten Cloid am Donnerstag bei einer Pressekonferenz der Berliner
       Staatsanwaltschaft. Im vergangenen Jahr war europäischen Ermittlern die
       Infiltration des verschlüsselten Chat-Netzwerks gelungen, das von
       Kriminellen weltweit zur Verabredung von Straftaten genutzt wird.
       
       Am Donnerstagmorgen hatten Hunderte Polizisten sowie
       Spezialeinsatzkommandos – darunter das Spezialeinsatzkommando GSG9 der
       Bundespolizei – an mehr als 20 Orten in Berlin und Brandenburg eine
       Großrazzia gegen mutmaßlich kriminelle Mitglieder eines arabischstämmigen
       Clans und weitere Verdächtige aus der organisierten Kriminalität (OK)
       durchgeführt. Zwei Personen im Alter von 22 und 44 Jahren wurden
       festgenommen, Werte von 300.000 Euro eingezogen.
       
       Bei den Ermittlungen ging es um Drogenhandel und Handel mit Kriegswaffen.
       Die EncroChat-Datensätze, die von der französischen Polizei über das
       Bundeskriminalamt (BKA) nach Berlin gekommen seien, seien für die
       Staatsanwaltschaft sehr wichtig gewesen, sagte Cloid. Erkenntnisse über
       Drogen- und Waffenhandel habe man schon vorher gehabt, „aber nicht in
       solcher Klarheit“. Die Kriminellen hätten sich sehr sicher gefühlt und frei
       miteinander kommuniziert.
       
       Der Oberstaatsanwalt sprach von 10 bis 20 Maschinenpistolen sowie
       „einfachen Waffen“. Der 44-jährige Festgenommene soll zudem bei einer
       Auseinandersetzung zwischen Angehörigen einer arabischstämmigen Familie und
       einer tschetschenischen Gruppierung im November 2020 Körperverletzungen
       begangen haben. Zudem soll er in Brandenburg eine Marihuanaplantage
       betrieben haben. Die Durchsuchungen bezogen sich auch auf den Betrieb
       sogenannter Kokstaxis.
       
       ## 60.000 Nutzer weltweit
       
       Hintergrund sind laut Staatsanwaltschaft auch gewalttätige Revierkämpfe
       zwischen Mitgliedern des Clans und „russischen Staatsangehörigen
       tschetschenischer Herkunft“. Am 7. November 2020 hatte eine Gruppe
       Tschetschenen mit Schlagstöcken und Messern einen Spätkauf in Neukölln
       überfallen, der mit dem bekannten Clan in Verbindung stehen soll. Es gab
       mehrere Verletzte. Wenig später prügelten Männer am Bahnhof Gesundbrunnen
       in Mitte auf Männer aus der tschetschenisch-russischen Szene ein.
       
       EncroChat soll 60.000 Nutzer weltweit gehabt haben. Der Polizei in den
       Niederlanden und in Frankreich gelang es im vergangenen Jahr, mehr als 20
       Millionen geheimer Nachrichten abzuschöpfen, wie die europäische
       Justizbehörde Eurojust im Juli 2020 mitteilte. Dass die Technik wider
       Erwarten doch knackbar war, habe „Schockwellen durch organisierte
       Verbrecherbanden quer durch Europa“ geschickt, hieß es damals von der
       Justiz. Es gab in verschiedenen Ländern bereits Hunderte Festnahmen, Drogen
       und Bargeld in Millionenhöhe wurden beschlagnahmt. Auch das BKA soll
       Millionen Chatnachrichten zum Auswerten erhalten haben.
       
       In Berlin seien bereits im Herbst 2020 EncroChat-Daten in ein
       Ermittlungsverfahren eingeflossen, sagte Georg Bauer, Hauptabteilungsleiter
       für OK, bei der Pressekonferenz. Das hanseatische Oberlandesgericht habe
       „überhaupt keinen Zweifel“ daran gelassen, dass die Daten als Beweismittel
       verwertet werden dürften, sagte Bauer. Er sei „guter Dinge“, dass noch mehr
       aus den EncroChats für weitere Ermittlungsverfahren zu holen sei.
       
       18 Feb 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
       
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