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       # taz.de -- Endlagersuche geht weiter: Besser als Gorleben
       
       > Deutschland sucht das atomare Endlager: Gorleben ist aus dem Rennen, ein
       > neuer Ort muss gefunden werden. Die Politik will diesmal alles besser
       > machen.
       
   IMG Bild: Hier war schon mal nichts zu holen: Das Erkundungsbergwerk Gorleben
       
       Gorleben wird’s nicht, so viel ist sicher. Doch viel mehr brachte der erste
       Zwischenbericht zur Endlagersuche für Deutschlands Atommüll im vergangenen
       Herbst auf den ersten Blick nicht hervor. Zumindest, wenn man dringend
       wissen möchte, wo der deutsche Atommüll eines Tages endgültig lagern soll.
       Unter den 90 potenziellen Gebieten sind weite Teile des Nordens vertreten,
       aber auch viele Regionen im Rest des Landes.
       
       Gorleben wird’s nicht, das ist aber gleichzeitig eine zufriedenstellende
       Antwort, denn: Es ist der Erfolg jahrzehntelanger hartnäckiger Arbeit der
       Anti-AKW-Bewegung. Gorleben war mehr als vierzig Jahre lang die Antwort auf
       die Frage, wohin der Müll für alle Zeiten soll. Als die Bundesgesellschaft
       für Endlagerung (BGE) schon in ihrem ersten Zwischenbericht der Gemeinde im
       Wendland auf der Karte der potenziellen Regionen keine Beachtung schenkte,
       war das Erstaunen bundesweit groß.
       
       Zwischen 2017 und 2020 hat die BGE die bei den geologischen Landesämtern
       vorliegenden Geo-Daten gesichtet und ausgewertet. Es war der erste Schritt
       in einem neuen Prozess, der auf zahlreiche Kritikpunkte der
       Atomkraftgegner:innen eingeht. Die Auswahl soll öffentlich und
       transparent stattfinden, streng nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgen
       und somit den „bestmöglich sicheren Standort“ finden. Eine grobe
       Untersuchung der Böden im ganzen Land war der Auftakt, um zurückgelehnt und
       offen an die Endlagersuche heranzugehen.
       
       ## Ein Plätzchen für die Ewigkeit
       
       Bis 2031 soll so der bestgeeignete Standort gefunden werden, in dem die
       strahlenden Altlasten mindestens eine Million Jahre lang sicher verwahrt
       werden können. Der Zeitraum zeigt, dass der Begriff „Endlager“ schräg ist.
       Ob der Müll für eine Million Jahre an derselben Stelle sicher liegen wird,
       darf getrost bezweifelt werden.
       
       Dennoch muss er ja für einen unüberschaubaren Zeitraum irgendwohin – der
       deutsche Atommüll: etwa 27.000 Kubikmeter hochradioaktives Material, das
       über Jahrzehnte in den deutschen Atomkraftwerken entstand. Dazu kommt der
       schwach und mittel radioaktive Abfall.
       
       Falls es bis Anfang des nächsten Jahrzehnts klappen sollte mit der
       Entscheidungsfindung, dürfte es noch einmal Jahre bis Jahrzehnte dauern,
       ehe die Türen des Endlagers geschlossen werden können. Bis dahin braucht es
       die Zwischenlager, die Anwohner:innen und der Anti-AKW-Bewegung ein
       Dorn im Auge sind.
       
       „Wir brauchen noch für eine sehr lange Zeit Zwischenlösungen“, sagt Jochen
       Stay von der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“. Doch die Skepsis an der
       Sicherheit dieser Zwischenlager ist groß – ob in Würgassen an der Grenze zu
       Südniedersachsen oder bei der Schachtanlage Asse im Landkreis Wolfenbüttel.
       
       ## Jahrzehntelanges Misstrauen
       
       Die Skepsis der Anti-AKW-Bewegung ist auch deshalb so groß, weil der Staat
       bei den Zwischenlagern nicht so umfangreiche Beteiligungsmöglichkeiten
       zugebilligt hat, obwohl die Standorte für viel Streit sorgen. Das
       jahrzehntelange Misstrauen geht auch deswegen nicht so einfach weg.
       
       Und auch nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts ist die Kritik an
       dem Verfahren der Endlagersuche nicht gänzlich verstummt. Den ersten
       Beratungstermin der „Fachkonferenz Teilgebiete“ an diesem Wochenende, bei
       dem die BGE auf Bedenken und Einwendungen gegen den Zwischenbericht
       eingehen will, kritisieren Anti-Atom-Gruppen als „inszenierte Beteiligung“.
       
       Zwar dürfe jede:r an der Konferenz teilnehmen, doch da sie coronabedingt
       online stattfindet, sehen Kritiker:innen den Raum für Debatten
       abgeschnitten – man hätte ja auch noch ein paar Monate damit warten können,
       bis die Pandemie vorbei ist, sagen sie.
       
       Doch was soll eine intensivere Diskussion schon bringen, könnte man
       einwenden – die Suche läuft doch nach streng wissenschaftlichen Kriterien!
       Es ist aber ein schlechtes Zeichen, dass sich die Anti-AKW-Bewegung in
       diesem Prozess – wieder einmal – nicht richtig eingebunden fühlt: Der
       Umwelthistoriker Joachim Radkau hat die angestoßenen Debatten der
       Anti-AKW-Bewegung einmal als „gedankenreichsten öffentlichen Diskurs der
       Bundesrepublik“ bezeichnet. Das galt nicht nur wegen ihrer Beharrlichkeit,
       sondern wegen des Aufbaus an Expertise zu einem Thema, das von der
       herrschenden und atomkraftbefürwortenden Seite immer als beherrschbar
       dargestellt wurde.
       
       Ohne die Anti-AKW-Bewegung, ohne den Protest in Gorleben, hätte es niemals
       diese betont nüchterne, neutrale und offene Endlagersuche gegeben, die
       jetzt in ihre zweite Phase tritt. Ob der neue Anlauf seine Versprechen
       halten kann, ist noch nicht entschieden. Viel wird daran hängen, ob die
       Bewegung den Prozess weiter kritisch begleitet.
       
       Den ganzen taz.nord-Schwerpunkt zur Endlagersuche lesen Sie in der taz.am
       Wochenende oder [1][hier].
       
       5 Feb 2021
       
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