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       # taz.de -- Agrarproteste in Indien: Zorn auf Rihanna und Greta
       
       > In Delhi zünden Menschen Bilder der Sängerin und der Klimaaktivistin an.
       > Diese hatten sich auf Twitter mit den Bauernprotesten solidarisiert.
       
   IMG Bild: Thunbergs Foto bevor es in Flammen aufgeht: Ein Tweet macht sie für einige zum Feindbild
       
       DELHI taz | Ausgerechnet ein Tweet von Popstar Rihanna wird in Indien
       derzeit im Netz, in den Medien und auf der Straße heiß diskutiert. Rihanna
       machte am Dienstag via Twitter auf die anhaltenden Bauernproteste im Land
       aufmerksam: „Warum reden wir nicht darüber? #FarmersProtest“, postet sie am
       Dienstag und verlinkte einen CNN-Artikel, der von heftigen
       [1][Zusammenstößen zwischen demonstrierenden Bauern mit der Polizei] sowie
       Internetsperren berichtete.
       
       Rihanna habe keine Ahnung von Landwirtschaft und worüber sie twittere,
       sagte ein Sprecher der indischen Regierungspartei BJP und warnte vor einer
       internationalen Verschwörung gegen Indien. Die Regierung veröffentlichte
       gar eine Erklärung, dass Prominente „sensationslüsterne
       Social-Media-Hashtags und Kommentare“ twittern würden.
       
       Nicht nur Rihanna, auch die schwedische [2][Klimaaktivistin Greta Thunberg]
       und die amerikanisch-libanesische Sportmoderatorin und Porno-Aussteigerin
       Mia Khalifa bekundeten kürzliche ihre Solidarität mit den indischen Bauern. 
       
       Obwohl die breite Bevölkerung kein Twitter nutzt, sorgten diese wenigen
       Zeilen für Furore. Viele Danksagungen an Rihanna, Thunberg und Khalifa
       folgten. Aber auch ein Foto, das Rihanna als [3][Sympathisantin Pakistans],
       den Erzrivalen Indiens, zeigt und Gerüchte, sie sei Muslima und habe sich
       deshalb gegen das mehrheitlich von Hindus bewohnte Land gewandt. Andere
       photoshoppten den Popstar in die Ansammlung der Bauern bei den Protesten
       oder gruben alte Tweets von Rihanna aus, um sie als unmoralisch
       darzustellen.
       
       Wütende Männer verbrannten etwa in Delhi öffentlich Fotos von Rihanna und
       Thunberg und warnten vor internationaler Einmischung in innere
       Angelegenheiten.
       
       ## Mut zum Twittern
       
       „Ich unterstütze diese Empörung nicht“, sagt der 33-jährige Medienprofi
       Ranjan. Er hat es kommen sehen, dass sich viele Menschen in Indien
       angegriffen fühlen würden. „Einige Inder:innen finden, dass der Protest
       nicht alle Bauern repräsentiert“, sagt er und fügt hinzu, dass die
       Regierung durchaus versucht habe, die Situation zu lösen. Doch die
       Gespräche scheiterten und an den Grenzübergängen zu Delhi wurden meterlange
       Stacheldraht-Barrikaden mit Nagelbetten errichtet.
       
       Die Bankangestellte Neha Singh Gahlot ist peinlich berührt, dass öffentlich
       ein Bild von Greta Thunberg in Brand gesetzt wurde. „Das ist furchtbar“,
       sagt sie. „Es gehört viel Mut dazu, gegen die Regierung zu twittern. Für
       Greta ist es viel einfacher als für uns. Wir sind froh, dass Rihanna und
       sie über die Situation gesprochen haben und die Welt jetzt darüber
       spricht.“
       
       Viele Bauern lehnen die neuen Gesetze zur Liberalisierung der
       Landwirtschaft ab. Gahlot kommt selbst aus einer Bauernfamilie und
       beobachtet die Proteste mit Sorge, die schon seit über 70 Tagen andauern.
       
       Inzwischen melden sich auch indische Prominente zu Wort. „Indiens
       Souveränität darf nicht beeinträchtigt werden. Externe Kräfte können
       Zuschauer sein, aber nicht Teilnehmer“, twitterte die Cricketlegende Sachin
       Tendulkar unter dem Hashtag #IndiaTogether und #IndiaAgainstPropaganda.
       
       ## Ermittlungen wegen Gretas Retweet
       
       Ein Tweet von Thunberg ist nun sogar in polizeilichen Ermittlungen
       verwickelt. Die Cyberkriminalitätsabteilung der Polizei von Delhi hat eine
       Anzeige wegen „Aufruhrs“, „krimineller Verschwörung“ und „Förderung des
       Hasses“ gegen die Initiatoren einer Protestanleitung gestellt, die Greta
       auf Twitter geteilt hat.
       
       Der Leitfaden soll jenen helfen, die Unterstützung für die Bauern zeigen
       wollen. Das Dokument enthält Hinweise, Hashtags und Links, wo man
       Petitionen unterschreiben kann oder Aufrufe zu Demonstrationen findet. Auch
       indische Umweltgruppen teilten ihren Leitfaden.
       
       „Ich stehe immer noch für #StandWithFarmers und unterstütze ihren
       friedlichen Protest. Kein Hass, keine Drohungen oder Verletzungen der
       Menschenrechte können daran jemals etwas ändern“, äußerte sich Thunberg auf
       Twitter, nachdem die Anzeige öffentlich wurde.
       
       Immerhin hat Rihanna erreicht, was sie wollte: Viele sprechen nun über die
       Bauernproteste, auch wenn die Sängerin nun dazu schweigt.
       
       6 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Natalie Mayroth
       
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