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       # taz.de -- US-Schauspielerin Betty White gestorben: Thank you for being a friend
       
       > Betty White wurde mit der TV-Serie „Golden Girls“ berühmt. Die „First
       > Lady of Television“ war bis ins hohe Alter schlagfertig und ironisch.
       
   IMG Bild: Betty White bei der Emmy-Verleihung 2013, bei der sie für ihr Lebenswerk geehrt wurde
       
       Die US-Schauspielerin Betty White ist am Freitag im Alter von 99 Jahren
       verstorben. Das berichteten US-Medien unter Berufung auf ihren Agenten Jeff
       Witjas. Betty White war, so hieß es in einem 2018 entstandenen
       Dokumentarfilm, die „First Lady of Televison“. Denn Betty White wusste, wie
       es geht: Freundlich, schlagfertig, ironisch – und mit einer Stimme, die nur
       minimal die piepsig-hysterischen Züge ihrer deutsche Synchronstimme in
       „Golden Girls“ aufwies.
       
       Rose Nylund hieß ihre Rolle [1][in der US-Fernsehserie von 1985], eine
       Figur, über die White einst liebevoll sagte, sie sei „not the brightest
       nickel in the drawer“, nicht die hellste Kerze am Leuchter. Das Besondere
       an der Serie war damals, neben den Gags, die immer saßen, der
       Thematisierung von Homosexualität, Aids, Ageism und Altersarmut, ihr Fokus
       auf Freundschaft statt romantischer Liebe – und der selbstbewusste Umgang
       nicht-junger Frauen mit Sex.
       
       Rose und die allesamt vor ihr verstorbenen Serien-Mitbewohnerinnen Blanche
       (Rue McClanahan), Dorothy (Beatrice Arthur), und Sophia (Estelle Getty)
       spielten in der von Susan Harris kreierten Show mit ungezwungener
       Lässigkeit und Selbstironie gegen Klischees von verbissenen Seniorinnen an.
       Bis heute bleibt „Golden Girls“ als US-Serie, die sich auf Frauen jenseits
       der 50 fokussiert, eine Ausnahme.
       
       White war Anfang 60, als sie mit der Figur der naiven Landpomeranze Rose
       aus dem mit angeblichen skandinavischen Traditionen angefüllten Dörfchen
       „St. Olaf“ verlässlich Lacher generierte, weil sie mit Unschuldsmine die
       absurdesten Geschichten servierte. Zum Beispiel, dass ihr Vater am 50.
       Jahrestag der Dorfgründung die Parade anführen durfte: „Er dachte, es sei
       weil er neuesten Traktor besaß, aber es stellte sich heraus, dass er der
       einzige war, der in das Mayonnaisenglaskostüm passte…“
       
       ## „I’m sorry. Live with it“
       
       Die 1922 in einem Dorf in Illinois geborene Schauspielerin und Komikerin
       begann ihre Karriere in den 30ern in Kalifornien, wohin die „Große
       Depression“ ihre Familie verschlagen hatte. Während des Krieges waren
       Schauspieljobs rar, auch danach arbeitete die als oft als „nicht fotogen
       genug“ abgelehnte, unerschrockene junge Frau zunächst über
       Live-Radiosendungen, später über das neue Medium Fernsehen an ihrem Erfolg.
       
       Ihre erste eigene TV-Produktion [2][„The Betty White Show“] moderierte sie
       ab 1954 nicht nur, sondern verantwortete als Produzentin sämtliche
       personellen Entscheidungen: Sie engagierte eine der damals raren
       Regisseurinnen, übernahm die künstlerische Leitung, und lud als
       regelmäßigen Gast den Schwarzen Entertainer Arthur Duncan ein, der so seine
       Karriere startete. Rassistischen Boykott-Aufrufen begegnete sie mit der
       Bemerkung: „I’m sorry. Live with it“.
       
       1963 heiratete sie nach zwei vorangegangenen kurzen Ehen den
       Quizshowmoderator Allen Ludden und führte mit ihm bis zu seinem Tod 1981
       nach eigenen Angaben eine glückliche Beziehung.
       
       Vor Rose in „Golden Girls“ hatte die timingfeste Komödiantin sieben Jahre
       lang die Rolle der Sue Ann Nivens in der [3][„Mary Tyler Moore Show“]
       interpretiert – eine ehrgeizige Kochshowmoderatorin und Männermörderin, die
       blitzschnell zwischen strahlendem Lächeln und sarkastische Punch-Lines hin-
       und herschaltet. Als sie in einer Folge mit einer jüngeren Konkurrentin
       konfrontiert wird, die droht, ihr im wahrsten Wortsinn die Show zu stehlen,
       vergiftet sie die gesamte Redaktion mit verdorbenen Häppchen, und schiebt
       die Schuld auf die Rivalin. Von Mary Richards (Mary Tyler Moore) zur Rede
       gestellt, pariert sie grimmig mit einem Harry Truman zugeschobenen
       Kriegszitat: „If you can’t stand the heat, get out of my kitchen“.
       
       Mit Mary Tyler Moore war sie auch privat eng befreundet, ebenso mit Lucille
       Ball, John Steinbeck und [4][Liberace], der seine Homosexualität ihr
       gegenüber nie verbergen musste. Ihr ganzes Leben lang sprach sich White
       immer wieder für die Gleichberechtigung der LGBT-Community aus,
       unterstützte die Homo-Ehe und trug am „Spirit Day“, dem „Awareness Day“ für
       LGBTQ-Rechte am 3. Oktober, öffentlich die Unterstützerfarbe „purple“.
       
       ## „One of the sexiest women“
       
       White ist eine der wenigen Frauen im Showgeschäft, deren Karriere mit dem
       Alter immer steiler wurde. Vielleicht, weil sie selbst immer steiler wurde:
       Als sie im Jahr 2016, mit 95 Jahren, in einem Interview gefragt wurde:
       „Gibt es etwas auf der Welt, das Betty White noch tun möchte?“, antwortete
       sie: „Robert Redford“. Das für sie typische, so ulkige wie frivole Inuendo
       ergibt sich durch die Phrase „to do somebody“. Denn die bedeutet,
       natürlich, mit jemandem Sex zu haben.
       
       Dabei war White nie die klassische Leading Lady, deren „Looks“ vor allem
       heteromännliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollten: Die Haare trug sie
       nach 50er-Jahre-Hausfrauenart aus der Stirn und nie länger als bis zum Ohr,
       ihr Lachen war breit, und ihre Kleider und züchtigen Perlenketten hätte
       sich ein aufmüpfiger Teenager kaum leihen wollen – White wurde, zumindest
       äußerlich, nicht in die Vamp-, sondern in eine Kumpelkategorie gestopft.
       
       Dass viele ihrer Gags genau auf diesem Missverständnis beruhten, zeigt, wie
       eng die Rollenfächer für Frauen angelegt waren – und wie nonchalant und
       genderbewusst sich White dieser Reglementierung entzog. 2011 zierte das
       Cover ihrer Autobiografie ein Zitat des damaligen Twilight-Stars Robert
       Pattinson: „Betty White is one of the sexiest women in America“. Ein
       typischer White-Gag.
       
       Vielleicht trug ihr unterschätztes Äußeres dazu bei, dass ihr achtfach Emmy
       Award-prämiertes, präzises Spiel und ihr selbstbewusst ambivalentes Timbre
       es selten auf die Kinoleinwand schafften – man erlebte sie dort eher in
       Nebenrollen, oder hörte ihre vielseitige Stimme in animierten Kinderfilmen.
       Im 2019 entstandenen „Toy Story 4“ hatte sie einen Cameo-Auftritt als
       „Bitey White“, ein garstiger, alter Beißring mit Tigerkopf – eine hübsche
       Reprise vieler Realfilmrollen.
       
       White war die Stiefmutter der drei Kinder ihres Mannes Allen Ludden. Auf
       die immer nur Frauen gestellte Frage, wieso sie keine biologischen Kinder
       wollte, antwortete sie in einem Interview 2012, dass sie sich bewusst für
       die Karriere entschieden habe – und untermauerte auch damit die
       selbstermächtigte Haltung zu ihren Entscheidungen.
       
       Je länger Betty Whites Karriere dauerte, desto mehr Altersnarrenfreiheit
       genoss sie – zu Recht. Bis zum Schluss nutzte sie ihren scharfen Humor, und
       präsentierte sich ohne Bitterkeit als Frau zum Pferdestehlen und Witze
       erzählen.
       
       In David Lettermans „Late Night Show“ [5][gab sie 2011 „Betty Whites Tipps
       für ein langes glückliches Leben“], die Nummer drei auf ihrer Liste
       lautete: „Versuch, nicht zu sterben“. Zudem behauptete sie von sich, dass
       sie Wodka und Hot Dogs liebe – „in dieser Reihenfolge“. Das hat bei ihrem
       langen Leben bestimmt ein bisschen geholfen.
       
       1 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!1750209/
   DIR [2] https://youtu.be/7k23zM-eLoI
   DIR [3] https://youtu.be/ZapknGJdJg0
   DIR [4] /Liberace-Biopic-von-Steven-Soderbergh/!5058045
   DIR [5] https://youtu.be/JgHXJ7x_Yb0
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
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