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       # taz.de -- Kino im Stream: Sehstücke mit Klassenunterschied
       
       > Von Arbeiter:innen im Schweizer Skiressort zu den rauen Wellen der
       > Ostsee: Bindungen sind dort am stärksten, wo die Welt nicht im Luxus
       > versinkt.
       
   IMG Bild: Auf der 62. Berlinale mit dem Sonderpreis Silberner Bär ausgezeichnet: „Winterdieb“ (2012)
       
       Es ist nun auch schon wieder rund zehn Jahre her, dass die französische
       Schauspielerin Léa Seydoux als nächster großer europäischer Star gehandelt
       wurde. Im Arthouse-Kino sowieso, doch Seydoux brachte es auch zum
       „Bond-Girl“ (2015 in „Spectre“ und im neuen, jetzt auf Herbst verschobenen,
       „Keine Zeit zu sterben“), was ja auch ein ganz guter Gradmesser für
       Popularität im Mainstream ist. Eine Zeitlang war sie mit ihren auf
       internationalen Festivals gezeigten und oftmals prämierten Filmen nahezu
       omnipräsent, mittlerweile scheint es um die heute 35-Jährige ein bisschen
       stiller geworden zu sein. Vielleicht ist daran aber auch bloß Corona schuld
       – und die neuen Filme liegen nur gerade auf Halde.
       
       ## Wallfahrt und Skifahrt
       
       Erstmals so richtig zu Bewusstsein kam die Schauspielerin hierzulande in
       „Lourdes“ (2009), einer still-absurden Komödie von Jessica Hausner um die
       Wallfahrt einer an multipler Sklerose erkrankten Frau (Sylvie Testud), in
       der Seydoux ihre junge Betreuerin verkörpert, die ihrem Alter gemäß
       gelegentliche Zerstreuung vom Alltag mit all den Kranken sucht, die auf
       (Wunder-)Heilung hoffen.
       
       Hausners Film schildert den Ablauf einer Lourdes-Wallfahrt sehr präzise –
       allerdings mit einem skeptisch-ironischen Unterton, der dem ganzen Trara um
       die totale Kommerzialisierung des Glaubens sehr angemessen erscheint
       (Stream bei [1][www.alleskino.de]).
       
       Auch interessant: „Winterdieb“ (2012), ein Film der
       französisch-schweizerischen Regisseurin Ursula Meier, der dem harschen
       Kontrast zwischen dem Leben wohlhabender Touristen in einem Schweizer
       Skiort und zwei jungen Leuten aus prekären Verhältnissen nachgeht.
       
       Simon, mit seinen 12 Jahren noch ein Kind, bestiehlt die Skitouristen und
       finanziert damit auch das Leben seiner jungen Mutter Louise (Seydoux), die
       ihrer Verantwortung nicht gerecht werden kann. Ein realistischer Film über
       Klassenunterschiede und den Wunsch nach emotionaler Zuwendung, der immer
       wieder enttäuscht wird (Stream bei [2][www.goodmovies.de]).
       
       ## Bewegte Ostsee
       
       Etwas ganz anderes, aber ebenfalls stets verlässlich gut: „Seestück“
       (2018), Volker Koepps Dokumentarfilm über die Ostsee, ist das bislang
       letzte Werk des gebürtigen Stettiners, das bei uns in die Kinos kam. Wie
       immer bleibt Koepp sich und seinem entspannten filmischen Ansatz treu:
       Landschaftsaufnahmen erringen eine ganz eigenständige Qualität jenseits von
       Postkartenmotiven, und Menschen erzählen von ihren Tätigkeiten, ihrer
       emotionalen Bindung an den heimatlichen Landstrich und von den
       Veränderungen, die sich über die Jahre dort ergeben haben.
       
       Dabei entdeckt Koepp auch neue Themenfelder: Ging es in seinen Filmen
       früher oft um die Folgen von Krieg und Vertreibung, sind ihm heute die
       Auswirkungen aktueller politischer Spannungen wichtiger, und auch der
       Zusammenhang zwischen ungebremster ökonomischer Expansion und der
       Zerstörung der Umwelt kommt zur Sprache (Stream bei [3][www.salzgeber.de]).
       
       28 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.alleskino.de/en/home
   DIR [2] https://www.goodmovies.de/
   DIR [3] http://www.salzgeber.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
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