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       # taz.de -- Aung San Suu Kyi festgesetzt: Militär putscht in Myanmar
       
       > Unzufriedenheit über den Umgang mit angeblichem Wahlbetrug lässt die
       > Generäle nach der Macht greifen. Nun stellt das Militär selbst Wahlen in
       > Aussicht.
       
   IMG Bild: Menschen stehen Schlange vor Lebensmittelgeschäften in Yangon am Montag
       
       Naypyidaw dpa/rtr/afp/taz | In Myanmar hat das Militär nach seinem Putsch
       Neuwahlen und eine Übergabe der Macht an demokratische Parteien in Aussicht
       gestellt. Militärchef Min Aung Hlaing bekenne sich zu einem „demokratischen
       Mehrparteiensystem“, hieß es zudem auf einer offiziellen Internetseite des
       Militärs am Montag. Ein Zeitpunkt für Wahlen wurde nicht genannt. Nach dem
       Putsch verhängte das Militär einen Ausnahmezustand für ein Jahr. Die „wegen
       Wahlbetrugs“ abgesetzte Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin
       Aung San Suu Kyi sowie weitere hochrangige Mitglieder der regierenden
       Nationalen Liga für Demokratie (NLD) wurden nach der Machtübernahme durch
       die Militärs festgesetzt. Die Vereinten Nationen, die USA und die
       Europäische Union verurteilten den Putsch.
       
       Die bisherige Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu
       Kyi rief nach Angaben ihrer Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie
       (NLD) in einer vorbereiteten Erklärung zu Protesten gegen den Militärputsch
       auf. „Die Maßnahmen des Militärs sind Maßnahmen, um das Land zurück in die
       Diktatur zu führen“, hieß es in einer am Montag von der NLD
       veröffentlichten Stellungnahme. „Ich bitte die Menschen dringend, dies
       nicht zu akzeptieren und mit ganzem Herzen gegen den Putsch der Militärs zu
       protestieren.“
       
       ## Protestaufruf von Aung San Suu Kyi zunächst folgenlos
       
       Nach Angaben der BBC gab es jedoch zunächst Zweifel, ob die Erklärung Aung
       Sann Suu Kyis echt sei. Berichte über Proteste gab es zunächst nicht. Die
       Armee hatte Aung Suu Kyi, den bisherigen Staatspräsidenten Win Myint und
       andere Spitzenpolitiker auch kleinerer Parteien „wegen Wahlbetrugs“
       festgenommen oder unter Hausarrest gestellt.
       
       UN-Generalsekretär António Guterres hat die Festnahmen scharf verurteilt.
       Damit werde dem demokratischen Reformprozess in dem südostasiatischen Land
       ein „schwerer Schlag“ versetzt, erklärte Guterres' Sprecher Stephane
       Dujarric in der Nacht am UN-Hauptquartier in New York. Die Armee solle den
       Ausgang der Parlamentswahl vom November respektieren und „demokratische
       Normen“ beachten. Ähnlich äußerten sich die Regierungen der USA und anderer
       Staaten sowie „Human Rights Watch“ und andere Menschenrechtsorganisationen.
       
       Bei der Wahl hatte Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD)
       einen [1][Erdrutschsieg] errungen. Die Wahlen hätten der NLD ein klares
       Mandat verliehen und „den Willen des Volkes von Myanmar widergespiegelt,
       auf dem hart errungenen Pfad der demokratischen Reform weiterzugehen“,
       betonte Dujarric.
       
       ## An diesem Montag hätte das neue Parlament tagen sollen
       
       Seit Tagen hatte es [2][Gerüchte über einen bevorstehenden Militärputsch]
       in dem südostasiatischen Land gegeben. Das Militär war erzürnt, dass seine
       Beschwerden über angeblichen Betrug von der Wahlkommission zurückgewiesen
       worden waren. Am Montag hätte in der Hauptstadt Naypyidaw das neugewählte
       Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen sollen.
       
       Die einst mächtige dem Militär nahestehende Partei USDP hatte ein
       Wahldebakel erlebt und nur noch die Hälfte ihrer bisherigen Sitze bekommen.
       Ein ranghoher Militärsprecher hatte in der vergangenen Woche vor
       Medienvertretern angedeutet, dass es zu einem Putsch kommen könnte, falls
       die Regierung nicht auf die Vorwürfe des Wahlbetrugs eingehen sollte. Am
       Samstag erklärte das Militär jedoch, sich an die Verfassung zu halten, was
       als Absage eines Putsches interpretiert wurde.
       
       Doch ist ein Viertel der Sitze in den Parlamentskammern für die
       Streitkräfte reserviert. So steht es in der Verfassung von 2008, die die
       frühere Militärjunta aufgesetzt hatte, um auch nach der Einleitung
       demokratischer Reformen nicht entmachtet zu werden.
       
       Wegen einer anderen Klausel konnte Suu Kyi nicht Präsidentin werden,
       sondern regierte als Staatsrätin und somit De-Facto-Regierungschefin das
       frühere Birma. Ohne das Militär sind auch Verfassungsänderungen nicht
       möglich, zudem kontrollierte es bislang schon die wichtigsten Ministerien.
       
       Nach einem Putsch 1962 stand das Land fast ein halbes Jahrhundert lang
       unter einer Militärherrschaft. Suu Kyi setzte sich in den 1980er Jahren für
       einen gewaltlosen Demokratisierungsprozess ein und wurde deshalb 15 Jahre
       unter Hausarrest gestellt. 1991 erhielt sie für ihren Einsatz gegen
       Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit den Friedensnobelpreis.
       
       ## Aung San Suu Kyi: Beliebt im Inland, im Ausland nicht mehr
       
       Im eigenen Land ist sie sehr beliebt. International ist die frühere
       Freiheitsikone mittlerweile aber umstritten. So sind die versprochenen
       demokratischen Reformen in dem buddhistisch geprägten Land bislang
       weitgehend ausgeblieben und Suu Kyi zeigte selbst einen immer autoritäreren
       Regierungsstil.
       
       Vor allem wegen der staatlichen Diskriminierung der Rohingya und ihres
       Schweigens zur Gewalt gegen die muslimische Minderheit steht Suu Kyi
       international in der Kritik. Mehr als eine Million Rohingya sind vor den
       Übergriffen des Militärs nach Bangladesch geflohen. In einem
       Völkermord-Verfahren in Den Haag wies Suu Kyi die Vorwürfe 2019 zurück. Von
       Genozid könne keine Rede sein, die Armee verteidige nur das Land gegen
       Angriffe bewaffneter Rebellen, sagte sie damals.
       
       [3][Kritik an den letzten Wahlen] hatte es gegeben, weil in mehreren von
       ethnischen Minderheiten dominierten Konfliktregionen wegen
       Sicherheitsbedenken gar nicht gewählt werden durfte. Auch konnten
       Hunderttausende in Myanmar verbliebene Rohingya nicht teilnehmen, nachdem
       ihnen 1982 die Staatsbürgerschaft entzogen worden war.
       
       In der Kritik des Militärs an den Wahlen ging es darum jedoch nicht. Die
       Generäle wollten vielmehr nicht akzeptieren, dass ihre Partei vom Volk so
       abgestraft wurde. Wahlbetrug im großen Stil hatten Wahlbeobachter nicht
       festgestellt.
       
       1 Feb 2021
       
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