URI: 
       # taz.de -- Kostengünstige Abluftanlagen in Schulen: Corona einfach absaugen
       
       > Abluftanlagen können in Klassenzimmern die Virenlast reduzieren. Drei
       > Bremer*innen bauen welche mit Materialien, die es in jedem Baumarkt
       > gibt.
       
   IMG Bild: Gebaut nach Plänen des Max-Planck-Instituts für Chemie: Abluftanlage in einem Bremer Klassenzimmer
       
       Bremen taz | Leises Summen eines Ventilators erfüllt das Klassenzimmer. Im
       Erdgeschoss der Gesamtschule Mitte (GSM) stehen Rona Schneider und Johannes
       Prescher unter einem Exemplar ihrer selbst gebauten Abluftanlagen. In den
       Gängen der Gesamtschule in der Hemelinger Straße ist das Licht aus. In der
       Schule ist es still. Ein Gefühl, als sei Wochenende.
       
       Ein Schirm aus weißer Folie liegt auf einem Tisch. Andere hängen schon an
       einer Konstruktion aus Plastikröhren. Diese ist an dünnen Drähten unter der
       Decke befestigt. Über sie wird die Luft in ein zentrales Rohr geleitet. Das
       wiederum führt durch eines der oberen Fenster nach draußen.
       
       Die Pläne für diese Anlage stammen vom Max-Planck-Institut für Chemie in
       Mainz. Sie wurden in Kooperation mit einer Mainzer Schule entwickelt.
       „Wegen der geringen Material- und Betriebskosten könnte sie eine clevere
       Alternative zum Stoßlüften und zu teuren Filteranlagen bieten“, schreibt
       das Max-Planck-Institut (MPI) in einer Pressemitteilung.
       
       Die Materialkosten belaufen sich auf etwa 200 Euro. Das Sachen gibt’s in
       jedem Baumarkt. Rona Schneider hat früher Kleidung aus Leder designt,
       schreibt Biografien und ist inzwischen als Schulassistentin an der GSM
       tätig: „Ich habe den Entwurf des MPI gesehen und gedacht: Wenn ich Hosen
       und Jacken nähen kann, dann kann ich auch Schirme konstruieren!“
       
       Zur gleichen Zeit wurden auch Martin Mauritz und Johannes Prescher durch
       eine Mail der Schulleiterin Frauke Schwagereit auf die Baupläne des MPI
       aufmerksam.
       
       Prescher kam im Sommer 2020 an die Schule. Der Luft- und Raumfahrtingenieur
       hat neun Jahre lang beruflich Windkraftanlagen gebaut, bis ihm die
       Schreibtischtätigkeit zu viel wurde. An der Schule bietet er eine
       Windrad-Werkstatt an.
       
       Dort lernen Schüler*innen, wie man Rotoren konstruiert und Mithilfe von
       Dynamos Strom erzeugt. Als Ingenieur lag es auch für ihn nahe, sich am Bau
       der Abluftanlagen zu beteiligen.
       
       In der Sporthalle der Schule haben sich die drei mit dem Projekt
       eingerichtet. „Macht mal, es ist ja im Moment eh kein Betrieb“, hatte die
       Schulleiterin gesagt und ihnen freie Hand gelassen.
       
       In der ganzen Halle liegen Haufen mit Folienstücken, Draht, Baueimern und
       Ventilatoren. An einem Stuhl lehnt ein Schild mit der Aufschrift:
       „Heimarbeit: Folie ausschneiden“.
       
       Das Prinzip der Abluftanlage ist schnell erklärt. Die Aerosole in der
       Atemluft steigen, genauso wie das ausgeatmete CO2, mit der warmen Luft nach
       oben. Durch den Kamineffekt im Rohr werden sie nach draußen transportiert.
       Verstärkt wird der Effekt noch durch einen Ventilator, der am Ende des
       Rohres angebracht ist und die Luft aktiv nach draußen befördert.
       
       Laut MPI können so bis zu 90 Prozent der Aerosolpartikel aus der Luft
       entfernt werden. Es muss deutlich seltener gelüftet werden, als ohne
       Anlage.
       
       Also die perfekte Lösung, um frierende Schüler*innen und eine hohe
       Ansteckungsgefahr zu verhindern? Nicht ganz: Die Anlagen sind nur bedingt
       energieeffizient, weil durchgängig ein Fenster auf Kipp stehen muss, räumt
       Johannes Prescher ein. Auch das MPI weist darauf hin, dass es sich
       lediglich um eine behelfsmäßige Lösung handele, solange professionelle
       Lüftungssysteme nicht überall zur Verfügung stehen.
       
       ## Jeder kann mitmachen
       
       Die Bremer Bildungsbehörde unterstützt die Initiative der GSM. Sie
       unterstreicht aber deutlich, dass es ein Schulprojekt ist. Flächendeckend
       umgesetzt werden könne es nach Auffassung der Behörde daher nicht. Im
       Gegensatz zu Rheinland-Pfalz, woher die Idee zur Selbstbau-Anlage kommt,
       unterstützt Bremen die Installation aber auch finanziell. Mithilfe eines
       formlosen Schreibens können Schulen Gelder für Material und die fachliche
       Begleitung beantragen.
       
       Immobilien Bremen, das die Schulgebäude für die Stadt verwaltet, will keine
       Verantwortung für das Projekt übernehmen. Die Gründe: Durch die
       Abluftanlagen könne keine „ausreichend wirksame Zu-Lüftung von Frischluft
       sichergestellt werden“, die Vorgaben des Umweltbundesamtes zum Stoßlüften
       hätten weiterhin Bestand. Zudem seien viele der alten Leichtbaudecken an
       den Schulen nicht tragfähig genug. Es handele sich daher um „nicht
       zugelassene Befestigungen“.
       
       In der GSM verbessert sich durch den Bau der Anlagen aber nicht nur die
       Luft: „Mir tut es gut, ein Projekt gegen Corona zu machen“, sagt Rona
       Schneider. Ihr liegt viel daran, die Schüler*innen und Eltern
       einzubeziehen. „Jede*r, der eine Schere oder einen Stift halten kann, kann
       hier mitmachen. Das bringt das Projekt zum Leuchten.“
       
       ## Acht Anlagen bereits installiert
       
       Mit einigen Schüler*innen hat sie vergangene Woche beispielsweise
       Schirme mit Zeichnungen verschönert. „Ich bin völlig begeistert.“ In einer
       Zeit, in der man sonst Abstand suche, entstehe hier eine Zusammenarbeit und
       ein Ineinandergreifen. „Das bringt Wärme, Stolz und Glück.“
       
       Johannes Prescher betont immer wieder, wie stressig das Projekt sei, aber
       es sei positiver Stress. Die Zeit zwischen den Jahren sei schwierig für ihn
       gewesen. Jetzt ist die Arbeit am Projekt wieder losgegangen und er ist mit
       Herzblut dabei.
       
       Von den Eltern haben sie viele positive Rückmeldungen, aber auch
       handwerkliche und finanzielle Unterstützung bekommen. Einige hätten erst
       gefragt, ob die Anlage denn auch im Klassenzimmer ihres Kindes gebaut
       werden würde.
       
       Auch wo das nicht der Fall geween sei, hätten Eltern gesagt: „Ich mache
       trotzdem mit.“ An der Gesamtschule Mitte wurden bereits acht Anlagen
       installiert. Acht weitere sollen folgen.
       
       3 Feb 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franziska Betz
       
       ## TAGS
       
   DIR Schule und Corona
   DIR Bremen
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Unterricht
   DIR Hamburg Schanzenviertel
   DIR Schule und Corona
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Bildungssystem
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Jugendliche müssen endlich feiern dürfen: Right to party
       
       Die Jugend hat unter Corona am meisten gelitten. Jetzt muss sie jung sein
       und entsprechend leben dürfen, statt schon wieder gegängelt zu werden.
       
   DIR Leitlinie für Schule in Coronazeiten: Vorerst keine Lockerung für Schulen
       
       Die Bildungsministerin präsentierte einen von Fachgesellschaften
       erarbeiteten Fahrplan. Unklar bleibt, wann der Betrieb wieder öffnet.
       
   DIR Kampf gegen Corona in Berlins Schulen: Eine echte Luftnummer
       
       Eltern besorgen für eine Grundschul-Klasse im Oktober auf eigene Faust
       einen teuren Luftfilter. Einsetzen dürfen sie ihn bis heute nicht.
       
   DIR Berliner Schulen bekommen Luftfilter: Einmal tief durchatmen
       
       Weil an vielen Schulen die Fenster nicht richtig öffnen, schafft der Senat
       für 4,5 Millionen Euro 1.200 Luftfilter an – um so Aerosole zu reduzieren.
       
   DIR Lüftungskonzepte in Schulen und Corona: Ups, schon Herbst
       
       Den Bildungsministerien fällt auf, dass Lüften im Winter nicht
       funktioniert. Geld für teure Filteranlagen wollen sie aber nicht ausgeben.
       Und nun?