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       # taz.de -- Interner AfD-Streit über Antisemitismus: Was Braunes in der Post
       
       > Ein Fraktionsmitarbeiter der Hamburger AfD soll den Holocaust relativiert
       > haben. Die Partei streitet intern und spricht nach außen von Verleumdung.
       
   IMG Bild: Die interne Post der AfD ist nicht unbedingt appetitlich, aber doch interessant
       
       Hamburg taz | Professionell und parlamentarisch, so will sich die
       AfD-Fraktion in der Bürgerschaft präsentieren. Die Abgeordneten Dirk
       Nockemann und Alexander Wolff bemühen sich um ein kompetentes Auftreten.
       Sie versuchen, ihre Positionen und Provokationen durch Kleine Anfragen zu
       untermauern, inszenieren ihre Reden bewusst. Im Vergleich zu den
       zerstrittenen AfD-Parlamentarier*innen in Hannover, Kiel und Bremen
       scheinen die Hamburger*innen geschlossen zu agieren. Das allerdings ist
       nicht mehr als ein Schein: Seit Wochen erreichen die taz immer wieder
       anonyme Briefe. Darin befinden sich interne Unterlagen, ausgedruckte Mails,
       Anfeindungen und Anschuldigungen gegen die Fraktion.
       
       Dabei geht es vor allem um die Mitarbeiter der sechs Abgeordneten. Darunter
       ist Benjamin Mennerich: wissenschaftlicher Mitarbeiter der AfD-Fraktion und
       Bezirksabgeordneter in Mitte. Mennerich hat ehrgeizige Ziele. Er kandidiert
       auf Platz 5 der Landesliste zur Bundestagswahl. Dabei ist er offenbar auch
       innerhalb seiner Partei umstritten.
       
       In den E-Mails von zwei AfD-Mitgliedern, die offenbar für eine
       parteiinterne Klärung über Antisemitismus in den eigenen Reihen gedacht
       waren, erheben die Verfasser gegen Mennerich schwere Vorwürfe: Der
       ehemaligen Berufssoldat der Luftlandeaufklärungskompanie 310 aus der
       Fallschirmjägerkaserne Seedorf soll mehrfach angezweifelt haben, „ob der
       Holocaust jemals stattgefunden habe“. Außerdem soll er gesagt haben, dass
       er keine Problemen damit hätte, wenn „die Geschichte“ angezweifelt und „die
       Beweise für das Geschehen einfach als nichtig erklärt“ würden.
       
       Auch antisemitische Alltagstipps soll er parat gehabt haben: Mit dem
       Klopfen auf den Tisch vor dem Trinken solle sichergestellt werden, dass
       „kein Jude mit am Tisch säße“. Außerdem steht in den Schreiben, dass der
       Militärische Abschirmdienst (MAD) seine Karriere bei der Bundeswehr wegen
       „rechtsextremer/verfassungsfeindlicher Tendenzen“ beendet habe.
       
       Doch stimmen all diese Anschuldigen? Von außen ist es schwierig, solche
       Behauptungen aus dem Innenleben einer Partei zu überprüfen. Eine Nachfrage
       bei der Pressestelle der Kaserne brachte am Freitag kein Licht ins Dunkel.
       Der Name Mennerich weckte bei dem Pressesprecher auf Anhieb keine
       Erinnerung.
       
       ## An der Presse kein Interesse
       
       Die AfD-Fraktion weist die Anschuldigungen von sich. Pressesprecher Robert
       Offermann teilt „im Namen der Fraktion“ mit: „Diese Vorwürfe sind falsch,
       verleumderisch und grob ehrabschneidend.“ Tatsächlich sei Mennerich aus dem
       aktiven Dienst der Bundeswehr „ausschließlich aufgrund seines regulären
       Dienstzeitendes entlassen“ worden. Hinter den Anschuldigungen stecke „ein
       intriganter Personenkreis“.
       
       Die beiden Mitglieder, die die Schreiben an die Fraktionsführung und den
       Fraktionsgeschäftsführer verfasst haben, reagieren auf Anfragen der taz
       nicht. Das ist wenig überraschend: Einer von ihnen hatte im vergangenen
       Jahr bereits in einer E-Mail an Nockemann und Wolf, die der taz ebenfalls
       vorliegt, geschrieben: „Das dies an die Medien kommt, daran habe ich kein
       Interesse. Es wird von mir auch keine Information an AfD-Watch Hamburg
       lanciert werden. Wer Letztere mit Information füttert, z.B. in dem er
       Mitarbeiter denunziert, der verkauft auch die eigenen Eltern an den
       Teufel.“
       
       Doch es könnte einen weiteren Grund für das Schweigen der beiden
       AfD-Mitglieder geben. Kürzlich erreichten die taz erneut interne Hinweise.
       In dem Schreiben heißt es, dass die beiden Zeugen „von der Fraktion massiv
       unter Druck gesetzt werden“. Dem Fraktionsvorsitzenden Nockemann wird
       vorgeworfen, nicht zu handeln.
       
       ## Das Schweigen der Informanten
       
       Mehr noch, der Geschäftsführer Thorsten Prenzler habe „die Fraktion voll im
       Griff“, würde alle Mitarbeiter, die er für seinen Machterhalt benötige,
       schützen – „auch Rechtsextreme, die den Holocaust leugnen und IB-Bezüge
       haben“. Mit IB ist die rechtsextreme Identitäre Bewegung gemeint.
       
       Mennerich, der bei der Kundgebungsreihe „Merkel muss weg“ mit auflief, über
       die der Verfassungsschutz sagte, die Organisatoren würden sich nicht einmal
       mehr darum bemühen zu verschleiern, dass die Anmelder Rechtsextremisten
       sind, ist nicht der ersten Fraktionsmitarbeiter, der parteiintern
       angegangen wird.
       
       Anfang Januar wurde bekannt, dass die AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Olga
       Petersen Anzeige gegen Prenzler eingereicht hat. Sie hält ihm vor, anders
       als dieser behauptet, den akademischen Grad Magister Artium gar nicht
       erreicht zu haben. In einem anonymen Schreiben an die taz und andere
       Redaktionen behaupten die Verfasser*innen zudem, dass
       „Urkundenfälschung und Betrug in mehreren Fällen“ im Raum stünden. Die
       Fraktion stellte sich vor Prenzler: Die Vorwürfe seien ebenfalls falsch und
       grob ehrabschneidend.
       
       6 Feb 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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