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       # taz.de -- US-Präsident Joe Biden zur Außenpolitik: Diplomatie statt Trumpismus
       
       > Biden verkündet mit der Ansage „Amerika ist zurück“ eine außenpolitische
       > Abkehr von Trumps Politik. Konkret wird er dabei nur an wenigen Stellen.
       
   IMG Bild: Will die internationale Diplomatie wieder aufleben lassen: Joe Biden bei seiner Rede am 4. Februar
       
       Berlin taz | In der ersten [1][außenpolitischen Grundsatzrede] seit seinem
       Amtsantritt, hat US-Präsident Joe Biden eine 180-Grad-Wende gegenüber der
       Politik seines Vorgängers angekündigt. „Amerika ist zurück, Diplomatie ist
       zurück“ sagte Biden bei einem Besuch im Außenministerium in Washington.
       
       Dabei wurde Biden an wenigen Stellen konkret: Mit sofortiger Wirkung würden
       die USA die Unterstützung jeglicher offensiver [2][Kriegshandlungen im
       Jemen] stoppen. Der Krieg, in dem eine von den USA und Saudi-Arabien
       geführte Koalition auf Seiten der jemenitischen Regierung gegen die von
       Iran unterstützten Huthi-Rebellen kämpft, habe zu einer humanitären
       Katastrophe geführt und müsse sofort aufhören.
       
       Die USA würden auch keine offensiven Waffensysteme mehr für den Krieg
       verkaufen, sagte Biden und benannte mit Timothy Lenderking einen
       langgedienten Diplomaten mit viel Erfahrung in der Region als
       US-Sondergesandten für den Jemen. Ziel müsse ein sofortiger
       Waffenstillstand und eine dauerhafte Friedenslösung sein, sagte Biden.
       
       Damit vollzieht der neue US-Präsident auch eine Abkehr von einer Politik,
       die er zu Beginn selbst mitgetragen hat: Die massive militärische
       Unterstützung der saudisch-geführten Koalition hatte schon unter Präsident
       Barack Obama begonnen – damals mit dem Ziel, die Saudis zu beruhigen, die
       sich vehement gegen Obamas [3][Unterstützung des Atomdeals mit dem Iran]
       gewehrt hatten.
       
       ## Vorrang für die Diplomatie
       
       Zweiter konkreter Punkt in Bidens Rede: Die Stationierung von US-Truppen in
       aller Welt werde auf dem Prüfstand stehen, vorerst seien alle von seinem
       Vorgänger angekündigten Veränderungen ausgesetzt – darunter der Abzug von
       fast 10.000 [4][in Deutschland stationierten US-Soldaten], die Trump im
       vergangenen Jahr verkündet hatte.
       
       Und schließlich kündigte Biden an, die Anzahl der Flüchtlinge, die jährlich
       in den USA Aufnahme finden, von derzeit nur noch 15.000 auf 125.000 zu
       steigern – eine klare [5][Abkehr von der Abschottungspolitik seines
       Vorgängers].
       
       Harte Worte fand Biden für Russland, ohne jedoch konkrete politische
       Schritte anzukündigen: Vorbei seien die Tage, an denen die USA vor den
       aggressiven Aktionen Russlands wie die Einmischung in US-Wahlen,
       Cyberattacken und Vergiftungen von Bürgern „gekuscht“ hätten, sagte Biden.
       Dies habe er Kremlchef Wladimir Putin kürzlich auf ganz andere Weise als
       sein Vorgänger klargemacht. „Wir werden nicht zögern, die Kosten für
       Russland zu erhöhen und unsere wesentlichen Interessen und unsere Bürger zu
       verteidigen“, sagte Biden.
       
       Biden wiederholte seine schon aus dem Wahlkampf bekannte Haltung, der
       Diplomatie und der engen Zusammenarbeit mit den US-Verbündeten wieder
       Vorrang einzuräumen und die im State Department vorhandene Expertise wieder
       zu nutzen. Für Trump und den verschwörungsgläubigen Teil seiner
       Unterstützer*innen galt das State Department stets als Hort des „Deep
       State“, der versuche, im Verborgenen die Strippen zu ziehen. In der Folge
       verwaisten ganze Abteilungen, etliche Stellen wurden nicht besetzt.
       
       ## Trumps Schatten über dem Repräsentantenhaus
       
       Ohne zu benennen, was das genau heißt, kündigte Biden darüber hinaus an,
       die USA würden sich künftig in all ihren Außenbeziehungen vehement für die
       [6][Rechte der LGBTQ-Community] einsetzen. Und: Außen- und Innenpolitik
       könnten nicht voneinander getrennt werden. Wenn man sich auf der Welt für
       Demokratie einsetzen wolle, könne man nicht zuhause Rassismus und
       autoritär-populistischen Vorstellungen huldigen.
       
       Nicht nur die Rede war geprägt vom Versuch, eine möglichst vollständige
       Abkehr von der Politik Trumps zu verkünden – Trumps Schatten stahl Biden
       auch die Medienaufmerksamkeit am Donnerstagabend. Denn zeitlich zu seiner
       Rede debattierte das Repräsentantenhaus über den Antrag der Demokrat*innen,
       der rechten Abgeordneten [7][Marjorie Taylor Greene] aus Georgia aufgrund
       ihrer aggressiven und verschwörungstheoretischen Äußerungen der letzten
       Jahre die Mitgliedschaft im Haushalts- sowie im Ausschuss für Bildung und
       Arbeit abzuerkennen.
       
       Greene selbst stellte sich in einer 10-minütigen Rede als einfache Frau
       dar, die nichts böses wolle. An die [8][verschwörungstheoretische
       QAnon-Bewegung] glaube sie inzwischen nicht mehr, sagte sie – sie habe
       gemerkt, dass QAnon genauso lüge wie die Mainstreammedien. Auch bezweifele
       sie nicht mehr, dass es die Anschläge vom 11. September 2001 und die
       verschiedenen Schulmassaker – die sie als von Schusswaffengegnern
       inszeniert bezeichnet hatte – wirklich gegeben habe. Das Vorgehen der
       Demokrat*innen gegen sie sei Teil einer gefährlichen [9][Cancel Culture
       der Linken].
       
       In leidenschaftlicher Debatte legten die Demokrat*innen dar, welche
       Gefahr davon ausgehe, wenn solchen demokratiefeindlichen Vorstellungen im
       Kongress eine Plattform geboten werde, während die meisten
       Republikaner*innen darauf verwiesen, auch von links gebe es
       verantwortungslose Äußerungen und der Antrag gegen Greene sei ein klarer
       Machtmissbrauch der Mehrheitsfraktion.
       
       Schließlich stimmten alle Demokrat*innen und immerhin elf
       republikanische Abgeordnete für ihren Rauswurf aus den beiden Ausschüssen –
       ein Republikaner mehr als vor einigen Wochen für das Impeachmentverfahren
       gegen Trump gestimmt hatten.
       
       5 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2021/02/04/remarks-by-president-biden-on-americas-place-in-the-world/
   DIR [2] /UN-Expertin-ueber-Krieg-im-Jemen/!5713074
   DIR [3] /Atomabkommen-mit-Iran/!5626571
   DIR [4] /US-Militaer-in-Deutschland/!5704839
   DIR [5] /Neuer-US-Praesident-Joe-Biden/!5748818
   DIR [6] /Wahlen-in-den-USA/!5726293
   DIR [7] /Republikaner-und-Marjorie-Taylor-Greene/!5749155
   DIR [8] /Trump-und-rechte-QAnon-Bewegung/!5702928
   DIR [9] /Studie-zu-Cancel-Culture/!5723644
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
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