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       # taz.de -- Politthriller „Roadkill“ bei MagentaTV: Von der Realität überholt
       
       > Hugh Laurie nimmt als konservativer Politiker kaum Rücksicht auf
       > Verluste. Ein all zu bekanntes Narrativ, was in „Roadkill“ trotzdem
       > funktioniert.
       
   IMG Bild: Hugh Laurie als Peter Laurence in Roadkill
       
       Peter Laurence (Hugh Laurie) spricht von sich selbst gerne als „entspannter
       Konservativer, ein Anhänger des Fortschritts“ und bringt damit hervorragend
       auf den Punkt, was seinen persönlichen Stil als Politiker ausmacht: Der
       Wille zur Macht kommt vor konkreten inhaltlichen Zielen. Was er sagt, muss
       zuerst seinem Image zuträglich sein, Kohärenz kommt höchstens an zweiter
       Stelle.
       
       In allerbester populistischer Manier ist es gerade der Widerspruch, der
       konstante Verstoß gegen die Regeln, mit dem er versucht, bei seinen
       Wähler*innen zu punkten. Und um seine vermeintliche Volksnähe zu
       unterstreichen, spricht er in einer wöchentlichen Radio-Sendung über das
       politische Geschehen – noch lieber aber über sich selbst, den
       Verkehrsminister.
       
       So auch, als er gleich zu Beginn der BBC-Miniserie „Roadkill“ eine wichtige
       Verleumdungsklage gegen eine Zeitung, die ihm Korruption nachweisen wollte,
       gewinnt. Den vor dem Gericht wartenden Journalist*innen weicht er aus
       und eilt direkt ins Radio-Studio, um sich selbst ins rechte Licht zu
       rücken.
       
       Der Polit-Thriller-erprobte Zuschauende weiß, dass dieser juristischen
       Reinwaschung mit Vorsicht zu begegnen ist. Im Jahr 2021 muss man allerdings
       nicht mit [1][„House of Cards“ (2013 – 2018)] vertraut sein, um vorhersagen
       zu können, was Laurence für ein Typ ist und wie viel Erfolg er mit seinen
       unsauberen Taktiken haben könnte.
       
       Denn der Plot der Erfolgsserie um Kevin Spacey, der, bei allem Lob, vielen
       Kritiker*innen überzogen vorkam, wurde an Absurdität mittlerweile
       schlicht von der Realität übertroffen. Anders ausgedrückt: Wen würde es
       heute noch überraschen, [2][dass ein Francis J. Underwood mit jedem Schmutz
       durchkommt], nachdem die Welt einen Donald J. Trump gesehen hat?
       
       ## Tefloy-Tory der Post-Brexit-Ära
       
       Dieser fehlende Neuigkeitswert ist die wohl größte Schwachstelle der
       vierteiligen Miniserie. Das übliche Schock-Moment über den Grad an
       Unverfrorenheit der Figuren, auf das Polit-Thriller sich bislang verlassen
       konnten, zündet nicht mehr richtig. Die Lust am Grusel vor den gezeigten
       Intrigen und Machenschaften hat abgenommen.
       
       Dass „Roadkill“ trotzdem ein grundsolider Vertreter seines Genres geworden
       ist, liegt auch daran, dass Hugh Laurie die Janusköpfigkeit der Hauptfigur
       schauspielerisch zu unterstreichen weiß, die David Hare („Der Vorleser“) im
       Drehbuch angelegt hat. Peter Laurence mag nach außen ein Teflon-Tory der
       Post-Brexit-Ära sein, doch seine wahren Motive bleiben obskur. Nie ist man
       sich so ganz sicher, warum er dieses tut oder jenes unterlässt.
       
       Darüber hinaus verlässt sich die Miniserie niemals allein auf Laurences
       politischen Drahtseilakt in Richtung Downing Street. Um die Hürden, die er
       zu nehmen hat, werden vielschichtige Handlungsstränge und Charaktere
       gesponnen: Die Journalistin Charmian Pepper (Sarah Greene) hat den
       Korruptionsfall noch nicht zu den Akten gelegt, seine Geliebte Madeleine
       (Sidse Babett Knudsen, [3][bekannt aus „Borgen“]) ist unzufrieden mit ihrer
       Rolle, Premierministerin Dawn Ellison (Helen McCrory) meint, ihn in der
       Hand zu haben.
       
       Seine Fahrerin (Emma Cunniffe) und Anwältin (Pippa Bennett-Warner) wollen
       ihn zu Fall bringen. Und dann ist da noch eine junge Gefängnisinsassin
       (Shalom Brune-Franklin), die behauptet, seine Tochter zu sein – und eine
       Ehefrau (Saskia Reeves), die seiner „Ausrutscher“ müde ist.
       
       Ob es einer seiner Widersacherinnen binnen der vier Folgen gelingen wird,
       seinen Plan zu durchkreuzen, bleibt bis zuletzt spannend. Genau genommen
       sagt die Wirklichkeit aber auch in dieser Frage die Antwort vor.
       
       5 Feb 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Arabella Wintermayr
       
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