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       # taz.de -- Myanmar nach dem Putsch: Junta lässt scharf schießen
       
       > Mindestens 18 Tote, über 30 Verletzte, viele Festnahmen: Mit massiver
       > Gewalt gehen die Sicherheitskräfte in Myanmar gegen die Protestbewegung
       > vor.
       
   IMG Bild: Mit Gewehren bewaffnet: Polizei im Einsatz gegen Demonstrant:innen in Yangon am Sonntag
       
       Berlin taz | Die vor einem Monat durch einen Putsch an die Macht gekommene
       Militärregierung in Myanmar hat am Wochenende ihre [1][Repression] der
       landesweiten Protestbewegung massiv verstärkt. Mindestens 18 Personen
       wurden dabei getötet und mehr als 30 verletzt, teilte das Büro der Hohen
       Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte am Sonntag mit. Es
       war der tödlichste Tag seit dem Putsch.
       
       Oft wurden die Demonstrant:innen schon angegriffen, bevor sie sich wie
       an Yangons wichtigster „Protestkreuzung“ Hledan überhaupt in großer Zahl
       sammeln konnten. Auch wurden Menschen bei ihrer Flucht zum Teil bis in
       Wohnviertel verfolgt. Dort versuchte die Polizei, das Filmen mit Handys zu
       unterbinden. Denn in den sozialen Medien zeigen Hunderte Clips die Gewalt
       der offiziellen Sicherheitskräfte gegen friedliche Gegner der
       Militärherrschaft.
       
       Erstmals setzten Polizei und Militär in größerem Umfang Tränengas und
       Blendgranaten ein. Doch wurde außer mit Gummigeschossen auch immer wieder
       mit scharfer Munition gefeuert, mal nur in die Luft, aber auch gezielt auf
       Demonstrant:innen. Vereinzelt wurden auch Passant:innen getroffen.
       Angriffe auf die friedlichen Proteste wurden aus Yangon, Mandalay, Dawei,
       Taunggyi, Myitkyina, Bago, Myeik und Pokokkuo gemeldet.
       
       Die Zahl der Opfer von Kugeln von Polizei und Militär könnte im Laufe des
       Abends noch steigen. Die [2][Hilfsvereinigung für Politische Gefangene
       (AAPP)], eine lokale Menschenrechtsorganisation, hatte schon bis
       Samstagabend seit dem Putsch 854 Festgenommene gezählt, von denen noch 771
       in Haft seien. Und allein bis Samstag zählte die Organisation acht Tote im
       Zusammenhang mit dem Putsch. Am 1. Februar war die Regierung von Aung San
       Suu Kyi wegen angeblichem Wahlbetrug vom Militär gestürzt worden. Seitdem
       gilt der Notstand und es gibt ein Versammlungsverbot.
       
       ## Demonstrant:innen legen sich Schutzschilde zu
       
       Die größten Proteste gab es am Sonntag im zentralen Mandalay, der
       zweitgrößten Stadt des Landes. Dort marschierten Zehntausende in jeweils
       einheitlicher Kleidung ihrer Ethnie, ihrer Religion oder ihres
       Berufsstandes auf. So gab es laut dem Nachrichtenportal [3][Frontier ] etwa
       Blöcke von Ärzten, Ingenieuren, Lehrern, Mönchen, Nonnen, aber auch von
       ethnischen Chinesen, die dort am stärksten vertreten sind. Die Zahl der
       Protestierenden war so groß, dass Polizei und Militär dort zunächst nicht
       einschritten und erst später zuschlugen.
       
       Mit der wachsenden Gewalt geht der Happeningcharacter der Proteste verloren
       und steigt das Risiko für die Beteiligten. Eine von der Militärregierung
       intendierte Einschüchterung ist bisher aber noch nicht bemerkbar.
       
       In der größten Stadt Yangon (Rangun) ist eine Aufrüstung junger
       Demonstrant:innen zu beobachten, ähnlich wie in Hongkong im Sommer
       2019. Viele der sogenannten Frontliner tragen inzwischen weiße oder gelbe
       Bauarbeiterhelme aus Plastik, manche schon Gasmasken oder -brillen.
       
       Auch gibt es auf Seite der Demonstrant:innen inzwischen offenbar eine
       Massenproduktion von Schutzschilden. Mit Schilden aus Sperrholz, Aluminium
       oder aus aufgeschnittenen Fässern aus Metall oder Plastik stehen Dutzende
       junge Männer organisiert den Ketten der Polizei gegenüber und schieben
       mobile Barrikaden etwa aus Mülltonnen vor sich her.
       
       ## „People“ versus „Police“
       
       Steht das Wort „Police“ auf den Schilden der auch mit Schusswaffen
       ausgerüsteten Polizisten, hinter denen oft Soldaten mit ihren Waffen
       stehen, tragen die Schutzschilde der Demonstrant:innen nicht selten
       einheitliche Aufschriften wie „People“. Bisher werfen sie keine Steine oder
       Brandsätze, sondern agieren defensiv.
       
       In Clips ist auch zu sehen, wie junge Demonstrant:innen sich durch die
       aus Hongkong bekannten Handzeichen zum Rückzug verständigen oder etwa
       Sanitäter oder ihre eigenen mit Wasser ausgerüsteten „Spezialkräfte“ zur
       Ausschaltung von Tränengasgranaten dirigieren.
       
       Unter dem Begriff „Milktea Alliance“ haben sich junge Aktivist:innen
       aus Taiwan, Hongkong, Thailand und Myanmar untereinander vernetzt und
       tauschen Tips und Erfahrungen aus. Der 28. Februar sollte ein gemeinsamer
       Aktionstag sein. Zumindest in Bangkok kam es auch zu einem größeren
       Protest.
       
       In Mandalay setzten Demonstrant:innen am Sonntag fünf uniformierte
       Polizisten fest und präsentierten sie im Internet. Sie waren mit einem
       Zivilfahrzeug in den Demonstrationszug gefahren und hatten den Kofferaum
       voller Waffen.
       
       ## Wieder Protest in Berlin
       
       Eine Solidaritätskundgebung mit dem Protest gegen die Militärherrschaft in
       Myanmar gab es am Samstag in Berlin. Vor dem Sitz des Militärattachés von
       Myanmar in der Clayallee im Bezirk Steglitz-Zehlendorf demonstrierten etwa
       100 Personen. Es war [4][bereits der zweite Protest] an dieser Stelle.
       
       Die Demonstrant:innen schlugen wie allabendlich die Protestbewegung in
       Yangon auf Töpfe und Pfannen und forderten die Ausweisung des Vertreters
       des Putschmilitärs aus Deutschland. Das Straßenschild an der Ecke vor dem
       Haus wurde symbolisch überklebt und die Straße umbenannt in Kyaw Moe Tun
       Straße. Kyaw Moe Tun ist Myanmars UN-Botschafter, der sich als bisher
       höchster Diplomat des Landes der neuen Führung verweigert und vor der
       UN-Generalversammlung zum Widerstand gegen das Militär aufgerufen hat.
       
       28 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Proteste-gegen-Militaerherrschaft-in-Myanmar/!5754227
   DIR [2] https://aappb.org/?p=13310
   DIR [3] https://www.frontiermyanmar.net/en/myanmar-protests-live/?fbclid=IwAR2OGNndyvaZWL-akTM4-kUW8wRE09Dpeoo1f8kI_oSAmD0c_BZG-y60f30
   DIR [4] /Solidaritaet-mit-Myanmar/!5752006
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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