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       # taz.de -- Haftstrafe für Nicolas Sarkozy: Entzaubert
       
       > Der französische Staatspräsident hat Befugnisse wie ein Diktator. Das
       > Urteil gegen Sarkozy zeigt zumindest die Umrisse einer politischen
       > Neuordnung.
       
   IMG Bild: Nicolas Sarkozy während des Prozesses
       
       Das Amt des Präsidenten Frankreichs ist im Europa des 21. Jahrhunderts ein
       Anachronismus. Er – es ist bislang immer ein Mann gewesen – ist vom Volk
       gewählt, aber wenn er will, regiert er als Diktator. Für viele wichtige
       Entscheidungen braucht er weder Regierung noch Parlament. Er kann im
       Alleingang das Militär in den Krieg schicken und über die von ihm ernannten
       Präfekten, denen die Polizei untersteht, eine Maschinerie der autoritären
       Herrschaft unter Umgehung der gewählten Institutionen befehligen.
       
       Sein Amt ist der personifizierte Ausnahmezustand, [1][von General Charles
       de Gaulle 1958] zur Stabilisierung des Landes während der Entkolonisierung
       Algeriens ausgearbeitet und seitdem nur am Rande reformiert. Sein Etat ist
       höher als der der britischen Königsfamilie und weitgehend der öffentlichen
       Kontrolle entzogen. Auch nach Ende seiner Amtszeit bekommt er immense
       Bezüge, behält über den französischen Staatsrat ein Amt mit den Befugnissen
       eines Verfassungsrichters und genießt volle straf- und zivilrechtlche
       Immunität für alles, was er als Präsident gemacht hat.
       
       Erst seit 2007 kann der Präsident für Dinge, die nicht mit dem Amt
       zusammenhängen, zur Verantwortung gezogen werden. Das trägt nun zur
       Entzauberung eines Amtes bei, das sich überlebt hat. [2][Die Verurteilung
       von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy] zu einer Gefängnisstrafe wegen Korruption
       ist ein historisches Ereignis, weil sie die Grenzen der Macht aufzeigt. Vor
       ihm war bereits Jacques Chirac verurteilt worden, aber anders als der
       greise Chirac bei seiner Verurteilung vor zehn Jahren steht Sarkozy heute
       noch mitten im politischen Leben – das denkt er jedenfalls.
       
       In einem modernen Frankreich würde der Staatschef nicht länger über dem
       Recht stehen; Rechtsbeugung wäre keine normale Begleiterscheinung einer
       erfolgreichen politischen Karriere mehr. Emmanuel Macron hat Frankreich
       nicht modernisiert: er hat das zentralistische, autoritäre
       Herrschaftsmodell der Fünften Republik gestärkt, statt es zu reformieren.
       Es sind Urteile wie das gegen Sarkozy, die die Umrisse einer politischen
       Neuordnung zumindest ansatzweise in Erscheinung treten lassen.
       
       1 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mitterrand-Erinnerungen-in-Frankreich/!5121037
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/frankreich-sarkozy-haftstrafe-101.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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