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       # taz.de -- Verschleppter Student in Ägypten: Von Wien nach Kairo, dann in Haft
       
       > Ägypten hat einen Studenten verschleppt. Nun ist er wieder aufgetaucht.
       > Ihm wird Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe vorgeworfen.
       
   IMG Bild: Ein Student der Central European University in Wien wurde in Ägypten verhaftet
       
       Kairo taz | Was als Familienbesuch und Urlaub in der ägyptischen Heimat
       geplant war, endete für den in Wien studierenden Ägypter Ahmad Samir
       Santawy als Albtraum inklusive Gefängnis. Er steht unter der Anklage,
       Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein.
       
       Alles begann mit Samirs Ankunft am Flughafen im ägyptischen Scharm
       al-Scheich, einen Tag vor Heiligabend. Der 26-Jährige wurde nach seinem
       Studium an der Central European University in Wien befragt. Seine Antwort,
       dass er an seiner Masterarbeit zum Thema Abtreibung in Ägypten arbeite,
       scheint die Behörden beunruhigt zu haben. Drei Stunden wurde er
       festgehalten, bevor man ihn einreisen ließ.
       
       Zunächst schien der Fall damit erledigt zu sein, erzählt Muhammad Abdel
       Salam, der in Kairo die Menschenrechtsorganisation Association for Freedom
       of Thought and Expression (AFTE) leitet, der taz. Samir machte also wie
       geplant Urlaub in Dahab auf dem Sinai, als er erfuhr, dass die Wohnung
       seiner Eltern [1][in Kairo] am 23. Januar durchsucht worden war. Der
       Student wurde auf eine Polizeistation in Kairo vorgeladen. Nachdem er dem
       Folge leistete, verlor sich seine Spur.
       
       „Das war letzten Donnerstag und wir wussten, dass ist kein gutes Zeichen,
       denn in der Regel bedeutet es, dass der Fall ins Hauptquartier der
       Staatssicherheit geschickt wurde. Dem folgt dann meist eine offizielle
       Anklage“, erklärt Abdel Salam, der Samir persönlich kennt.
       
       Am vergangenen Samstag schließlich tauchte der Student vor der
       Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit auf. Dort wurde er offiziell
       angeklagt, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein und über
       Facebook Falschmeldungen verbreitet zu haben, die die Sicherheit und
       Stabilität des Landes gefährden. Weitere Details sind bislang nicht
       bekannt.
       
       „Samir ist weder Terrorist noch Islamist, Radikalität ist ihm fremd“, sagt
       Abdel Salam. „Die Behörden verwenden diese Anklage auch gegen kritische
       Säkularisten, die sich für Politik interessieren oder Sozialforschung
       betreiben.“ Für seinen Freund sieht er schwarz: „Was in Ägypten in der
       Regel geschieht, ist, dass die Angeklagten in Untersuchungshaft kommen. Die
       wird dann routinemäßig alle 15 Tage erneuert, ohne dass es zu einem Prozess
       kommt. Das kann bis zu zwei Jahre dauern“, erläutert Abdel Salam.
       
       ## Ägypten gefährlich für Sozialwissenschaftler
       
       Samir ist nicht der erste Student aus Europa, der in Ägypten Schlagzeilen
       macht. Im Jahr 2016 verschwand der italienische Cambridge-Doktorand
       [2][Giulio Regeni] und wurde später tot mit Foltermalen aufgefunden. Rom
       bezichtigt den ägyptischen Sicherheitsapparat, dafür verantwortlich zu
       sein, was Kairo abstreitet.
       
       Im Februar vergangenen Jahres wurde Patrick George Zaki, ein ägyptischer
       Magisterstudent an der Universität Bologna, verhaftet und sitzt seitdem in
       Kairo im Gefängnis. Zaki hatte auch für eine ägyptische
       Menschenrechtsorganisation gearbeitet.
       
       „Die Verhaftung Samirs ist eine weitere Botschaft, dass Ägypten für
       sozialwissenschaftlich Recherche ein unsicherer Ort ist“, meint Abdel
       Salam. Unabhängige wissenschaftliche Recherchen, würden von den Behörden
       als Bedrohung wahrgenommen. Die einzige Hoffnung für Samir sei nun vor
       allem, dass sich seine Universität in Wien zu Wort meldet.
       
       Am Montag erklärte Michael Ignatieff, der Rektor der Central European
       University in Wien, dass über die Verhaftung seines Studenten schockiert
       sei. „Ahmad Samir ist ein junger Researcher der Anthropologie und
       Soziologie. Er ist nun angeklagt, mit Terroristen in Verbindung zu stehen.
       Wir sehen keinerlei Hinweise darauf, dass er dessen beschuldigt werden kann
       und wir fordern seine sofortige Freilassung und seine Rückkehr nach Wien“,
       erklärte er gegenüber dem ORF und warnte, dass der Fall den Beziehungen
       zwischen Österreich und Ägypten, besonders in der Zusammenarbeit im
       Bildungssektor, schaden könnte.
       
       Er fügte hinzu: „Wien möchte eine internationale Studien-Destination sein.
       Die Kooperation mit Ägypten ist in diesem Sektor unmöglich, bis Ahmad Samir
       freigelassen wird“.
       
       8 Feb 2021
       
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