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       # taz.de -- Streetpunk-Solisampler: If the Kids are united
       
       > Vier Bands für ein Halleluja: Die Compilation „United World Wide“
       > versammelt Punkbands aus Ost- und Westeuropa für einen guten Zweck.
       
   IMG Bild: Es rumort: Die russische Punkband What We Feel
       
       Was die insgesamt vier Bands auf der Compilation „United Worldwide Volume
       2“ vereint, ist wichtig: Ihr gemeinsamer Kampf für gelebte
       Wertvorstellungen und gegen einen unbarmherzigen Alltag, der immer mehr
       Menschen von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließt. Musik als
       solidarischer Beistand, das ist doch mal was! In Kooperation mit dem Kieler
       Label Fire and Flames, Kob Records in Italien und dem russischen Label Rise
       & Fall veröffentlicht das Hamburger Label Audiolith nun eine
       Zusammenstellung internationaler Punkbands.
       
       Für Kontroversen sorgt gewiss die Unterstützung durch die Modemarke
       Lonsdale. Wer jetzt die Kommentarspalten deshalb volltrollt, statt den
       Musiker*innen Aufmerksamkeit zu geben, dem sei gesagt: Lonsdale
       distanziert sich bereits seit den 1990ern von Rechtsextremen, die Lonsdale
       tragen, und unterstützt antirassistische Arbeit – so wie eben mit diesem
       vorliegenden Werk.
       
       Im Antifaspektrum integriert, zeigen die Bands in ihrem Engagement klare
       Kante gegen Autoritarismus, Sexismus und Rassismus. „Solidarity Is Our
       Weapon“ skandiert die italienische Redskinband Los Fastidios in ihrem Song
       „Soldari-Ska“ und bringt dazu energische Gitarrenriffs, Offbeat-Rhythmen
       und weitere Parolen zum Mitgrölen: „Music can, music can do everything you
       need / Music can, music can be a riot in the street.“
       
       Im Protest vereint der Sampler West- und Osteuropa, ein Fokus liegt auf dem
       Volksaufstand in Belarus. Spätestens seit August 2020 gibt es dort
       grenzübergreifende Solidarität und Aktivist*innen vor Ort in Belarus
       gehen gegen den Lukaschenkismus auf die Straße. Mehr als 130 politische
       Gefangene wurden seit den Präsidentschaftswahlen in Belarus verhaftet, über
       1.000 Strafverfahren wurden eingeleitet.
       
       ## Gegen Ignoranz
       
       Auch [1][Igor Bancer], Sänger der Streetpunkband Mister X, wurde mehrfach
       festgenommen und gefoltert. Als Teil der S.H.A.R.P.-Szene in Belarus kämpft
       seine Band Mister X allen Repressalien zum Trotz konsequent gegen
       staatliche Unterdrückung und Ignoranz. Man muss sich vorstellen: Zu seiner
       Gerichtsverhandlung wurde Bancer nicht eingelassen, weil er die rosa Flagge
       schwenkte.
       
       Ähnlich wie Mister X in [2][Belarus] gilt die russische Band What We Feel
       beim antifaschistischen Kampf in ihrer Heimat als Archetyp der
       subkulturellen Hardcorepunk-Szene. Und manchmal ist ihr Ansporn für ein
       Scharmützel weniger politisch, sondern schlicht und persönlich: Die Kinder
       und die Welt, in der wir sie aussetzen.
       
       ## Melodisch und sentimental
       
       Sentimental, melodisch und ein bisschen kitschig klingt ihr Song „For Our
       Children“: „Ich möchte, dass dein Herz die ganze Welt enthält / Ich möchte
       dich innerlich warmhalten / Ich hoffe du bist klüger und besser als ich /
       Du musst wissen, wenn etwas Schlimmes passiert, werde ich immer an deiner
       Seite bleiben / Ich bin stolz, dein Vater zu sein!“
       
       Konkreter und anarchischer hingegen MyTerror. Aus Düsseldorf stammend,
       singen sie auf Russisch: „Wer schaut zu, wer bewacht / Wer schlägt, wer
       tötet / Wer urteilt, wer lügt“. Das trifft so ziemlich auf das zu, was in
       Belarus passiert: Lukaschenko hat sich eine Alleinherrschaft geschaffen,
       ohne jede Rechtsstaatlichkeit. Bereits im September verkündete er, dass
       Gesetze in der derzeitigen Lage Nebensache seien.
       
       Genauer betrachtet gelten Gesetze nur bei Gegner*innen. 4.000 Strafanzeigen
       gegen Polizeigewalt – unermittelt. Politische Gefangene gibt es seines
       Erachtens auch gar nicht: All die Menschen seien im Gefängnis, weil sie die
       Stabilität des Landes untergraben. Die EP klingt musikalisch zwar etwas
       antik, doch das wütende Rumoren kann getrost ignoriert werden: Der Erlös
       wird an die Familien von antifaschistischen und politischen Gefangenen in
       Osteuropa gehen und macht jede einzelne Zuwendung unerlässlich.
       
       17 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Du Pham
       
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