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       # taz.de -- Bruch mit EVP im Europaparlament: Orbán macht als Erster Schluss
       
       > Ungarns Fidesz verlässt die konservative Fraktion im Europaparlament.
       > AfD-Chef Meuthen reibt sich die Hände – er will mit Fidesz
       > zusammengehen.
       
   IMG Bild: Der Konflikt zwischen Orbán und der EVP schwelt schon seit Jahren
       
       Brüssel taz | Showdown im Europaparlament in Brüssel: Ungarns
       Regierungschef Viktor Orbán hat die Abgeordneten seiner nationalistischen
       Fidesz-Bewegung [1][aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP)
       zurückgezogen]. Jetzt droht der vollständige Bruch zwischen Orbán und der
       konservativen EVP, in der CDU und CSU den Ton angeben. AfD-Chef Jörg
       Meuthen reibt sich schon die Hände – er will mit Fidesz zusammengehen.
       
       Der Konflikt zwischen Orbán und der EVP schwelt schon seit Jahren. Zum
       ersten großen Krach kam es 2015 im Streit über die Flüchtlingspolitik.
       Obwohl Orbán den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel ablehnte und europäische
       Solidarität verweigerte, [2][verhinderten Merkel und die CDU den Rauswurf].
       Auch Orbáns vehemente Attacken auf den früheren Kommissionschef Jean-Claude
       Juncker änderten wenig.
       
       Doch nun ist das Maß voll. Orbán hatte im Herbst 2020 den EU-Haushalt
       blockiert, um mögliche Finanzsanktionen wegen mangelnder
       Rechtsstaatlichkeit in Ungarn abzuwehren. Zudem ließ er es zu, dass der
       Fidesz-Europaabgeordnete [3][Tamas Deutsch den EVP-Fraktionschef Manfred
       Weber beleidigte]. Von „Gestapo-Methoden“ war die Rede, viele EVP-Politiker
       wollten Fidesz schon damals hinauswerfen.
       
       Wieder hielten CDU/CSU dagegen. Immerhin stimmten sie einer Änderung der
       Geschäftsordnung zu, die den Ausschluss der Fidesz-Gruppe aus der Fraktion
       ermöglichen sollte. Diese Änderung wurde am Mittwoch mit einer breiten
       Mehrheit verabschiedet. Daraufhin zog Orbán wie angedroht die Reißleine. In
       einem Brief an Weber sprach er von einem „feindlichen Akt gegen die Fidesz
       und unsere Wähler“.
       
       ## Schwächung für EVP-Fraktion
       
       Nun müssen die zwölf Fidesz-Abgeordneten die größte Fraktion im
       Europaparlament verlassen. Die EVP-Gruppe schrumpft damit von 187 auf nur
       noch 175 Parlamentarier, bleibt aber stärkste Kraft. Dennoch bedeutet der
       Abschied eine Schwächung für Fraktionschef Weber, aber auch für
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die [4][CDU-Politikerin ist
       Mitglied der EVP]; bei der Durchsetzung ihrer Politik ist sie auf die
       größte Fraktion angewiesen.
       
       Für die Orbán-Anhänger hingegen eröffnen sich neue Möglichkeiten. Sie
       könnten sich der polnisch dominierten rechtskonservativen EKR-Fraktion
       anschließen – oder noch weiter nach rechts zur ID-Gruppe wechseln, in der
       auch die AfD mitarbeitet. „Aufseiten der AfD würde sich keiner einem
       Beitritt des Fidesz zur ID versperren“, erklärte Parteichef Meuthen. „Ganz
       im Gegenteil: Wir sind überzeugt, dass die patriotischen und freiheitlichen
       Kräfte Europas an einem Strang ziehen sollten.“
       
       Viel dürfte davon abhängen, wie sich nun die EVP-Partei verhält. Bisher ist
       die Mitgliedschaft der Fidesz in der Partei nur suspendiert. Parteichef
       Donald Tusk kündigte ein Ausschlussverfahren an. Eine Entscheidung könne
       aber erst fallen, wenn es die Infektionslage erlaube. Dafür muss die
       „Political Assembly“ der EVP zusammentreten.
       
       Fraktionschef Weber scheint sich bereits auf den finalen Bruch
       vorzubereiten. Die Partei stehe nicht länger auf derselben politischen
       Grundlage wie die christdemokratischen Gründerväter seit Konrad Adenauer,
       sagte der CSU-Politiker. „Es ist der Fidesz, der sich abgewandt hat.“
       
       Demgegenüber sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe, Daniel Caspary: „Die
       Hand bleibt ausgestreckt.“ Die Änderungen der Geschäftsordnung hätten nicht
       darauf abgezielt, die Fidesz auszuschließen, so Caspary. Ziel sei lediglich
       eine Suspendierung gewesen.
       
       3 Mar 2021
       
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