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       # taz.de -- Haft von indischer Gewerkschafterin: Nodeep Kaur schweigt nicht
       
       > Die 24-jährige Dalit-Aktivistin wurde im Januar nach einer Kundgebung vor
       > einer Fabrik verhaftet. Kaur erhebt Foltervorwürfe gegen die Polizei.
       
   IMG Bild: Die Aktivistin Nodeep Kaur lässt sich nicht einschüchtern
       
       Mumbai taz | Ihren 24. Geburtstag hatte sich Nodeep Kaur wohl anders
       vorgestellt, als ihn im Gefängnis zu verbringen. Doch die Gewerkschafterin,
       die zu den unteren Kasten Indiens gehört, wurde Mitte Januar nahe der
       Hauptstadt Delhi verhaftet, nachdem sie eine Kundgebung vor einer Fabrik im
       Industriegebiet abhielt. Sie hatte bis Dezember dort gearbeitet, bevor sie
       sich den seit mehr als 100 Tagen andauernden Massenprotesten indischer
       Bauern gegen neue Agrargesetze anschloss.
       
       „Als der Protest begann, wurden wir inspiriert“, so Kaur, die in der
       Gewerkschaft Organisation für Arbeitsrechte (Mazdoor Adhikar Sangathan,
       MAS) aktiv ist. MAS wie andere Gewerkschaften auch solidarisierten sich:
       „Landwirt:innen und Arbeiter:innen sind unzertrennlich.
       Arbeiter:innen produzieren in den Fabriken, und Bäuer:innen
       produzieren auf den Feldern“, sagte Kaur vor ihrer Verhaftung.
       
       Die Festnahme erfolgte aufgrund der Vorwürfe Körperverletzung, Aufruhr,
       Hausfriedensbruch und Einforderung von Zahlungen, die auf Aussagen eines
       Polizeiinspektors und des Buchhalters der Firma basierten, die zuvor
       Arbeiter:innen ihre Löhne vorenthalten hatte. Kaur forderte die
       korrekte Auszahlung der Löhne, die verspätet und unterhalb des Tarifs
       gezahlt wurden. Ein Forderung war zudem: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
       auch für weibliche Arbeitskräfte.
       
       Zweimal wurde Kaur die Kaution verweigert, bevor sie ihr per
       Gerichtsbeschluss schließlich gewährt wurde. Seit ihrer Freilassung erhebt
       sie [1][Vorwürfe über Folter] in Polizeigewahrsam: „Sie haben mich
       geohrfeigt, und mit Schuhen und Stöcken auf meine Geschlechtsteile
       geschlagen. Ich habe danach stark geblutet.“ Die Beamten sollen sie wegen
       ihrer Herkunft als Nachfahrin indischer Ureinwohner, sogenannter
       [2][Dalit], beleidigt haben: Sie solle Abflüsse reinigen, statt Proteste
       gegen Reiche und Mächtige zu organisieren. 
       
       ## Kaurs Fall erhielt internationale Aufmerksamkeit
       
       Kaur hingegen zeigt sich unbeeindruckt: „Es ist kein Verbrechen, sich zu
       organisieren und Rechte von Fabrikbesitzern einzufordern.“ Ihr Fall erhielt
       internationale Aufmerksamkeit, nachdem die US-Anwältin Meena Harris, Nichte
       von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, sowie der indisch-kanadische
       Politiker Gurratan Singh über sie twitterten. Auch in Indien forderten
       viele ihre Freilassung.
       
       „Ich habe keine Angst, meine Meinung zu sagen. Als Dalit und Arme ist unser
       Leben nie einfach. Wir sind immer diskriminiert worden“, so Kaur, die
       weiterhin die Bauernproteste unterstützt. Sie befürchtet, dass die
       Auswirkungen der neuen Agrargesetze auch Werktätige spüren werden.
       
       Kaur, die die Schule nach der 12. Klasse wegen finanzieller Engpässe
       abbrach, stammt aus einer gewerkschaftsnahen Familie aus Pundschab. Sie
       engagierte sich im vergangenen Jahr auch bei den Protesten gegen das
       umstrittene [3][Staatsbürgerschaftsgesetz CAA], das Muslim:innen
       ausschließt. Kaur kritisiert, dass der Raum für abweichende Meinungen
       schrumpft. Das bestätigt der jetzt veröffentlichte Jahresbericht der NGO
       Freedom House, die Indien zu einer „teilweise freien“ Demokratie
       herabgestuft hat.
       
       8 Mar 2021
       
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