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       # taz.de -- Vor der Wahl in Baden-Württemberg: Kampf um die Stuttgarter Luft
       
       > Die Grünen rühmen sich damit, die Luftqualität in den Städten verbessert
       > zu haben. Nur: Bis heute ignoriert das Land Gerichtsurteile dazu.
       
   IMG Bild: Dicke Luft im Kessel: Messstation am Stuttgarter Arnulf-Klett-Platz
       
       FREIBURG taz | Nirgendwo war und ist der Kampf um die Luftgrenzwerte so
       erbittert wie in Baden-Württemberg. Verkehrsminister Winfried Hermann
       (Grüne) spielte dabei eine eher unglückliche Rolle, eingeklemmt zwischen
       der vor Gericht fast immer erfolgreichen Deutschen Umwelthilfe (DUH) und
       dem Koalitionspartner CDU, der ihn zwang, die Urteile zu ignorieren.
       
       Als Minister Hermann im Februar seine Bilanz zur Luftreinhaltung
       vorstellte, war er fast ein bisschen stolz. „Wir haben das Leben in
       Baden-Württemberg gesünder gemacht – jedenfalls was die Atemluft betrifft.“
       2016 wurde der Grenzwert für Stickstoffdioxid im Jahresmittel noch in 27
       Städten Baden-Württembergs überschritten. 2019 waren es noch 4 Städte und
       2020 seien es nur noch „wenige Straßenabschnitte von insgesamt etwa 800
       Metern Länge in Stuttgart und Ludwigsburg“ gewesen, so Hermann.
       
       Auch im Vergleich mit anderen Ländern stehe Baden-Württemberg gut da,
       betonte der Minister. Die Luftschadstoffe seien doppelt so schnell gesunken
       [1][wie im Bundesschnitt]. Hermann verwies auf ein Bündel an Maßnahmen,
       etwa den Ausbau von Rad- und Schienenverkehr und die Einführung von
       Tempo-40-Zonen zur Luftreinhaltung. Der Epidemiologe Heinz-Erich Wichmann
       stellte in einem Gutachten fest, das Land habe seinen BürgerInnen 10.000
       zusätzliche Lebensjahre gesichert.
       
       Vor Gericht war die Bilanz Hermanns jedoch nicht so positiv. Umstritten war
       vor allem der Luftreinhalteplan, den das Land für das Stuttgarter
       Stadtgebiet aufstellen musste, weil dort die Stickoxid-Grenzwerte massiv
       überschritten wurden.
       
       ## Frist verstrichen
       
       Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart rügte auf DUH-Klage 2017 den Plan des
       Landes als unzureichend. Nur ein ganzjähriges flächendeckendes Fahrverbot
       für alle Dieselfahrzeuge unterhalb der Norm „Euro 6“ sei
       erfolgversprechend.
       
       2018 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Länder solche
       Fahrverbote anordnen können, auch wenn der Bund die Einführung
       entsprechender Verkehrsschilder verweigert. Einziges Zugeständnis an die
       Verhältnismäßigkeit: [2][Für Diesel-Kfz der Norm „Euro 5“ durften
       Fahrverbote] frühestens im September 2019 eingeführt werden.
       
       Doch das Land ließ die Frist verstreichen, um Dieselfahrer nicht zu
       verärgern. Auf Antrag der DUH wurde Baden-Württemberg vom VG Stuttgart
       deshalb schon drei Mal zu Zwangsgeldzahlungen verurteilt. Der
       Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigte alle drei Entscheidungen. Beim
       dritten Mal musste das Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro nicht mehr an die
       Staatskasse (also von einer Tasche in die andere Tasche) gezahlt werden,
       sondern an die Kinderkrebshilfe, als pädagogischer Wink, worum es
       eigentlich geht.
       
       Auf Druck der CDU hat Hermann inzwischen „Vollstreckungsabwehrklage“
       erhoben, mit dem Argument, man habe doch genug getan für die
       Luftreinhaltung. Ein Eilantrag des Landes scheiterte jedoch im Juli 2020
       beim VG Stuttgart. Die Klage werde „aller Voraussicht nach“ keinen Erfolg
       haben, so die Richter.
       
       Im Februar 2021 hat die DUH ein neues Zwangsgeld gegen das Land beantragt.
       
       13 Mar 2021
       
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