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       # taz.de -- Politischer Aschermittwoch der CSU: Politik mit Dauerbreze
       
       > Es ist Aschermittwoch, die CSU versucht sich in digitaler Bierseligkeit.
       > Mit einem Markus Söder, der im Wohnzimmer sitzt und über Corona
       > räsoniert.
       
   IMG Bild: Rustikal-spießiges Ambiente: Markus Söder in seinem Element
       
       München taz | Es ist ein mutiger Auftritt von Markus Söder. Mitten in der
       Aschermittwochsrede, als er einmal kurz für einen Schluck aus dem Steinkrug
       unterbricht und den Fans zu Hause vor den Bildschirmen zuprostet, outet er
       sich: „Ich trink’ übrigens, ich geb’s zu, Cola light.“ Nun ist bekannt,
       dass der bayerische Ministerpräsident kein Biertrinker ist. Aber beim
       Politischen Aschermittwoch, dem größten Stammtisch der Nation, bei dem die
       CSU alljährlich die Vereinbarkeit von Bier und Politik zelebriert, hat ein
       solcher Satz natürlich eine besondere Wucht.
       
       Zu einem rein virtuellen Aschermittwoch hat die CSU – wie auch die meisten
       anderen Parteien – in diesem Jahr geladen. Kaum etwas wie sonst. Kein Bier
       vom Fass, keine Fischsemmel. Für 19,90 Euro konnte sich das Publikum daheim
       stattdessen aus dem CSU-Shop das „Fan-Paket“ bestellen. Darin: Zwei
       Flaschen Bier, ein Steinkrug, eine Dauerbreze, Bierdeckel mit
       Mitgliedsantrag auf der Rückseite, Fähnchen, Ratsche und Schal.
       
       Söder sitzt auf der Eckbank in einem rustikal-spießigen Wohnzimmer, das man
       ihm in die Passauer Dreiländerhalle gestellt hat. Vor ihm ein Korb mit
       Brezn und etwas Aufschnitt. Ein eher intimes Setting, aber es ist ja nicht
       die Zeit für die großen, kämpferischen Reden. Und ohnehin werde, so meint
       Söder, der Politische Aschermittwoch immer missverstanden als eine Art
       Verlängerung des Faschings mit anderen Mitteln.
       
       Nein, die Veranstaltung sei keine Gaudi, keine Wirtshausschlägerei, sondern
       eine ernsthafte politische Veranstaltung. Behauptet Söder. Kurz darauf
       macht er sich lustig, dass die SPD für ihren Aschermittwoch ausgerechnet
       Olaf Scholz geholt habe, wo doch jeder wisse, dass man als Redner am
       Aschermittwoch eine „Stimmungskanone“ sein müsse.
       
       ## „Eine der besten“ Reden
       
       Es folgt eine tatsächlich eher ernsthafte Rede, die Generalsekretär Markus
       Blume hinterher als „auf jeden Fall eine der besten“ bezeichnen wird. Es
       geht fast ausschließlich um [1][die Coronakrise]. Söder verteidigt seinen
       Kurs, lobt Bayern, die CSU und vor allem sich selbst, übt aber auch – „ganz
       ehrlich“ – Kritik an Dingen, die schiefgelaufen sind.
       
       Adressaten seiner Klage sind freilich der Bund und die EU. Der eine große
       Kritikpunkt betrifft die verschleppten Coronahilfen. Der Bund sei bei den
       Hilfszahlungen für eine Menge an enttäuschten Hoffnungen verantwortlich, es
       könne nicht angehen, dass Novemberhilfen erst im März gezahlt würden.
       „Bitte macht endlich Dampf.“
       
       Und zum Thema Impfen moniert der CSU-Chef, man habe falsche Hoffnungen
       geweckt, die nicht erfüllt worden seien. „Der Fehler – wo liegt er?
       Natürlich bei der EU.“ Nur einmal kommt ein Hauch von Selbstkritik auf:
       Dass er zu Beginn der Krise gesagt habe, Kultur sei nicht systemrelevant,
       das sei falsch gewesen.
       
       Der Rest sind die größtenteils bekannten Statements: Wir haben das doch
       bislang ganz gut gemacht; alle Maßnahmen, die wir getroffen haben, waren
       richtig; das Virus ist schuld, nicht die Maßnahmen; man wechselt nicht in
       der 85. Minute die Taktik; bitte nehmen wir diese Mutation ernst; nur nix
       überstürzen. Kurz und gut: „Durchhalten, bitte!“
       
       ## Parteiprominenz aus Pappe
       
       Außerdem beklagt der CSU-Chef, dass „so viele Menschen so gleichgültig
       geworden“ seien, empört sich über Hass, Hetze und Fakenews. Er selbst sei
       ja die zentrale Zielscheibe rechter Hetze geworden. Oft habe er während der
       Krise gebetet. Jeden Morgen schaue er sich die Todeszahlen an. „Jeder
       einzelne Todesfall ist ein Stich ins Herz.“ Diese Menschen hätten keine
       Öffnungsperspektive mehr. Ein geschickter rhetorischer Hieb. Wer eine
       Öffnungsperspektive einfordere, impliziert Söder, den tangierten die
       Todesfälle wohl nicht.
       
       Die CSU-Landesleitung unter Markus Blume legte sich zwar mächtig ins Zeug,
       um das spezielle Format des Politischen Aschermittwoch, das von seiner
       besonderen Atmosphäre lebt, der Bierseligkeit, dem Gegröle gegen den
       politischen Gegner, webtauglich zu machen. Doch es ist wenig wie in den
       letzten Jahren.
       
       Ab und zu geht hinter Söder – eine Videomontage – ein Mann durchs Bild. Es
       ist der 85-jährige Andreas Spreng. Der Mann ist bekannt, weil er seit
       Jahrzehnten beim CSU-Aschermittwoch in der Halle mit seinen Pappschildern
       für Aufmerksamkeit sorgt. Auch diesmal trägt er ein Schild. „Markus, wir
       brauchen Dich!“ steht darauf.
       
       Die Parteiprominenz sitzt derweil als Pappkameraden in der weitgehend
       leeren Dreiländerhalle, die Fans wurden live zu einem riesigen Videomosaik
       zusammenmontiert, konnten sogar mit Klatschen und Ratschen für die
       entsprechende Geräuschkulisse sorgen. Und [2][Armin Laschet] durfte ein
       Grußwort sprechen. Eine Ehre, die vor ihm noch keinem CDU-Chef zuteil
       wurde.
       
       Es sind die letzten acht Minuten der Rede, in denen Söder doch noch einmal
       der Tradition des Politischen Aschermittwochs folgt und polemische Schläge
       gegen die politischen Gegner austeilt – etwa gegen die SPD, die immer zu
       den falschen, veralteten Konzepten greife, oder die Grünen, die jetzt
       sogar, so behauptet Söder, Einfamilienhausbesitzer enteignen wollten.
       Selbst der obligate Witz über Anton Hofreiters Frisur fehlt nicht.
       
       Und dann lässt sich Söder sogar noch auf Gedankenspiele über mögliche
       Koalitionen nach der Bundestagswahl ein. Die FDP habe immer Priorität,
       Christian Lindner sei ein sehr seriöser Partner. Aber es könne natürlich
       auch auf Schwarz-Grün hinauslaufen. Zwar halte er das derzeitige Programm
       der Grünen für nicht koalitionsfähig. Aber momentan sitze er sowohl in
       einer Koalition mit Hubert Aiwanger als auch mit Saskia Esken. Insofern
       werde er sich auch mit den Grünen arrangieren.
       
       17 Feb 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Baur
       
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