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       # taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz 2021: Der Westen unter sich
       
       > In der Pandemie stellt auch die Siko auf Homeoffice um. Joe Biden
       > verteilt aus dem Weißen Haus Nettigkeiten. Russland und China fehlen
       > diesmal.
       
   IMG Bild: Diesmal alles nur digital: die Münchner Sicherheitskonferenz tagt coronaregelkonform
       
       Berlin taz | Sehr nett, der neue US-Präsident. Am späten Freitagnachmittag
       tritt Joe Biden auf der Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) auf. Nicht in
       echt vor Ort im Hotel Bayerischer Hof, [1][wie sonst immer am dritten
       Februarwochenende], sondern pandemiekonform zugeschaltet aus dem Weißen
       Haus. Es ist sein erster großer Auftritt im zumindest virtuellen Ausland
       seit seinem Amtsantritt im Januar. Und er nutzt die Gelegenheit in erster
       Linie, um den Verbündeten der USA in Europa ein paar Nettigkeiten
       mitzuteilen.
       
       „Ich sende eine klare Botschaft: Amerika ist zurück. Das transatlantische
       Bündnis ist zurück“, sagt er gleich zu Beginn seines 15-Minuten-Auftritts.
       Unter ihm, so Biden, werden die USA eng mit ihren Bündnispartnern
       zusammenarbeiten. Konsultationen mit den Verbündeten seien für ihn
       selbstverständlich. Und Artikel 5 des Nato-Vertrags, in dem sich die
       Bündnispartner für den Kriegsfall gegenseitige Unterstützung zusichern,
       stehe für ihn nicht zur Diskussion. Dieser Sound, er ist das Gegenprogramm
       zu dem, was Bidens Vorgänger Donald Trump vier Jahre lang gesendet hat.
       
       Zumal Biden die Konfliktthemen, die es auch zwischen ihm und den
       europäischen Verbündeten gibt, auf dem Münchner Online-Event höchstens ganz
       vorsichtig streift. Die Militärausgaben zum Beispiel, die die Europäer nach
       Willen der USA noch stärker erhöhen sollen: Er begrüße, dass andere
       Nato-Staaten mittlerweile mehr investierten, sagt Biden dazu nur.
       
       Die Forderung, die Zwei-Prozent-Quote der Nato bitte bald zu erreichen,
       lässt er aus. Ähnlich zurückhaltend bleibt er mit Blick auf die westliche
       Politik gegenüber China und Russland, wo sich eigentlich auch die neue
       US-Regierung mehr europäische Härte wünscht.
       
       ## Rechtfertigung von Merkel
       
       Etwas anderes hatte man in der Bundesregierung vorab allerdings auch nicht
       erwartet. Dort weiß man: Die neue US-Administration sortiert sich noch.
       Wichtige Positionen im Regierungsapparat werden, wie in Washington üblich,
       erst nach und nach besetzt. Detaillierte Strategien, konkrete Erwartungen
       gibt es in vielen Bereichen einfach noch nicht.
       
       Als Angela Merkel direkt nach Bidens Auftritt aus dem Kanzleramt
       zugeschaltet ist, rechtfertigt sie sich trotzdem – dafür, dass Deutschland
       von der Zwei-Prozent-Quote der Nato immer noch deutlich entfernt ist. „Wir
       fühlen uns natürlich diesem Zwei-Prozent-Ziel weiter verpflichtet und
       werden auch daran weiter arbeiten“, versichert sie. So habe die
       Bundesregierung ja auch die Militärausgaben schon stark erhöht.
       
       Und neben den reinen Ausgaben komme es ja auch darauf an, „was wir dann in
       die transatlantische Partnerschaft einbringen“, betont Merkel und erwähnt
       als Beispiele die deutsche Beteiligung am Afghanistan-Einsatz,
       Bundeswehr-Truppen im Baltikum und deutsche Soldat:innen in Mali. So
       oder ähnlich hat man das in München [2][auch schon in den Vorjahren von
       deutschen Regierungsvertreter:innen gehört].
       
       ## Anders als sonst
       
       Ansonsten ist bei dieser Siko allerdings kaum etwas wie sonst.
       Normalerweise reisen zu der mehrtägigen Konferenz Hunderte
       Teilnehmer:innen an, darunter zahlreiche Staats- und
       Regierungschef:innen sowie Außen- und
       Verteidigungsminister:innen. Aufgrund der Coronapandemie beschränkt
       sich das Treffen diesmal jedoch auf eine rund dreistündige
       Onlineveranstaltung. „MSC Special Edition 2021“ hat sich Konferenzleiter
       Wolfang Ischinger als Namen dafür ausgedacht. Nach seinen Vorstellungen
       soll es aber auch noch eine „richtige“ Siko zu einem späteren Zeitpunkt in
       diesem Jahr geben. Ein genauer Termin steht jedoch noch nicht fest.
       
       Was bei der Online-Version unter anderem fehlt: spontane Nachfragen aus dem
       Publikum. Biden und Merkel müssen sich gar keinen Fragen stellen, sie
       klinken sich nach ihren Ansprachen direkt wieder aus. Das gilt auch für
       Großbritanniens Premier Boris Johnson.
       
       Andere Teilnehmer:innen – mit dabei sind unter anderem Bill Gates,
       Ursula von der Leyen, John Kerry und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
       – bekommen nur knappe vorbereitete Fragen von ausgewählten
       Nachwuchsführungskräften gestellt. Spontane Diskussionen oder
       Konkretisierungen bleiben daher aus.
       
       ## Weniger Vielfalt
       
       Und auch die Podien selbst sind weniger vielfältig besetzt als sonst. Der
       Westen ist unter sich und beschwört die neue Einheit. Vertreter:innen
       Russlands, des Irans oder Chinas sind anders als in den letzten Jahren
       nicht dabei – obwohl angesichts der aktuellen Weltlage gerade das sehr
       interessant gewesen wäre.
       
       So gesehen kehrt die Konferenz damit ein Stück weit zurück zu ihren
       Wurzeln. Die Tagung findet seit 1963 in der bayrischen Landeshauptstadt
       statt. Damals nannte sich das Event noch „Internationale
       Wehrkunde-Begegnung“. Nicht nur in ihren Anfangszeiten – stark geprägt vom
       Kalten Krieg – war die Siko noch eine ausschließlich westliche
       Veranstaltung.
       
       ## Demo am Samstag
       
       Wegen der starken Prägung durch geopolitische Großerzähler:innen, aber auch
       weil sie gerne von der Rüstungsindustrie hinter den Kulissen als
       formidabler Ort zur Geschäftsanbahnung genutzt wurde, [3][stößt sie bis
       heute bei Friedensbewegten auf heftige Kritik]. So gehört zur Siko stets
       auch der Protest dagegen. Das ist selbst in Coronazeiten nicht anders.
       
       Wie in den vergangenen Jahren findet auch diesmal wieder parallel eine
       „[4][Internationale Münchner Friedenskonferenz]“ statt – allerdings wie die
       Siko rein digital. „Wir wollen mit der Friedenskonferenz für ein Umdenken
       und ein Umsteuern werben“, sagt Thomas Rödl, eine:r der Organisator:innen,
       in seiner Eröffnungsrede am frühen Freitagnachmittag. Sicherheit für die
       Menschen erfordere eine Politik der gemeinsamen Sicherheit,
       Interessenausgleich und internationale Zusammenarbeit, so das Mitglied der
       Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen
       (DFG-VK).
       
       Unter dem Motto „Lockdown für Rüstung, Militär und Krieg“ hat auch das
       „[5][Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz]“ wieder zur
       traditionellen Antikriegsdemonstration aufgerufen – und zwar nicht nur
       digital. „Für unsere Demo haben wir ein detailliertes
       Infektionsschutzkonzept, an das sich alle Teilnehmer halten werden“,
       versichert Aktionsbündnissprecher Claus Schreer.
       
       Coronaregelkonform wollen die Friedensbewegten am Samstag vom Marienplatz
       zum Bayerischen Hof ziehen, wo in Nicht-Coronazeiten die Siko stattfindet.
       Dank abwesender Feindbilder dürfte es allerdings diesmal eine wesentlich
       kleinere Demonstration werden als in den Vorjahren, in denen jeweils
       mehrere Tausend Menschen teilnahmen.
       
       19 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5663553
   DIR [2] /Von-der-Leyen-auf-Sicherheitskonferenz/!5570663
   DIR [3] /Protest-gegen-Sicherheitskonferenz/!5485364
   DIR [4] http://www.friedenskonferenz.info/
   DIR [5] http://www.sicherheitskonferenz.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
   DIR Tobias Schulze
       
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