URI: 
       # taz.de -- Bekämpfung von Corona in Israel: Privilegien der Gepieksten
       
       > Isreal lockert ab Sonntag den Lockdown. Geimpfte dürfen sogar wieder ins
       > Fitnessstudio oder ins Schwimmbad. Das soll die restliche Bevölkerung
       > motivieren.
       
   IMG Bild: Wer sich pieksen lässt, darf bald wieder schwimmen – Impfung gegen Corona in Israel
       
       Tel Aviv taz | Können [1][geimpfte Israelis] zu ihrem normalen Leben
       zurückkehren? So sieht es zumindest Gesundheitsminister Juli Edelstein, der
       am Freitag auf einer Pressekonferenz den grünen Pass mit seinem Barcode und
       den Daten für erste und zweite Impfung präsentierte. Der grüne Pass, der
       Geimpften Privilegien ermöglicht, soll bereits ab diesem Sonntag gelten –
       wenn die israelische Regierung einen nahezu zweimonatigen Lockdown so weit
       lockert, dass zumindest für immunisierte Israelis nahezu alle Möglichkeiten
       des öffentlichen Lebens wieder offen stehen.
       
       Wer sich entweder von einer Corona-Infektion erholt oder vor mehr als einer
       Woche die zweite Spritze des Impfstoffes von Pfizer/Biontech erhalten hat,
       wird Fitnessstudios und kulturelle Veranstaltungen besuchen können, in
       Hotels übernachten und in Schwimmbädern Bahnen ziehen können. Kulturelle
       Veranstaltungen und Sportevents dürfen von 300 Inhaber*innen eines
       grünen Passes besucht werden, an der freien Luft sogar von 500 Personen.
       
       Außerdem werden alle Israelis, ob geimpft oder nicht, ab Sonntag wieder in
       Geschäften, auf Märkten und in Einkaufszentren einkaufen können. Schulen
       werden für die Klassen 5,6,11 und 12 in Gegenden mit niedriger
       Infektionsrate geöffnet. Seit vergangenem Freitag sind darüber hinaus
       bereits die Gebetshäuser wieder geöffnet. Geschlossen bleibt allerdings
       noch der Flughafen bis auf wenige Ausnahmen bis zum 6. März aus Sorge vor
       dem Import von Mutationen.
       
       Die Öffnung findet statt trotz einer noch immer hohen Infektionsrate von
       rund 4000 Corona-Infektionen pro Tag.
       
       ## 2 von 6 Coronastationen bereits geschlossen
       
       Ronni Gamzu, früherer Coronabeauftragter und Leiter des Ichilov
       Krankenhauses in Tel Aviv, hält die schnelle Öffnung für vertretbar, denn
       die israelische Strategie in der Bekämpfung der Pandemie zeige Wirkung: Mit
       großem Abstand führt Israel nach wie vor weltweit die Impftabelle an. 4,2
       Millionen Israelis wurden bisher geimpft, das sind etwas mehr als 45
       Prozent der Bevölkerung. Mehr als 2,8 Millionen haben bereits ihre zweite
       Spritze erhalten.
       
       Der Gesundheitsdienstleister Maccabi, der eine halbe Million Menschen mit
       beiden Dosen des [2][Pfizer-Impfstoffs geimpft hat], ermittelte, dass nur
       544 von ihnen anschließend mit dem Coronavirus diagnostiziert wurden. Das
       sind 0,1 Prozent. Unter ihnen gab es vier schwere Fälle und keinen
       Todesfall.
       
       Auch im Ichilov Krankenhaus werde der Impferfolg laut Gamzu sichtbar. Zwei
       von sechs Coronastationen konnten in den vergangenen zwei Wochen
       geschlossen werden. 95 Prozent aller Neueinlieferungen seien Patient*innen,
       die bisher nicht geimpft wurden.
       
       Allerdings sieht Gamzu angesichts der hohen Infektionszahlen und Impfungen
       auch die Gefahr, dass sich eine spezifisch israelische Mutation
       herausbilden könnte, die den Impfschutz umgeht. Auch dafür sei es wichtig,
       so viele Erreger wie möglich zu sequenzieren.
       
       ## Gebäck zur ersten Spritze
       
       Eine offene Frage stellt außerdem dar, welche Folgen die Öffnung des Landes
       für Kinder unter 16 Jahren haben wird. In Israel werden Jugendliche ab 16
       Jahren geimpft, doch Kinder scheinen für die in Israel stark verbreitete
       britische Variante anfälliger als für frühere Formen des Coronavirus zu
       sein.
       
       Während in Deutschland die [3][Diskussion, ob Privilegien für Geimpfte
       ethisch vertretbar] sind, hitzig geführt wird, spielen derartige Argumente
       in Israel eine untergeordnete Rolle. „Jeder kann hier geimpft werden“,
       kommentierte Ronni Gamzu: „Die Privilegien sollen nur für einen begrenzten
       Zeitraum gelten, für die Zeit, in der wir das Land jetzt schnell öffnen und
       gleichzeitig Sicherheit bieten wollen.“
       
       Doch die Privilegien sollen wohl auch die jüngere, weniger impfbereite
       Bevölkerung ermutigen, sich impfen zu lassen. So werden in
       Pop-Up-Impfstationen schon mal Gebäck oder Pizza zur ersten Spritze
       angeboten; eine Task-Force begegnet Falschbehauptungen über Impfungen auf
       Social-Media-Plattformen.
       
       ## Schwarzmark für falsche Impfausweise
       
       Von einem offiziellen Impfzwang sieht die Regierung ab. Allerdings werden
       sich möglicherweise zukünftig alle nicht-geimpften Beschäftigten entweder
       impfen lassen müssen oder alle 48 Stunden testen lassen müssen, um zu ihrem
       Arbeitsplatz gehen zu dürfen. Gesundheitsminister Edelstein kündigte
       außerdem an, dass Fälscher*innen im Gefängnis landen könnten. Denn laut
       dem israelischen Fernsehsender Channel 12 floriere bereits ein Schwarzmarkt
       für die bisher leicht zu fälschenden Impfausweise.
       
       Auf Anfrage der israelischen Tageszeitung Haaretz kommentierte das
       Gesundheitsministerium, dass das derzeitige Format in der Zukunft in
       Zusammenarbeit mit anderen Ländern und der Weltgesundheitsorganisation
       durch ein international gültiges System abgelöst werden soll.
       
       20 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Israelische-Studie/!5751608
   DIR [2] /Israelische-Studie/!5751608
   DIR [3] /Die-Gefahren-des-digitalen-Impfpasses/!5745031
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Judith Poppe
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Israel
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Israel
   DIR Sebastian Kurz
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Corona-Impfung in Israel: Dritte Dosis gegen vierte Welle
       
       Während anderswo noch geprüft wird, hat Israel mit der dritten Impfung
       seiner Bürger*innen begonnen. Doch viele Menschen sind skeptisch.
       
   DIR Kurz' Vorstoß für einen „Grünen Pass“: Ticket in die Freiheit
       
       Wirtschaft und Geimpfte werden Druck aufbauen, Die Frage ist also nicht,
       ob, sondern wann der „Grüne Pass“ ins gewohnte Leben kommt.
       
   DIR Israelische Studie: Der Impfstoff wirkt
       
       Erste Ergebnisse aus Israel zeigen, dass bei Corona-Infizierten, die zuvor
       geimpft wurden, weniger Viren nachweisbar sind.
       
   DIR Corona-Impfungen: Geimpft— was nun?
       
       Sie verspüren Erleichterung, fühlen sich freier – und doch schwingt weiter
       Ungewissheit mit: sechs Geimpfte über ihren Blick auf die Pandemie.
       
   DIR Impfung gegen Corona: Israel macht den Praxistest
       
       Ein Viertel von Israels Bevölkerung ist geimpft. Studien liefern erste
       Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Biontech/Pfizer-Vakzins.