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       # taz.de -- Straflager für Kreml-Kritiker: Kollektiver Nawalny
       
       > Das Putin-Regime wahrt nicht einmal mehr den Anschein von
       > Rechtsstaatlichkeit. Das rigorose Vorgehen vergrößert jedoch die
       > Solidarität mit Nawalny.
       
   IMG Bild: Nawalny im Glaskäfig während der Berufungsverhandlung
       
       Auch für die russische Justiz war der Samstag ein außergewöhnlicher Tag.
       Zwei Prozesse gegen einen Beschuldigten, zwei Schlussworte, zwei
       Richterentscheidungen. Illusionen über den Ausgang der Verhandlungen hatte
       kaum jemand. Dieser Samstag zeigte die Eile, mit der das Regime in Moskau
       seinen ärgsten Feind, den der Kreml aus [1][Alexei Nawalny] über Jahre
       hinweg gemacht hatte, loswerden will. Mit allen Mitteln. [2][Dabei will
       dieses Regime nicht einmal mehr einen Anschein von Rechtsstaatlichkeit
       wahren.] Im Fall Nawalny verletzt es nicht nur seine eigenen Gesetze, es
       setzt sich auch über internationale Rechtsnormen hinweg. Begründung: Der
       Westen ist schuld.
       
       Das ganze Verfahren gegen Nawalny ist von Zynismus geprägt. Die Umwandlung
       seiner Bewährungsstrafe – auch diese bereits fragwürdig – sowie das
       Abschmettern der Berufung sind eine Farce. Der Fall um die angebliche
       Verleumdung eines Weltkriegsveterans hat nicht einen 95-jährigen
       gebrechlichen Mann im Blick, sondern dient der Diskreditierung Nawalnys als
       Zerstörer russischer Heiligtümer. Kritik an allem, was den Sieg der
       Sowjetunion über Nazi-Deutschland betrifft, ist in Russland ein Tabubruch.
       
       Nawalnys Pauschalangriff auf alle, die bei einem Werbevideo für die
       Putin'schen Verfassungsänderungen mitmachten, auch der Veteran, kam den
       Behörden sehr gelegen. Diese „Untat“ Nawalnys ist der Bevölkerung einfacher
       zu vermitteln als die konstruierte Bewährungsstrafen-Umwandlung, wegen der
       er für Jahre weggesperrt wird.
       
       Das Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ dürfte jedoch nicht so einfach
       funktionieren. Denn der Staat hat mit seinem rigorosen Vorgehen gegen den
       Kreml-Kritiker eine Art „kollektiven Nawalny“ geschaffen: [3][Menschen, die
       die Scheinheiligkeit des Regimes durchschaut haben, die entsetzt sind über
       die Missachtung des Rechtsstaats, egal, wie sie zu Nawalny stehen]. Der
       Staat schüchtert freilich auch sie ein, und doch finden sie Mittel, um die
       Nervosität des Staates offenzulegen, zumal im Wahljahr. Der Druck auf den
       Kollektiv-Nawalny macht die Probleme für den Kreml, ja für Putin, noch
       größer.
       
       21 Feb 2021
       
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   DIR Inna Hartwich
       
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