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       # taz.de -- Filme im Stream: Sachen schaffen noch kein Zuhause
       
       > In Nanni Morettis und Petri Luukkainens Filmen wird das Private
       > politisch. Das National Film Center in Tokyo zeigt Animes aus den
       > 30er-Jahren.
       
   IMG Bild: Filmischer Selbstversuch: „My Stuff – Was brauchst Du wirklich?“ (2013)
       
       Der italienische Regisseur [1][Nanni Moretti] hat in seinen Filmen das
       Private, das Berufliche und die Politik stets zusammengedacht. Ein wenig
       heitere Selbstbespiegelung steckt darin, aber auch viel ernste
       Selbstbefragung. Das Drama „[2][Mia madre]“ (2015) ist von den Erfahrungen
       mit dem Tod seiner eigenen Mutter inspiriert, als Alter Ego dient ihm dabei
       die Regisseurin Margherita (Margherita Buy), die gerade mit den
       Dreharbeiten zu einem neuen politischen Film beschäftigt ist.
       
       Doch die laufen gerade ebenso aus dem Ruder wie ihr Privatleben, in dem vor
       allem ein Ereignis herausragt: Ihre herzkranke Mutter ist ins Krankenhaus
       gekommen und wird es nicht mehr lebend verlassen. Moretti schickt
       Margherita in ein sorgsam verwobenes Geflecht aus Realität, Träumen,
       Fantasien und Erinnerungen, aus denen sich immer wieder dieselbe Frage
       herauskristallisiert: Habe ich mir genügend Zeit genommen und mich genügend
       gekümmert? „Mia madre“ verdeutlicht eindringlich das Gefühl des Verlustes
       von Gewissheiten, das letztlich nur mit den Gedanken an die Zukunft
       verscheucht werden kann (Stream bei Chili: [3][www.chili.com]).
       
       ## Es geht auch ohne
       
       Wie so viele Menschen fragt sich auch der finnische Filmemacher Petri
       Luukkainen, was ihn glücklich macht. Könnte es etwas von den vielen
       materiellen Dingen sein, die er besitzt? Petri wagt den in „[4][My Stuff –
       Was brauchst Du wirklich?]“ (2013) dokumentierten Selbstversuch: Er lagert
       all seine Habseligkeiten ein und verspricht sich und der Welt, ein Jahr
       lang pro Tag nur jeweils einen Gegenstand wieder zurückzuholen.
       
       Schon nach ein paar Tagen holt Petri tatsächlich nur noch alle paar Tage
       irgendwelche Sachen: Offenbar kann man ganz gut ohne materielle Dinge
       klarkommen. Dafür treten nun zwischenmenschliche Aspekte in Gestalt einer
       neuen Freundin in den Mittelpunkt, welche die Antworten auf die eingangs
       formulierte Frage geben.
       
       Dazu hätte es allerdings nicht unbedingt eines Experiments bedurft, sondern
       nur den Gesprächen mit seiner lebensklugen Oma: „Sachen schaffen noch kein
       Zuhause. Das muss woanders herkommen.“(Stream bei Joyn plus:
       [5][www.joyn.de]).
       
       Ein persönliches Steckenpferd von mir sind japanische Trickfilme. Wer sich
       jenseits aktueller Animes für die Anfänge dieser Kunst interessiert, ist
       auf einer glücklicherweise auf Englisch einsehbaren Seite des National Film
       Archive of Japan an der richtigen (Web-)Adresse: „[6][Japanese Animated
       Classics]“ zeigt Filme aus der Sammlung des National Film Center, Tokyo –
       überwiegend aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts.
       
       Interessant ist dabei vor allem, wie sehr manche Filme ihren amerikanischen
       Gegenstücken aus den 20ern ähneln – ein Stop-Motion-Werk um den Kater Felix
       (der auch tatsächlich so heißt) hätte in heutiger Zeit wohl so einige
       Rechtsanwälte beschäftigt.
       
       ## Legenden, Fabeln, Propaganda
       
       Doch es gibt thematisch auch andere Ansätze wie Legenden, Fabeln oder
       Propaganda für das aggressive Kaiserreich, sowie abstrakte Filme von
       Shigeji Ogino, die mit ihren bewegten geometrischen Formen der deutschen
       Avantgarde der Zeit ähnelt (Streams: [7][www.animation.filmarchives.jp]).
       
       25 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tragikomoedie-Mia-Madre/!5249794
   DIR [2] https://de.chili.com/content/mia-madre-2015/c14d954e-b921-48f8-9060-28ee114ac68f
   DIR [3] https://de.chili.com/content/mia-madre-2015/c14d954e-b921-48f8-9060-28ee114ac68f
   DIR [4] https://www.joyn.de/filme/my-stuff-was-brauchst-du-wirklich
   DIR [5] https://www.joyn.de/filme/my-stuff-was-brauchst-du-wirklich
   DIR [6] https://animation.filmarchives.jp/en/index.html
   DIR [7] https://animation.filmarchives.jp/en/index.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
       ## TAGS
       
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