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       # taz.de -- Pflege und Löhne: Diakonie drückt sich
       
       > Die Dienstgeber in der Diakonie lehnten die Abstimmung über einen
       > Pflegetarifvertrag ab. Damit ist der Branchentarif fürs Erste vom Tisch.
       
   IMG Bild: Die Dienstgeber in der Diakonie wollten keine Haltung zum Branchentarif zeigen
       
       Berlin taz | Die DienstgeberInnen in der Diakonie haben am Freitag
       Nachmittag überraschend abgelehnt, darüber abzustimmen, ob sie einen
       allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Altenpflege unterstützen oder
       nicht. Eine solche Abstimmung innerhalb der Arbeitsrechtlichen Kommission
       der Diakonie Deutschland war zuvor erwartet worden.
       
       Die Kommission ist paritätisch mit VertreterInnen von ArbeitgeberInnen und
       -nehmerInnen besetzt. Der Sprecher der MitarbeiterInnenseite, Andreas
       Korff, sagte dem Evangelischen Pressedienst, die ArbeitgeberInnen hätten
       die Abstimmung abgelehnt. Korff zeigte sich enttäuscht. Die
       MitarbeiterInnenseite habe abstimmen und damit trotz des Neins der Caritas
       ein Zeichen für einen Branchentarif setzen wollen.
       
       Die ArbeitgeberInnen im Deutschen Caritasverband hatten dem
       allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag am Donnerstag [1][die
       Unterstützung verweigert] und damit breite Kritik von Politik und Verbänden
       auf sich gezogen. Auch der Vorstandsvorsitzende der diakonischen
       Arbeitgeber in Niedersachsen, Rüdiger Becker, kritisierte das Veto der
       Caritas gegen den allgemeingültigen Flächentarifvertrag.
       
       Innerhalb der Caritas gab es auch ArbeitgeberInnen, die sich für den
       Branchenvertrag aussprachen. In der Arbeitsrechtlichen Kommission der
       Caritas wäre aber eine Zweidrittelmehrheit für den Branchenvertrag nötig
       gewesen.
       
       ## 12,40 Euro mindestens
       
       Die Zustimmung beider kirchlicher Sozialverbände ist erforderlich, damit
       der Tarifvertrag für die Altenpflege von Bundesarbeitsminister Hubertus
       Heil (SPD) für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Dieser
       Tarifvertrag hätte damit ab August den bisher geltenden Pflegemindestlohn
       ersetzt. Schon mit der Ablehnung der Caritas ist eine solche
       Allgemeinverbindlichkeitserklärung allerdings nicht mehr möglich.
       
       Den [2][Tarifvertrag hatten] die Gewerkschaft Verdi und die 2019 gegründete
       Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) Anfang Februar
       abgeschlossen. Er sieht für ungelernte Pflegekräfte einen Stundenlohn von
       mindestens 12,40 Euro vor, der damit über dem derzeit geltenden
       gesetzlichen Pflegemindestlohn von 11,60 Euro (Osten: 11,20 Euro) liegt.
       
       Caritas und Diakonie müssten der Allgemeinverbindlichkeit des
       Branchentarifvertrags zustimmen, da sie mit insgesamt 300.000 Beschäftigten
       relativ viele Angestellte in der Pflegebranche haben. Die Kirchen und ihre
       Verbände verhandeln die Löhne für ihre Beschäftigten im Rahmen des
       sogenannten „Dritten Weges“ autonom in ihren eigenen arbeitsrechtlichen
       Kommissionen.
       
       Die Löhne in den kirchlichen Einrichtungen hätten auch weiterhin im
       „Dritten Weg“ vereinbart, nur eben nicht niedriger sein dürfen als in einem
       allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag. Die Löhne der Caritas liegen
       in der Regel sogar über denen, die im Verdi-Branchentarifvertrag
       ausgehandelt wurden.
       
       ## Probleme mit den Entgeltstufen
       
       [3][Ein Problem seien die Differenzierungen] der Entgelte in den
       Einstiegstarifen gewesen, sagte Norbert Altmann, Sprecher der
       Arbeitgeberseite der Caritas, der taz. Der Branchentarifvertrag Altenpflege
       hätte in Strukturen der kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien
       eingegriffen, die bei den Entgelten für Betreuungskräfte und ungelernte
       Hilfskräfte andere Differenzierungen vorsehen. Im Einstiegstarif des
       Verdi-Tarifvertrags seien ab dem Jahre 2023 Stundenlöhne von 14,40 Euro
       festgelegt gewesen.
       
       Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte sich „enttäuscht“ über das
       Scheitern eines allgemeinverbindlichen Branchenvertrages. In der
       Altenpflege arbeiten schätzungsweise 1,2 Millionen Beschäftigte in 15.000
       Heimen und fast ebenso vielen ambulanten Pflegediensten. Gut 40 Prozent der
       Heime werden privat betrieben.
       
       Mit der Ablehnung der Allgemeinverbindlichkeit gilt der von Verdi und der
       BVAP ausgehandelte Tarifvertrag nun nur für die Mitglieder von
       Pflege-Unternehmen, die der BVAP angehören. Darunter sind viele Unternehmen
       der Arbeiterwohlfahrt (AWO).
       
       26 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tarifvertrag-fuer-Pflegende-scheitert/!5754058
   DIR [2] /Pflege-und-Loehne/!5748369
   DIR [3] https://caritas-dienstgeber.de/fileadmin/user_upload/Presse/Pressemitteilungen_2021/01_2021_PM_Tarifrunde_AVE.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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