URI: 
       # taz.de -- Wirbel um ESC-Beitrag von Belarus: Europäische Luxusprobleme
       
       > Die ESC-Verantwortlichen lehnen eine Propagandaband ab, die Belarus
       > vertreten sollte. Grund: Ein Auftritt könnte dem Ansehen des Wettbewerbs
       > schaden.
       
   IMG Bild: Trällernde Gurkentruppe: Die belarussische Propagandaband Galasy ZMesta
       
       Wirklich schade! Bashing der belarussischen Oppositionsbewegung vor einem
       internationalen Millionenpublikum wird es leider doch nicht geben. Am
       Donnerstag gab die Europäische Rundfunkunion (EBU) ihre Entscheidung
       bekannt, den Beitrag „Ich bring's dir bei“ [1][der Gruppe Galasy SMesta aus
       Belarus] beim diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) in Rotterdam nicht
       zuzulassen. Zur Begründung hieß es, der Song stelle den „unpolitischen
       Charakter“ des Wettbewerbs infrage.
       
       Dass auch dieses fröhliche musikalische Stelldichein politisiert wird, ist
       wirklich keine bahnbrechende Erkenntnis. Schließlich sind es vor allem die
       Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die ihre Konflikte auch noch auf der
       Showbühne austragen. 2012 sagte Armenien seine Teilnahme am ESC in
       Aserbaidschans Hauptstadt Baku ab – nicht ganz abwegig, da die verfeindeten
       Nachbarn im richtigen Leben eher mit Gewehren denn mit Worten sprechen.
       
       2016 trat die Ukrainerin Jamala mit ihrem Lied „1944“ an – das an die
       Deportation der Krimtataren unter Stalin erinnert – und holte auch noch den
       Titel. Im Jahr darauf verweigerte Kiew als Ausrichter der russischen
       Teilnehmerin Julija Samoilowa die Einreise, da sie die Chuzpe besessen
       hatte, unter russischer Flagge auf der Krim aufzutreten.
       
       Und jetzt das Ensemble Galasy SMesta. „Ich bring dir bei, nach der Pfeife
       zu tanzen und auf Linie zu kommen“, trällert – auf Russisch- die
       fünfköpfige Gurkentruppe, die in staatlichem Auftrag unterwegs und eine
       Antwort auf die seit Monaten andauernde Protestbewegung ist. Dabei dürfte
       besonders der Bandleader und gelernte Militärübersetzer Dmitri Butakow nach
       dem Geschmack von Präsident Alexander Lukaschenko sein. Er sei eben ein
       wahrer Sowjetmensch, sagt er über sich. Die Stornierung der Tickets für den
       ESC kommentierte Butakow mit den Worten: Belarus sei die Eishockey-WM
       entzogen worden, damit verglichen sei der Gesangswettbewerb Peanuts.
       
       Alles andere als Peanuts ist das Statement der EBU, ein Auftritt von Galasy
       SMesta könne auch ihrem eigenen Ansehen schaden. Diese Luxusprobleme hätten
       die Kritiker*innen des Lukaschenko-Regimes, die, zusammengeschlagen,
       gefoltert und inhaftiert werden, wohl auch gerne.
       
       Übrigens: Minsk hat jetzt noch ein paar Tage Zeit, sangeslustige
       Nachrücker*innen zu nominieren. Der/die eine oder andere Kandidat*in,
       möglichst mit etwas Lokalkolorit, dürfte sich da doch wohl finden lassen.
       
       12 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lukaschenko-treue-Band-beim-ESC/!5752750
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
   DIR Belarus
   DIR Alexander Lukaschenko
   DIR Schwerpunkt Eurovision Song Contest
   DIR Schwerpunkt Eurovision Song Contest
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Protest
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Belarus
   DIR Kolumne Notizen aus Belarus
   DIR Belarus
   DIR Swetlana Tichanowskaja 
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Der 65. Eurovision Song Contest: Auf highesten Heels
       
       Nach einem Jahr Coronapause haben es sechundzwanzig Acts in das Finale von
       Rotterdam geschafft. Aber wer gewinnt? Eine Prognose.
       
   DIR Russlands ESC-Kandidatin Manizha: Sie singt gegen das Patriarchat
       
       Die tadschikischstämmige Sängerin vertritt Russland in Rotterdam. Die
       selbstbewusste Feministin kämpft gegen verkrustete Gesellschaftsstrukturen.
       
   DIR Gefangene in Belarus: Fast wie Glasnost
       
       Der belarussische Staat veröffentlicht eine Liste von Dingen, die
       Gefangenen zustehen. Dabei gibt er sich als gütiger Versorger.
       
   DIR Proteste in Belarus: Neue Aktionen, neue Festnahmen
       
       Fast 250 Menschen wurden bei neuen Protesten in Belarus festgenommen. In
       Minsk waren weit mehr Sicherheitskräfte als Demonstrierende auf den
       Straßen.
       
   DIR Oppositionspolitiker über Belarus: „Das Problem heißt Lukaschenko“
       
       Der 25. März ist Gründungstag der belarussischen Volksrepublik. Den
       Protesten gegen Lukaschenko soll das neuen Aufwind geben, sagt Pawel
       Latuschka.
       
   DIR Belarus beim Eurovision Song Contest: Kein Lied für Rotterdam
       
       Belarus soll seinen ESC-Beitrag aus politischen Gründen ändern. Die Band
       lehnte das ab. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge
       70.
       
   DIR Emigration aus Belarus: Wie Pickel im Gesicht
       
       Der Staat treibt Kritiker*innen ins Exil. Damit spaltet er die
       Zivilgesellschaft. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk.
       Folge 69. 
       
   DIR Präsidialer Besitz in Belarus: Die Goldmine
       
       Nach Nawalnys Film über Putins Palast gab es auch Recherchen über
       Lukaschenkos Besitz. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk.
       Folge 68.
       
   DIR Opposition in Belarus: Her mit Tichanowskaja!
       
       Die Minsker Staatsanwaltschaft fordert die Auslieferung der Politikerin
       nach Belarus, um ihr den Prozess zu machen. Vilnius lehnt das entschieden
       ab.
       
   DIR Repressionen in Belarus: Zwei Jahre Lager für einen Stream
       
       Ein Gericht in Minsk hat zwei Fernsehjournalistinnen verurteilt, weil sie
       gefilmt haben. Sie sollen angeblich die öffentliche Ordnung gestört haben.​