# taz.de -- Geschichte des Sportsponsorings: Olympischer Malztrunk
> Wie kam das Schweizer Getränkepulver Ovomaltine ins Olympische Dorf der
> Spiele von 1936? Eine Erkundung aus der Frühzeit der Eventsponsorings.
IMG Bild: Hät sini Ovo hüt scho gha: Abfahrer Didier Cuche war lange Malztrunkbotschafter
Ich wollte heute eigentlich über 1936 schreiben, die Nazi-Spiele, über
deutsche Politiker und Sportfunktionäre, die 100 Jahre später wieder
[1][Olympische Spiele in Berlin] – [2][oder NRW] – veranstalten wollen. Ich
wollte über die merkwürdige Wurstigkeit von CDU-Ministerpräsident Armin
Laschet schreiben, der auf eine Journalistenfrage, ob es denn für ihn nicht
problematisch sei, wenn der olympische Tross [3][ein Jahrhundert später
in Deutschland] einreiten würde, mit einem schlichten „Nein!“ antwortete.
Ich wollte darüber schreiben, dass ein „Nein“ in diesem Kontext nicht
ausreicht, darüber, wie der Sport damals zu einem Instrument der Propaganda
wurde, zu einer großen Sinnestäuschung über die wahren Absichten der
Nationalsozialisten, wie nicht wenige Olympiateilnehmer später in
Konzentrationslagern der Nazis umgebracht wurden oder auf den
Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs fielen.
Ich wollte darüber schreiben, dass die Schnittmengen eines
30er-Jahre-Olympismus mit dem arischen Körper- und Jugendkult der NSDAP gar
nicht so klein waren. Ich wollte darüber schreiben, wie „Le Führer de
l’Allemagne“ in dem offiziellen und in Französisch verfassten Heft zu den
Sommerspielen mit finsterer Miene auf einer ganzen Seite thront, während er
die „Jugend der Welt“ in die Reichshauptstadt bittet. Ich wollte über das
eugenische Geschnacksel von Olympiahostessen mit Muskelmännern der eher
nördlichen Hemisphäre schreiben – und so stieß ich auf ein Heft aus dieser
Zeit, welches das Olympische Dorf in Elstal bei Berlin beschreibt.
Es gab damals eine Hausordnung – Raufereien solle man bitte außerhalb des
Dorfs austragen – und einen Speiseplan. Es wurde festgelegt, wann zu
speisen sei, und welche Art von Speisen bereitgehalten werden, also zum
Beispiel Müsli zum Frühstück. An Getränken war Wasser, Tee und
[4][Ovomaltine] vorrätig.
Ovomaltine? Warum wurde dieses Getränk explizit erwähnt? Was hatte es damit
auf sich? Nun, damals war Ovomaltine oder Ovaltine (kurz Ovo), wie es in
den USA und England genannt wurde, ein olympischer Großsponsor.
## Legendärer Ovo-Becher
Bis in die 70er Jahre hinein war das Pulver aus der Schweiz eng mit den
Spielen verbunden, der sogenannte Ovo-Becher legendär. Das Malzextrakt, das
wie Ricola oder feinste Schokolade zum eidgenössischen Genuss-Markenkern
gehört, diente wohl der Stärkung und sollte müde Sportler wieder munter
machen. Ovo prägte dabei das Sportsponsoring wie kaum eine andere Firma im
frühen 20. Jahrhundert und machte die Bahn frei für die
olympisch-nutristischen Erfolgsgeschichten von Coca-Cola und McDonald’s.
Die Schweizer boten 1923 erstmals bei einem Wettkampf auf dem Sportgelände
der Universität Bern einen Verpflegungsservice an – und wurden so zu einem
[5][Pionier im Eventsponsoring].
Obwohl in Ovomaltine, wie das „Eidgenössische Departement für auswärtige
Angelegenheiten“ schreibt, nie medizinische Eigenschaften nachzuweisen
waren, habe das Produkt alle möglichen neuen Verbraucher und Märkte,
darunter stillende Mütter, erschöpfte Fabrikarbeiter, gestresste Autofahrer
und Sportler erobert. Ebenso wurde das Schweizer Wundergetränk von den
Streitkräften übernommen, wo es eingesetzt wurde, um „die Verteidigung der
Schweiz zu stärken“.
Jeder Schweizer, heißt es weiter, kenne die Slogans „Hesch Dini Ovo hüt
scho gha?“ (Hatten Sie heute Ihre Ovomaltine?) und „Mit Ovomaltine chaschs
nid besser, aber länger“ (mit Ovomaltine können Sie es nicht besser machen,
aber länger).
Vielleicht hängt es mit dem Verkauf des Schweizer Kulturguts an Associated
British Food (ABF) zusammen, dass Ovomaltine heute etwas gestrig-altbacken
daherkommt. Und da das Unternehmen [6][„Geldsponsoring“ eh nicht] anbietet,
ist es verständlich, wenn der Global Player IOC sich heute lieber mit
Verwandten wie Alibaba, Toyota, Intel, Airbnb oder Visa zusammentut.
18 Mar 2021
## LINKS
DIR [1] https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/141881/olympische-sommerspiele-in-berlin-1936-01-08-2012
DIR [2] /Kein-Olympia-in-NRW/!5752221
DIR [3] /Olympia-2036-in-Berlin/!5577467
DIR [4] https://houseofswitzerland.org/swissstories/history/bernese-wonder-drink-orange-tin
DIR [5] https://www.nzz.ch/article9XFVH-1.321544
DIR [6] https://www.ovomaltine.ch/sponsoring
## AUTOREN
DIR Markus Völker
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