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       # taz.de -- Corona, Smartphones und ein Schlumpf: Größter anzunehmender Albtraum
       
       > Ich sollte verständnisvoller sein und positiver auf das derzeitige
       > Impfgeschehen blicken, so wie unsere Krisenprofis Angela Merkel und Jens
       > Spahn.
       
   IMG Bild: Impfterminvergabe: Warum einfach machen, wenn es auch chaotisch geht?
       
       Die Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, findet mich
       nicht verständnisvoll genug. Als Mensch, der in einer fernen, fernen
       Vergangenheit kurz nach dem Aussterben der Dinosaurier aufgewachsen ist,
       könne ich ihre symbiotische Bindung an das Smartphone weder begreifen noch
       beurteilen. Ich stelle hierzu fest: Das stimmt. Mir fehlt das Verständnis
       dafür, sich grundsätzlich nur dort aufhalten zu wollen, wo es WLAN gibt.
       Was hat man in dieser Urzeit, meiner Jugend, eigentlich den ganzen Tag
       gemacht? Fragt sich die Minderjährige.
       
       Na ja, man hat auf Apparaten mit Drehscheiben telefoniert und im Alltag
       versucht, der elterlichen Fürsorge durch Abwesenheit zu entkommen. Aber in
       der Schule war im Wesentlichen eigentlich alles wie heute. Die Lehrkräfte
       haben viel kopiert, und manchmal gab es als technisches Highlight ein paar
       Folien auf dem Overheadprojektor. Sollte ein pädagogisch wertvoller Film
       angeschaut werden, musste meist der Hausmeister gerufen werden, weil die
       Technik streikte. Hatte er keine Zeit, musste der Unterricht ausfallen. Es
       gab natürlich auch Unterschiede: Der Putz bröckelte nicht von den Decken,
       und die Toiletten funktionierten.
       
       Vorsicht, die Pille 
       
       Auch die Pille existierte schon. Eine der Nebenwirkungen der ersten und
       zweiten Pillengeneration: 5 bis 7 von 10.000 Patientinnen [1][erlitten eine
       Thrombose]. In der dritten und vierten Generation sind es mit 8 bis 11 von
       10.000 Patientinnen etwas mehr. Da ist es schon verwunderlich, dass die
       Pille bisher nicht verboten wurde. Bei dem Corona-Impfstoff von AstraZeneca
       hingegen, bei dem 13 von bisher 1,6 Millionen Geimpften in Deutschland eine
       (Hirnvenen-)Thrombose erlitten, wurde diese Woche durchgegriffen:
       Sofortiger Impfstopp! Drei Tage später: Sofort weitermachen!
       
       Jetzt also der größte anzunehmende Albtraum: die deutschen Behörden müssen
       Zehntausende versäumte Impftermine neu vergeben. Vielleicht sollte man es
       machen wie Schleswig-Holstein, wo der private Dienstleister Eventim, der
       normalerweise Tickets für Konzerte und Veranstaltungen verkauft, die
       Buchungen übernimmt. Klappt prima. Alle anderen Bundesländer machen es
       dennoch lieber selbst. Warum es einfach machen, wenn man es auch chaotisch
       haben kann? Eine plötzlich funktionierende Terminvergabe könnte die
       Bevölkerung verunsichern.
       
       Impflinge gesucht 
       
       Unterdessen ist [2][ein israelischer Freund ins heimatliche Haifa gereist,
       um sich dort impfen zu lassen.] Schließlich werden im Heiligen Land
       inzwischen händeringend Impflinge gesucht, man hat sogar angefangen,
       Teenager über 16 Jahre zu impfen – Teenager! Die 12- bis 16-Jährigen sind
       an der Reihe, sobald Biontech die entsprechende Studie abgeschlossen hat.
       Ich wage mal eine wilde Spekulation: Es wird früher sein als der erste
       Impftermin für meine 79-jährige Mutter.
       
       Doch ich sollte verständnisvoller sein und positiver auf das derzeitige
       Impfgeschehen blicken, so wie unsere Krisenprofis Angela Merkel und Jens
       Spahn es uns empfohlen haben. Also: Wenn der knappe Impfstoff noch knapper
       wird, dann freuen wir uns nur umso mehr auf unseren Impftermin im Jahr 2022
       oder 2023! Oder: Jeder hat jemanden in der Familie, der schon geimpft
       wurde. Sagt Spahn, und das ist völlig richtig, sofern man Familie außerhalb
       der EU hat, etwa in Großbritannien, Israel oder der Türkei.
       
       Schlumpf Schlaubi 
       
       Wenn es darum geht, standhaft an Wunder zu glauben, ist niemand ein
       größeres Vorbild für mich als Olaf Scholz. Er ist ein deutscher Politiker
       aus Hamburg, der von der Partei SPD (Sozialdemokratische Partei
       Deutschlands) als Kanzlerkandidat aufgestellt wurde. Deshalb wird er
       manchmal zu Talkshows eingeladen, so auch nach den Landtagswahlen
       vergangenen Sonntag. Scholz freut sich wie Schlumpf Schlaubi über die 11
       Prozent, die seine Partei in Baden-Württemberg geholt hat. Eine
       Ampelkoalition mit Grünen und FDP ist möglich! Es ist einfach fantastisch!
       Das Ergebnis ist ein Vorbote seines Siegs bei den Bundestagswahlen im
       September.
       
       Wer sagt es ihm?
       
       Dabei habe ich Verständnis für Menschen, die noch große Träume haben. Ich
       träume zum Beispiel davon, einen Impftermin zu bekommen. Die Minderjährige
       träumte lange davon, Frührentnerin zu werden. Der Hund, der zu meiner
       Infektionsgemeinschaft gehört, träumt davon, Türen öffnen zu können,
       insbesondere die zu seinem Futtersack. Jeder Hund hat andere Träume. Major,
       der jüngere der beiden First Dogs, würde gerne die Secret-Service-Männer,
       die im Weißen Haus herumlungern, beißen. Bei einem hat er es auch schon
       versucht. In Delaware sollen die beiden Präsidenten-Schäferhunde jetzt
       Manieren lernen.
       
       Für das erzieherische Versagen des Präsidentenpaares habe ich großes
       Verständnis. Wahrscheinlich sind sie und ich einfach keine echten
       Alphatiere. Auch ich werde den nächsten Urlaub nur dort buchen, wo mir
       schnelles WLAN garantiert wird.
       
       21 Mar 2021
       
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