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       # taz.de -- Zukunft der „Bild“-Zeitung: Was kommt nach der Ära Reichelt?
       
       > Julian Reichelt machte die „Bild“ wieder zum Kampfblatt. Was bedeutet es
       > für die Zeitung, falls der Chefredakteur bald gehen muss?
       
   IMG Bild: Seit Mitte Februar läuft ein internes „Compliance-Verfahren“ gegen Julian Reichelt
       
       Glaubt man den Berichten über Bild-Chef Julian Reichelt, dann sieht es
       düster aus für ihn. Eine Anwaltskanzlei untersucht noch, ob Reichelt
       tatsächlich seine Macht gegenüber Mitarbeiterinnen ausgenutzt hat. Bisher
       ist das Ergebnis nicht nach außen gedrungen, trotzdem mutmaßen viele, dass
       Reichelt wahrscheinlich gehen werden muss – und das, obwohl er ähnliche
       Vorwürfe in der Vergangenheit schon überstanden hat.
       
       Dass sein Posten dieses Mal so wackelt, liegt zum Einen am Zeitgeist.
       Spätestens seit #MeToo lassen sich Chefs, die zu viel „Mad Man“ spielen,
       kaum noch rechtfertigen. Zum anderen ist Axel-Springer kein deutscher
       Verlag mehr, sondern ein amerikanischer. KKR, der Investor, der einen
       Großteil an der Axel Springer SE besitzt, dürfte kein Interesse an
       schmutzigen Geschichtchen aus dem Chefredaktions-Feldbett haben.
       
       Die Frage ist, was ein mögliches Ende der Ära Reichelt für die Bild
       bedeuten würde. Noch interessanter wird die Frage, wenn man sie mit dem
       Ende einer anderen Ära zusammendenkt: dem Ende von Merkels
       Kanzlerinnenschaft.
       
       Die Bild ist noch immer die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands.
       Eine Million Zeitungen verkauft sie täglich, Tendenz: Print sinkt, digital
       wächst. Julian Reichelt ist seit drei Jahren Chefredakteur, er hat die
       Zeitung wieder zum Kampfblatt gemacht, laut, aggressiv, krawallig. Aber er
       war auch einer, der enge Beziehungen in höchste Regierungskreise pflegte.
       
       ## Wie viel Krawall verträgt das Blatt?
       
       Politiker und Politikerinnen saßen an seinem Dinnertisch, einige seiner
       Mitarbeiter wechselten aus der Bild-Redaktion in Ministerien. Als Friedrich
       Merz CDU-Vorsitzender werden sollte, [1][rollte ihm die Bild den roten
       Teppich aus]. Und als Autobauer Elon Musk den Axel-Springer-Preis verliehen
       bekam, hielt Jens Spahn, Gesundheitsminister und Duzfreund von Reichelt,
       die Laudatio.
       
       Angela Merkel machte bei solchen Spielchen nie mit. Anders als ihr
       Vorgänger Gerhard Schröder, der zum Regieren „Bild, BamS und Glotze“
       brauchte, hielt Merkel Distanz zu Springer. Man konnte sich in den
       vergangenen Jahren immer mal wundern, wie tief das einige
       Springer-Mitarbeiter getroffen haben muss.
       
       Denn die Bild, das ist eben nicht nur das Krawallblatt, das ist auch jene
       Zeitung, die Politik machen kann – oder Kampagne. Man konnte das gerade
       wieder in der [2][Einfamilienhausdebatte] beobachten. Die Bild verkürzte
       ein Zitat von Anton Hofreiter, mischte ein bisschen Empörung bei und hatte
       damit – schwupps – wieder das Bild der untragbaren Verbotspartei entworfen.
       Im Jahr 2013 hatte sie das schon einmal mit dem Veggieday geschafft, das
       für die Bild einem Schnitzelverbot gleichkam.
       
       Die Frage für die Reichelt-Nachfolge wird also zum einen sein: Wie viel
       Krawall verträgt das Blatt? Und zum anderen: Wie nah steht es dem neuen
       Kanzler, der neuen Kanzlerin?
       
       Es wird viel gemunkelt darüber, wer Reichelt nachfolgen könnte. Egal, wer
       es wird, eines wird diese Person nicht ändern können: Die Kultur innerhalb
       und außerhalb der Bild hat sich verändert. Das trifft sie vielleicht härter
       als der Auflagenverlust.
       
       22 Mar 2021
       
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