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       # taz.de -- Die Wahrheit: Knorke Korken, knisternde Hölzchen
       
       > Im weiten Land der Gelangweilten: Basteln ist der neue Trendsport in
       > Pandemiezeiten, und alte Hobbys leben wieder auf.
       
   IMG Bild: Förderturm aus Streichhölzern
       
       Coronazeit ist Bastelzeit und eine Hochzeit des Zündhölzchens. Denn die
       Königsdisziplin des Heimwerkers ist zweifellos das Basteln mit Zündhölzern.
       Nur durch die unermüdlichen Streichholzbastler konnte die Zündholzindustrie
       im Jahr 1958 unglaubliche 40 Milliarden Zündhölzer an den Mann, die Frau
       und das Kind bringen!
       
       Damals gab es noch keine sozialen Medien, nur etwa 400 Fernseher, und die
       Leute saßen noch mit dem Kissen am Fenster und guckten raus. Wenn es dann
       dunkel wurde und es nichts mehr zu sehen gab, wurde der Basteltisch frei
       geräumt und der Kölner Dom und das Lübecker Holstentor aus Streichhölzern
       nachgebaut. Wegen des hohen Streichholzverbrauchs nennt man die frühen
       fünfziger Jahre auch die Streichholzjahre der rauchenden Republik. Dann
       kamen Fernseher und Feuerzeuge und niemand bastelte mehr mit
       Streichhölzern.
       
       Doch jetzt befinden wir uns mitten in der Pandemie-Renaissance des
       Streichholzbastelns, und das ist leider auch eine Zeit, in der
       Streichhölzer vorsorglich von Bastelfreunden gehamstert und gehortet
       werden! Froh ist der, der einen Hunderterpack Streichhölzer ergattert hat.
       Er kann endlich in erfüllender Kleinarbeit aus den eingeheimsten
       Schwefelhölzchen historische Gebäude zusammenkleben. Das Ergebnis wird
       anschließend stolz abgefilmt und ins Netz gestellt.
       
       ## Ergebnis abgefackelt
       
       Dann aber passiert etwas, was in den spießigen Fünfzigern undenkbar war:
       Das Bastelergebnis wird publikumswirksam mit einem Streichholz angezündet
       und abgefackelt! Ja, vergänglich ist die Kunst, und begeistert ist der
       Feuerfilm-Follower. Er kann dabei zusehen, wie ein Heim-Pyromane im
       Homeoffice ein weltbekanntes Gebäude abfackelt, ohne vor die Tür zu gehen.
       
       Aber es müssen nicht unbedingt Streichhölzer zum Coronazeitvertreib sein,
       auch andere Bastelmaterialien bieten sich an. Allen voran die
       Klopapierrollen aus unseren Hamstervorräten. Man kann hervorragend
       vielachsige Bagger aus Klorollen und Eierkartons bauen. So wird auch Platz
       im Klopapierlager geschaffen, vor allem Platz für andere Bastelmaterialien.
       Korken beispielsweise, von all den Flaschenbatterien, die wir mittlerweile
       daheim leer getrunken haben.
       
       Die lustigen Korkmännchen bekommen zum Abschluss einen prächtigen
       Kronenkorkenhelm, und besonders Geschickte basteln eine ganze Rüstung aus
       flachgedengelten Kronenkorken. Die kleinen Korkfiguren werden dann gern in
       die freie Wildbahn entlassen und auf Straßenschildern angebracht, wo sie
       munter auf das Geschehen unter ihnen hinabschauen und schon so manchen
       Unfall knorke kommentiert haben. Kronenkorken können auch mit Fett und
       Körnern ausgegossen werden und ergeben so einen ausgezeichneten
       Vogelfutter-Snack, den wir unseren treuen Coronabegleitern auf dem
       Fen-sterbrett anbieten können. Mit Coronaschmuck aus aufgefädelten
       Zahnpastatubenverschlussketten geschmückt, machen wir uns dann an die
       längst überfällige Wärmedämmung der Wohnung mit Pizza-Kartons. Das erfreut
       den überraschten Vermieter und schont unseren Heizgeldbeutel.
       
       Nach so einem ausgefüllten Basteltag fällt der Heimbastler erschöpft auf
       seinen Lattenrost, den er mit einer Korkschicht nachhaltig gedämmt hat.
       Gute Nacht, Bastelfreunde, morgen werden die Alutöpfchen unserer
       ausgebrannten Teelichter verbastelt!
       
       26 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Groß
       
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