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       # taz.de -- Corona-Impfstoff für arme Länder: Indien first, andere second
       
       > Indien will erst die eigene Bevölkerung immunisieren und exportiert
       > vorerst keine Coronavakzine mehr. Das trifft das globale Impfprogramm für
       > arme Länder.
       
   IMG Bild: In Indien hergestellter Impfstoff, verteilt über das Covax-Programm, trifft in Somalia ein
       
       Mumbai taz | Bei der weltweiten Auslieferung von Corona-Impfstoffen kommt
       es zu immer größeren Verzögerungen. Seit dem vergangenen Donnerstag gibt es
       keine Impfstoffexporte mehr aus Indien, da das Land seine eigenen
       Immunisierungsbemühungen ausweitet.
       
       Betroffen davon ist in erster Linie das globale Programm [1][Covax], das 92
       Länder mit niedrigem Einkommen weltweit den Zugang zu Covid-19-Impfstoffen
       ermöglichen soll. Denn laut WHO wird Covax zu großen Teilen vom Serum
       Institute of India (SII) beliefert, mit dem unter Lizenz produzierten
       Impfstoff von AstraZeneca, der in Indien als [2][Covishield] bekannt ist.
       
       Die Ausfuhrbeschränkung könnte nach Medienberichten zwei bis drei Monate
       anhalten. Die indische Entscheidung fiel, nachdem in Indien [3][die
       Corona-Infektionen wieder stark ansteigen]. Unter anderem wurde in Indien
       eine neue Doppelmutationsvariante entdeckt.
       
       Medizinethiker Anand Bhan findet den Stopp besorgniserregend. „Natürlich
       sind viele Länder bei der Versorgung mit Covid-19-Impfstoffen von Indien
       abhängig, so dass dies eine große Herausforderung darstellt“, sagt er der
       taz.
       
       ## Über 60 Millionen Dosen exportiert
       
       Das indische Außenministerium erklärt auf Anfrage, man habe „im Gegensatz
       zu vielen anderen Ländern kein Verbot für den Export von Impfstoffen
       verhängt.“ Doch „in Anbetracht unserer derzeitigen Produktionskapazitäten
       und der Anforderungen der nationalen Impfprogramme kann es notwendig sein,
       die Lieferpläne von Zeit zu Zeit zu kalibrieren.“
       
       Über 60 Millionen Dosen des lokal hergestellten Impfstoffs von AstraZeneca
       wurden bisher aus Indien exportiert. Das sind mehr als in Indien selbst
       verimpft worden sind – gut 55 Millionen Dosen. 17,7 Millionen Dosen
       Impfstoff aus Indien gingen bisher an Covax. Die
       Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet nun damit, dass es im März und
       April bei Covax zu Engpässen kommt.
       
       Covax hat im ersten Quartal 2021 nach einer am Donnerstag veröffentlichten
       Übersicht weltweit 237 Millionen Impfdosen ausgeliefert. Es hat einen
       Vertrag über den Kauf von 1,1 Milliarden Dosen der Impfungen von
       AstraZeneca, die in verschiedenen Ländern unter kostenfreier Lizenz
       hergestellt werden, und dem US-Präparat Novavax, das ebenfalls in Indien
       produziert wird.
       
       Das Serum Institute of India (SII) hat auch Lieferungen nach Brasilien,
       Großbritannien, Marokko und Saudi-Arabien verzögert. Die britischen
       Behörden sind in Kontakt mit Delhi, um 5 Millionen bestellte Dosen zu
       erhalten. „Die Produktion wird bis April/Mai um 30 Prozent gesteigert“,
       sagt ein Sprecher des Instituts der taz. Derzeit liegt die
       Produktionskapazität bei 60 bis 70 Millionen Dosen pro Monat und soll
       demnächst 100 Millionen erreichen. Über den Lieferstopp wollte sich der
       Sprecher nicht äußern.
       
       ## Auch weniger Impfstoff aus Südkorea kommt an
       
       SII warnte allerdings vor einer Rohstoffknappheit, die sich auf die
       Produktion auswirkt. Geschäftsführer Adar Poonawalla führte dies auf
       US-Exportverbote für Inhaltsstoffe und Bestandteile zurück, vom Equipment
       bis zu chemischen Produkten.
       
       Aufgrund von technischen Problemen werden auch Covax-Zulieferungen von in
       Südkorea produziertem AstraZeneca-Impfstoff kleiner ausfallen. Insgesamt
       könnte das bis zu 90 Millionen Dosen betreffen. Unter den Ländern, die in
       der kommende Woche Lieferungen von Covax erwarten, sind Südsudan,
       Mauritius, Irak, Bosnien und Herzegowina sowie Jemen.
       
       Um in Indien mehr Impfstoff zu produzieren, will sich nun in Mumbai das
       Haffkine Institute mit dem indischen Hersteller Bharat Biotech
       zusammenzuschließen. Mit dessen Impfstoff Covaxin hat sich Indiens
       Premierminister Narendra Modi impfen lassen, woraufhin die Nachfrage danach
       gestiegen ist. An Iran und Mauritius wurden vor dem Exportstopp bereits
       erste Dosen Covaxin geliefert.
       
       25 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ungerechte-Impfstoff-Verteilung/!5741644
   DIR [2] /Impfkampagne-gegen-Corona/!5745304
   DIR [3] https://www.worldometers.info/coronavirus/
       
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   DIR Natalie Mayroth
       
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