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       # taz.de -- Neue Radsport-Helden: Epochale Allrounder
       
       > Wout van Aert und Mathieu van der Poel haben sich in der Cross-Saison
       > harte Duelle geliefert. Jetzt setzen sie ihren Zweikampf auf der Straße
       > fort.
       
   IMG Bild: Starke Beine beim Bergaufsprint: Mathieu van der Poel
       
       Castelfidardo/Berlin taz | Einen Tagessieg hat Wout van Aert geholt beim
       Tirreno Adriatico Zwei Mal stand sein Dauerkonkurrent Mathieu van der Poel
       ganz ober bei der Etappenwertung. Van Aert schlüpfte auch mal ins
       Leadertrikot der Rundfahrt. Die beiden multitalentierten Fahrer setzen
       damit ihr Duell von den winterlichen Cross-Strecken auf dem Asphalt in
       Mittelitalien fort. Sie prägen eine neue Epoche des Straßenradsports.
       
       Am Ende seiner Kräfte war van der Poel, als er am Sonntag nach einer
       Solofahrt von weit über 40 Kilometern das Ziel erreicht hat. Jubeln konnte
       er nach diesem Gewaltakt nicht mehr. Um ein Haar hätte ihn noch der
       Gesamtführende Tadej Pogacar aus Slowenien eingeholt. Doch am Ende konnte
       sich der Niederländer, der es versteht beinahe jedes Rennan, an dem er
       teilnimmt, zum Ereignis zu machen, feiern lassen. Zehn Sekunden betrug am
       Ende sein Vorsprung. Drei Minuten war er zwischenzeitlich schon vorne
       gewesen.
       
       Zwei Tage zuvor ist van der Poel ganz anderts über die Ziellinie gefahren.
       Den Oberkörper aufgerichtet und die Arme verschränkt – so passierte er die
       Ziellinie der dritten Etappe. Niemand vermochte dem Antritt des
       Cross-Weltmeisters standzuhalten, van Aert nicht, dessen Team Jumbo Visma
       den Bergaufsprint vorbereitet hatte, Sergio Higuita, der Kletterkönig aus
       Kolumbien ebensowenig, und nicht einmal Tadej Pogacar, der junge
       Tour-de-France-Sieger, der auch über beachtliches Beschleunigungsvermögen
       verfügt. Van der Poel hatte sogar noch Zeit für seine Jubelgeste. „Ich habe
       mir das auf Instagram von einem Motorradfahrer abgeschaut. Ich wollte es
       einfach auch mal probieren“, sagte er.
       
       Demütigen wollte er seine Konkurrenz mit der Geste nicht. Van der Poel ist
       eher ein junger, etwas verspielter Kerl, der seinen Instinkten folgt. Der
       Instinkt gibt ihm mal vor zu attackieren. Dann wieder lädt er ihn dazu ein,
       Cross- und Straßensaison miteinander zu verzahnen. Und manchmal gibt ihm
       seine innere Stimme auch vor, mal ein paar Tritte auszulassen.
       
       ## Vom Gelände auf die Straße
       
       Diesen van der Poel durfte man ebenfalls beim Tirreno erleben. 24 Stunden
       nach seinem Etappentriumph legte er am dicksten Berg der Rundfahrt eine
       schöpferische Pause ein. In den ersten Kehren der 14 Kilometer langen
       Auffahrt zur Skistation Prato di Tivo im Apennin ließ sich der Enkel der
       Rundfahrt-Legende Raymond Poulidor zurückfallen. „Ich bin hier für einen
       Tagessieg, nicht für das Gesamtklassement“, begründete der niederländische
       Meister diese Entscheidung. Den Tagessieg hatte er ja schon. Und als er
       abreißen ließ, schien es so, es ging ein Seufzer der Erleichterung durchs
       Peloton. Auch dieser Alleskönner macht mal halblang. Das kräftezehrende
       Sandstraßenrennen Strade Bianche hatte er zuvor in bravouröser Solofahrt
       gewonnen.
       
       Im Januar, die meisten Profis drehten da noch Trainingsrunden, hatte er in
       packendem [1][Zweikampf bei der Cyclocross-WM] van Aert bezwungen. Als er
       einen Monat später auf die Straße zurückkehrte, gewann er sofort eine
       Etappe bei der Emirates-Tour. Neun Renntage hat er inzwischen auf der
       Straße zurückgelegt, vier Siege eingefahren. „Ich dosiere meine Kräfte gut.
       Nach der Cross-Saison hatte ich zwei Wochen Pause, konnte den Kopf
       freimachen und die gute Form mitnehmen.“
       
       Van Aert hält es ebenso mit der Dosierung. Kurze Pause, Radwechsel, nächste
       Erfolge. Anders als sein niederländischer Kollege, der sich vor allem auf
       Tagessiege konzentriert, hat es der Belgier auch auf Rundfahrten abgesehen.
       Deshalb versuchte er beim Anstieg nach Prato di Tivo auch den Attacken der
       Tour-Sieger Egan Bernal, Geraint Thomas und Tadej Pogacar standzuhalten.
       Das Ineos-Duo Thomas und Bernal, die sich ja beine Tour-de-France-Sieger
       nennen dürfen, fing er ein. Nur Bergfloh Pogacar entkam. Mit dem liefert er
       sich jetzt den Kampf um den Gesamtsieg.
       
       Van Aert war bereits der bestimmende Fahrer der letzten Halbsaison. Er
       holte drei Tour-de-France-Etappen, gewann die Klassiker
       [2][Mailand–Sanremo] und Strade Bianche. Zweiter wurde er bei der
       Flandernrundfahrt – bezwungen nur von Mathieu van der Poel. Jeweils
       Vizeweltmeister wurde er im Einzelrennen auf der Straße und im Zeitfahren
       und später dann im Cyclocross – eine schier unglaubliche Vielseitigkeit.
       
       Nur eine Frage der Zeit scheint es, wann er das Klassement von große
       Rundfahrten in den Blick nimmt. Für Dauerkonkurrent van der Poel steht eine
       solche Entwicklung auch an. „In dieser Saison konzentriere ich mich erst
       einmal auf Olympia. Danach peilen wir die nächsten Ziele an“, sagte er.
       
       Noch müssen Toursieger wie Pogacar das neue Power-Duo bei ihrem Hausrennen
       nicht fürchten. In Zukunft könnte es aber auch bei der Mutter aller
       Rundfahrten eine ganz neue Fahrerkategorie mit Ansprüchen auf Gelb geben.
       
       15 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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