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       # taz.de -- Projekt für migrantische Frauen: Ministerium streicht Förderung
       
       > Ein einzigartiges Projekt für junge migrantische Mütter in Berlin steht
       > vor dem Aus. Das Bundesfamilienministerium streicht die Unterstützung.
       
   IMG Bild: Das Projekt „Gemeinsam stark“ begleitet migrantische Mütter in Berlin
       
       Berlin taz | Je acht Frauen kamen jede Woche, zusammen mit ihren Säuglingen
       oder Kleinkindern. Sie frühstückten gemeinsam und sprachen über Themen, die
       sich aus ihrer Lebenssituation als Migrantinnen ergaben, die meisten hatten
       Fluchterfahrung. Es ging um den Alltag bei ihren Gesprächen: um
       [1][Wohnungssuche], den oft fehlenden Kontakt zu Deutschen, seit März 2020
       auch um die Pandemie. Doch nun pausieren fast alle Gruppen des Projekts
       „Gemeinsam stark“, das im Kindergesundheitshaus eines Neuköllner Klinikums
       statt fand: Das Geld fehlt.
       
       Das Projekt zielt darauf, junge migrantische Mütter in der frühen Phase der
       Mutterschaft zu begleiten, ihnen Stabilität zu geben und die Möglichkeit,
       Freundschaften aufzubauen. Es ist in verschiedener Hinsicht einzigartig:
       Das rein weibliche Team besteht aus Psychologinnen und Sozialpädagoginnen,
       die psychoanalytisch geschult werden. Die Gruppenleiterinnen werden
       wöchentlich supervisiert, eine wissenschaftliche Studie begleitet es.
       
       Mit 135.000 Euro war das Projekt vergangenes Jahr vom
       Bundesfamilienministerium gefördert worden. „Nach einem Besuch von
       [2][Familienministerin Franziska Giffey] haben wir uns Hoffnungen gemacht,
       dass die Förderung weiter geht“, sagt Gruppenleiterin Lea Stein.
       
       Ein Kostenplan sei vom Ministerium bereits angefordert worden. Doch Ende
       Dezember kam kurzfristig die Absage. Eine konkrete Begründung gab es nicht.
       
       ## „Eine Katastrophe“
       
       „Für die Frauen ist das eine Katastrophe“, sagt Stein. Mehr als 700 Mütter
       mit ihren Kindern hätten seit Projektbeginn insgesamt teilgenommen. Drei
       Jahre sind die Teilnehmerinnen üblicherweise dabei, möglichst vom Beginn
       der Schwangerschaft bis zum Eintritt des Kindes in die Kita. Sie kommen aus
       unterschiedlichen Ländern und kulturellen Kontexten, viele sind aus Syrien
       geflohen.
       
       Die meisten wohnen in Berliner Randbezirken, in vielen Fällen sozial
       isoliert. Die wöchentlich eineinhallb Stunden in der Gruppe waren ein
       Ankerpunkt für sie. „Sie wussten, dass wir auf sie warten“, sagt Stein.
       „Wenn eine nicht kam, haben wir nachgefragt.“
       
       Doch gerade jetzt, mitten in der Pandemie, sind fünf von sieben Gruppen
       stillgelegt. „Die Situation momentan bedeutet für alle Menschen viel
       Unsicherheit“, sagt Stein. „Aber dass einer ihrer wichtigsten Bezugspunkte
       wegfällt, macht die Frauen besonders anfällig für psychische Probleme.“ Die
       Gruppe sei dazu da gewesen, Schönes und Schwieriges zu besprechen und sich
       aufgehoben zu fühlen. Viele Frauen hätten dafür nun keinen Ort mehr.
       
       Derzeit ist das Team dabei, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu
       suchen. „Gerade haben wir einen Preis von der Internationalen
       Psychoanalytischen Vereinigung gewonnen, die Projekte auszeichnet, die für
       die Gesellschaft arbeiten“, sagt Stein. „Das waren 1.000 Euro. Darüber
       haben wir uns gefreut, aber das ist natürlich ein Tropfen auf den heißen
       Stein.“
       
       Ein Antrag bei der Aktion Mensch ist gestellt – aber auch dann wären
       Eigenmittel von rund 30.000 Euro nötig, die das Team nun versucht,
       einzuwerben. Stein hofft auf eine Zwischenfinanzierung mit einem Träger vor
       Ort, der die Gruppentreffen zumindest bis Juli ermöglichen würde.
       
       Aus dem Bundesfamilienministerium hieß es, eine Weiterförderung des
       Projekts durch das BMFSFJ habe aus „förderrechtlichen Gründen“ nicht
       erfolgen können: Voraussetzung für eine Förderung sei unter anderem, dass
       neue Maßnahmen während der Projektlaufzeit durchgeführt werden. Bereits
       begonnene Maßnahmen könnten nicht bewilligt werden.
       
       17 Mar 2021
       
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