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       # taz.de -- Wintershall-Streit schwelt weiter: „Ein großes Missverständnis“
       
       > Die NS-belastete Firma Wintershall soll in dasselbe Gebäude ziehen wie
       > ein Gedenkort. Der Vermieter versucht vergebens, die Verantwortung
       > abzuwälzen.
       
   IMG Bild: Anrührender Gedenkort: Gleisreste am Hannoverschen Bahnhof in Hamburgs Hafencity
       
       Hamburg taz | Sie ist und bleibt umstritten: die Entscheidung, die
       [1][NS-belastete Firma Wintershall Dea] in dasselbe Gebäude der Hamburger
       Hafencity ziehen zu lassen, in dem das Dokumentationszentrum „[2][Denk.mal
       Hannoverscher Bahnhof“] residieren wird.
       
       Verfolgtenverbände finden diese „Kohabitation“ in Sichtweite jenes Ortes,
       von dem aus zwischen 1940 und 1945 8.000 Juden, Sinti und Roma in
       Konzentrationslager deportiert wurden, unzumutbar. Sie fürchten, bei
       BesucherInnen des Gedenkorts könnten alte Traumata aktiviert werden. Denn
       sowohl Wintershall als auch Dea hatten massiv vom NS-Regime profitiert und
       etliche [3][ZwangsarbeiterInnen] beschäftigt.
       
       Bauherr Harm Müller-Spreer, der das Gebäude von der Stadt Hamburg erwarb
       und ihr lediglich die Museumsfläche im Erdgeschoss zurück verpachtete,
       fühlt sich im Recht: Vertraglich sei er nicht verpflichtet gewesen, im
       Vorfeld mit Opferverbänden – den Jüdischen Gemeinden, der Rom- und
       Cinti-Union, dem Landesverein der Sinti und der Stiftung Hamburger
       Gedenkstätten – zu sprechen.
       
       Auch die Vorgabe, das Gebäude nicht so zu nutzen, dass es dem Zweck des
       Dokumentationszentrums widerspreche oder dessen Ausstrahlung störe, habe er
       erfüllt. „Wintershall hat seine NS-Vergangenheit vorbildlich aufgearbeitet,
       engagiert sich gegen rechts und ist heute ein ganz anderes Unternehmen“,
       sagt er.
       
       ## Hafencity-Chef weist Mitverantwortung zurück
       
       Doch nun, da der Protest der Opferverbände anhält, geht es um Details der
       Entscheidungsfindung und eventuelle Mitverantwortung: „Die Hafencity GmbH
       als unser Vertragspartner war darüber informiert, dass wir mit Wintershall
       Dea einen Mietvertrag für diese Fläche abschließen“, hat Müller-Spreer
       kürzlich dem Hamburger Abendblatt gesagt.
       
       Da nicht sagt, wann diese Information erfolgte, suggeriert der Satz, die
       städtische Hafencity GmbH habe den Vertrag vorab gekannt und gebilligt.
       „Das entspricht nicht der Wahrheit“, sagt Hafencity-Geschäftsführer Jürgen
       Bruns-Berentelg. „Die Entscheidung des Bauherrn, die Wintershall Dea GmbH
       als Mieter in das Gebäude zu nehmen, wurde ohne vorherige Einbindung der
       Hafencity Hamburg GmbH getroffen.“
       
       Und da Müller-Spreer nicht die erhoffte Sensibilität gezeigt und die qua
       Vertrag zu berücksichtigende „subjektive Wahrnehmung der Betroffenen“
       eingeholt habe, habe er riskiert, dass es Probleme gebe. „Die aktuellen
       Proteste hat er sich selbst zuzuschreiben, und dafür muss er die
       Verantwortung übernehmen“, sagt Bruns-Berentelg.
       
       Bauherr Müller-Spreer rudert inzwischen zurück und beeuert, das Ganze sei
       „ein großes Missverständnis“. Er habe vielmehr sagen wollen, dass er die
       Hafencity als Erste informiert habe, nachdem die Entscheidung für
       Wintershall gefallen war. „Herr Bruns-Berentelg hat keinen Fehler gemacht“,
       sagt Müller-Spreer.
       
       Die tiefere Ursache des Streits liegt in der Tat darin, dass die Stadt
       Hamburg aus Kostengründen kein eigenständiges Museum baute, sondern sich
       mit der Untermieterrolle in einem Privatgebäude begnügte. Moderieren soll
       den Streit jetzt Birgit Voßkühler, Präsidentin des Hamburger
       Verfassungsgerichts, in einem Schiedsverfahren. Diese Option hatte die
       Stadt Hamrug vorsorglich in den Vertrag aufgenommen.
       
       30 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] /Wanderausstellung-Zwangsarbeit-in-Deutschland/!5246147
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
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