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       # taz.de -- Ausgangssperren im Norden: Jetzt gibt es Stubenarrest
       
       > Am heutigen Mittwoch soll in Hamburg und vielen norddeutschen Städten und
       > Gemeinden über eine nächtliche Ausgangssperre entschieden werden.
       
   IMG Bild: Hier ist alles ruhig: Polizist:innen kontrollieren, ob nachts noch jemand unterwegs ist
       
       Hamburg taz | Die [1][nächtliche Ausgangssperre] kommt. In Bremerhaven ist
       sie aufgrund einer aktuellen Corona-Inzidenzzahl von über 250 schon da, in
       vielen niedersächsischen Kreisen tritt sie am Gründonnerstag in Kraft, in
       Hamburg wird ihre Verhängung diskutiert. Damit erreichen die
       pandemiebedingten Einschränkungen, die die dritte Corona-Welle brechen
       sollen, in den Nordländern eine neue Dimension.
       
       In [2][Bremerhaven trat die vom Magistrat am Montag beschlossene
       Ausgangssperre] am Dienstag Punkt 0 Uhr in Kraft. Bis zum 18. April – und
       damit drei ganze Wochen – müssen die Bürger*innen jeweils zwischen 21
       Uhr und 5 Uhr zu Hause bleiben. In der ersten Nacht gab es zunächst nur
       wenige stichprobenartige Kontrollen – die aber sollen in den kommenden
       Tagen zunehmen. „Man muss der Bevölkerung ja auch Gelegenheit geben, die
       Verordnung zur Kenntnis zu nehmen“, erläutert ein Bremerhavener
       Polizeisprecher das Vorgehen.
       
       Auch in der Wesermarsch wurde am Montag für mehrere Gemeinden eine
       nächtliche Ausgangssperre erlassen, die bis zum 18. April gilt. Bremens
       Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hingegen lehnt Ausgangssperren
       weiter vehement ab und setzt damit ein Signal, dass kaum zur Akzeptanz der
       unpopulären Maßnahmen beiträgt. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk sagte
       der SPD-Politiker, wissenschaftliche Studien zeigten, dass derartige
       Maßnahmen kaum dazu beitrügen, die Infektionszahlen zu senken.
       
       Vom 1. April an – kein Scherz – wird dann auch in der Region Hannover und
       diversen niedersächsischen Landkreisen das nächtliche Leben stillstehen.
       Bis zum 11. oder 12. April sollen die Anwohner*innen in der Zeit von 22
       Uhr bis 5 Uhr ihre Wohnungen und Häuser nur mit einem „triftigen Grund“
       verlassen dürfen.
       
       ## Keine Ausnahmen für Lebenspartner
       
       Diese Entscheidung sei „mit die schwerste meiner politischen Karriere
       gewesen“, betont der scheidende Regionspräsident Hauke Jagau. Er habe es
       sich nicht leicht gemacht. Konkrete Details der nächtlichen Sperrstunde
       will der SPD-Politiker am heutigen Mittwoch verkünden. In Hannover lag die
       Sieben-Tages-Inzidenz am Montag laut Landesgesundheitsamt bei über 144.
       
       Andere niedersächsische Landkreise sind da schon weiter. Von Mittwoch an
       gelten für die Bewohner*innen der Kreise Emsland und Cloppenburg
       nächtliche Ausgangssperren zwischen 21 Uhr und 5 Uhr. Im Kreis Peine trat
       die Ausgangssperre bereits in der Nacht zu Mittwoch in Kraft. In allen drei
       Landkreisen liegen bereits [3][Allgemeinverfügungen] vor, die die
       Beschränkungen und ihre Ausnahmen regeln.
       
       Deren Inhalte sind fast identisch. Als „gewichtige Gründe“, die
       Ausgangssperre zu durchbrechen, gelten etwa eine „notwendige medizinische,
       psychosoziale oder veterinärmedizinische Behandlung, die Wahrnehmung einer
       beruflichen Tätigkeit, der Besuch von Gottesdiensten und ähnlichen
       religiösen Veranstaltungen und der Besuch naher Angehöriger, wenn diese von
       Behinderung betroffen oder pflegebedürftig sind“.
       
       Andere Ausnahmen, wie sie bei früheren Ausgangssperren im süddeutschen Raum
       galten – etwa der Besuch des Lebenspartners oder der Partnerin – finden
       sich in den Ausnahmeregelungen nicht. Kritiker*innen befürchten, dass
       die nächtlichen Ausgangssperren zunehmend zu Übernachtungsbesuchen führen
       könnten, was nicht im Sinne der Pandemie-Eindämmung sei.
       
       Unklar ist auch, wie die neuen Regeln kontrolliert werden sollen. „Im Falle
       einer Kontrolle sind die genannten Ausnahmegründe glaubhaft zu machen“ und
       gegebenenfalls „durch geeignete Dokumente zu belegen“, heißt es in den
       Verfügungen.
       
       ## Schleswig-Holstein diskutiert nicht mit
       
       Damit bleibt der Polizei ein großer Ermessensspielraum, welche Nachtfahrt
       sie etwa mit einem deftigen Ordnungsgeld belegt und welche nicht. Konflikte
       sind programmiert. „Wir werden diese Sperren durchsetzen, aber das wird
       nicht immer friedvoll ablaufen, vielleicht kommt es zu zahlreichen
       Ingewahrsamnahmen“, blickt der [4][Hamburger Chef der Gewerkschaft der
       Polizei, Horst Niens], sorgenvoll in die Zukunft.
       
       In Schleswig-Holstein, wo die Inzidenzzahlen relativ gering ausfallen, ist
       nächtlicher Stubenarrest derzeit noch kein ernsthaftes Thema. In Hamburg,
       wo die Inzidenz auf über 150 geklettert ist, wird hingegen zwischen den
       Koalitionspartnern derzeit über die Verhängung einer nächtlichen
       Ausgangssperre heftig diskutiert.
       
       Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist dafür, beim grünen
       Koalitionspartner aber gibt es noch Widerstand. Die Entscheidung wird am
       heutigen Mittwoch erwartet, Beschränkungen könnten dann schon am Karfreitag
       in Kraft treten und die eine oder andere Osterplanung komplett über den
       Haufen werfen.
       
       Auch andere Städte zögern noch. In Osnabrück ist nach Angaben eines
       Verwaltungs-Sprechers noch nicht klar, wie dort die niedersächsischen
       Vorgaben für eine Ausgangssperre umgesetzt werden. „Wir sind mit dem Land
       in Kontakt, weil wir das rechtssicher haben wollen“, erklärt ein Sprecher
       der Stadt.
       
       Im Landkreis Gifhorn mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von derzeit 180
       kündigte der Krisenstab für den heutigen Mittwoch die Entscheidung über
       eine Ausgangssperre an. „Die Ausgangssperre ist ein massiver Eingriff in
       die Grundrechte“, betont CDU-Landrat Andreas Ebel. „Genau aus diesem Grund
       muss eine Entscheidung auf einer sorgfältig erstellten und aussagekräftigen
       Prognose beruhen.“
       
       30 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Dritte-Coronawelle-in-Europa/!5763223
   DIR [2] https://www.cnv-medien.de/news/ausgangssperren-in-bremerhaven-und-dem-kreis-wesermarsch-verhaengt.html
   DIR [3] https://lkclp.de/aktuelles-presse/bekanntmachungen.php?aid=4233
   DIR [4] https://www.gdp.de/gdp/gdphh.nsf/id/HOME_DE
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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