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       # taz.de -- Stopptanz und Impfreisen nach Russland: Blumenstrauß mit guten Nachrichten
       
       > „Entschuldigung“ wäre ein prächtiger Strauß, der die ganze Reue der
       > Schenkenden einfängt. Frei Haus kam solch einer diese Woche aus Norwegen.
       
   IMG Bild: Endlich Frühling, endlich rausgehen, denn Ostern ist nur draußen treffen angesagt
       
       Frühling! Blaue und gelbe Krokusse blitzen in allen Ecken der Stadt hervor,
       die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, es ist warm. Draußen ist es
       derzeit viel angenehmer als drinnen, endlich. Mit den letzten Tagen im Kopf
       und den [1][Frühlingsgefühlen] in den Beinen könnte man jetzt beschwingt
       durch die Straßen tanzen. Wie wäre es mit einem Walzer oder mit einem
       Stopptanz, bei dem alle mitmachen dürfen, solange die Musik spielt. Wer
       sich danach noch bewegt, fliegt raus.
       
       Darf es vielleicht ein Niveaulimbo sein (Jugendwort des Jahres 2010,
       erstaunlich aktuell)? Aber nee, es gibt ja schon die, die Polonäse auf den
       Straßen tanzen, ohne Rücksicht auf alles und mit der wohlwollenden
       Unterstützung der Polizeikräfte. Da will man doch lieber die Füße still
       halten und sich seinem Schicksal fügen und eyvallah sagen im sufistischen
       Sinne: Komme was wolle, ich nehme es an. Amor fati nannte das [2][Friedrich
       Nietzsche] und kupferte den Gedanken womöglich schön ab aus dem Islam.
       
       Also eyvallah, schlechte Zahlen und Prognosen, gleitet vorbei, das
       Schicksal ist besiegelt, wir werden alle sterben. Doch davor lohnt sich der
       Blick auf gute Nachrichten in dieser Woche, die alle klingen könnten wie
       fertige Blumensträuße aus dem Versandhandel, so wie „Entschuldigung“ und
       „Weiter so“ oder „Frohe Ostern“. Frei Haus kommt nun der erste Blumenstrauß
       von einer Frau, die bitter bereut.
       
       Wow, eine Frau in diesem Amt wagt es, sich öffentlich hinzustellen und das
       zu tun, was vielen Männern in der gleichen Situation am Poppes
       vorbeigegangen wäre: Sie entschuldigt sich für eine dumme Entscheidung. “Es
       tut mir leid, dass meine Familie und ich die Coronaregeln gebrochen haben,
       das hätte nicht passieren dürfen.
       
       Auch wir hätten den Empfehlungen folgen müssen, so wie ich es von Euch
       erwartet habe“, schrieb Norwegens Premierministerin Erna Solberg vergangene
       Woche auf Facebook, nachdem bekannt geworden war, dass sie an ihrem 60.
       Geburtstag Ende Februar die 10-Personen-Regelung in Norwegen nicht
       eingehalten hatte. “Ich denke vor allem an diejenigen, die Dinge absagen
       mussten, auf die sie sich lange gefreut hatten. Geburtstage mit
       Klassenkameradinnen, eine Feier mit Freunden oder etwas anders Wichtiges.
       
       ## Zerknirschte Regierungschefin
       
       Ich verstehe alle, die sehr wütend und enttäuscht sind. Ich habe einen
       Fehler gemacht und deshalb möchte ich sorry sagen.“ In dieser Woche nun
       sollten die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen folgen. Wird es auf
       eine Geldstrafe hinauslaufen? Wer weiß. Gänzlich bekannt ist aber, dass die
       Kritik an der konservativen Politikerin auch aus der eigenen Regierung
       kommt, vom Gesundheitsminister nämlich, wie Spiegel Online am Dienstag
       schreibt.
       
       Für die hiesige Regierung indessen ist der zweite Blumenstrauß reserviert.
       „Weiter so“ für einen wirklich erfreulichen Wahlkampf der GroKo-Parteien
       unter dem Motto „Jeder für sich und Gott für uns alle“. Welche Parteien
       nicht im September gewählt werden wollen, erkennt man doch spätestens jetzt
       wirklich ohne Lupe. Danke dafür. Der dritte Blumenstrauß „Frohe Ostern“
       geht an all diejenigen, die sich über die [3][Impfreihenfolge] beugen und
       darüber brüten, wann sie denn endlich dran sind.
       
       Infos zu den Impfstofflagern und den Terminvergaben sind gut versteckt. So
       richtig transparent sind die Infos nicht. Irgendwann nach Ostern, so das
       Versprechen aus der Politik, soll es rasend schnell gehen. Wer nicht auf
       das himmlische Erlösungsversprechen warten will, kann seine Impfung selbst
       in die Hand nehmen oder zu Ostern verschenken.
       
       Während ein deutscher Anbieter auf seiner Webseite nun doch keine
       Impfreisen ins Ausland anbieten will, dank „dem für April geplanten starken
       Anstieg der Liefervolumina“, planen türkische Reiseanbieter bereits Reisen
       nach Russland. Für etwa 1.500 Euro kann man sich dort mit entsprechendem
       Impfabstand eine Dosis Sputnik V abholen. Ab nächster Woche soll es
       losgehen, sagt der Direktor von Viking Turizm, Cem Bayazit, im
       Branchenformat [4][Turizm Güncel].
       
       Mit 3.000 Euronen für die nötigen zweimal Piksen wäre man also dabei, sich
       dem russischen Impfstoff und seiner Wirksamkeit von 91 Prozent laut
       Veranstalter unkompliziert auszusetzen. Eine richtig gute Nachricht für
       alle Besserverdienenden also, denen das Wörtchen „Impfchaos“ und die
       süßlich-naive Bitte des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) in der PK am
       Freitagvormittag, sich doch bitte an Ostern nur draußen zu treffen, noch
       nicht einmal ein entspanntes Schulterzucken entlockt.
       
       Für alle Geringverdienenden heißt es, weiter an den Osterhasen glauben,
       vielleicht Blümchen zu schenken und sich weiter der Maxime hinzugeben, dass
       eben das Schicksal so seine Richtigkeit hat. Eyvallah als Zen-Zustand und
       der Osterhase wird es schon richten. Viel Glück also und frohe Ostern.
       
       26 Mar 2021
       
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