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       # taz.de -- Ökonomische Ausbeutung Ägyptens: „Ever Given“ frei, Ägypten nicht
       
       > Während im Suezkanal wieder Waren bewegt werden, beutet Ägyptens
       > Regierung seine Bevölkerung weiterhin aus – zum Teil mit deutscher Hilfe.
       
   IMG Bild: Blockierte die Schifffahrt zwischen Asien und Europa: Schiff „Ever Given“ aus Sicht eines Jungen
       
       Knapp eine Woche hielt das im Suezkanal [1][quer liegende Containerschiff
       „Ever Given“ die ganze Welt auf]. Der Rückstau der anderen Frachter wird
       erst nach mehreren Wochen abgebaut sein, sagen Expert*innen. Knapp
       130.000 lebende Schafe stecken weiterhin auf der Seeroute an der
       ägyptischen Abkürzung zwischen Indischem Ozean und Mittelmeer in Containern
       fest.
       
       Von den tagelangen Bergungsarbeiten berichteten Medien per Liveticker. Im
       Netz machten lustige Memes die Runde: Neben der riesigen „Ever Given“
       schaufelt ein relativ kleiner Bagger Sand am Ufer des Kanals weg. Ein Bild,
       das die Ohnmacht des Individuums vor den Herausforderungen des Lebens
       symbolisiert.
       
       Doch der Unfall illustriert mehr. Er zeigt ein grundlegendes Problem: die
       Verschränkung kapitalistischer Ausbeutungsstrukturen mit autoritären
       Regimen. Ich vermute, dass viele Menschen die anderen schrecklichen
       Meldungen der letzten Tage aus Ägypten nicht mitbekommen haben: In
       Oberägypten kollidierten zwei Züge. 19 Menschen kamen ums Leben. Ein Video
       zeigt, wie Anwohner*innen verzweifelt in den Wracks nach Überlebenden
       suchen.
       
       Kurz darauf starben in Kairo mindestens 23 Menschen beim Einsturz eines
       Wohnhauses. Zwei Tage später wurde, wie durch ein Wunder, ein Säugling
       lebend geborgen. Er wird als Waisenkind aufwachsen.
       
       ## Deutschlands Wirtschaftsinteressen
       
       Wissenschaftler*innen der Universität Toronto sagen, dass die
       offiziellen Corona-Inzidenzzahlen der ägyptischen Regierung beschönigend
       seien. Wer sich in Ägypten mit dem Virus infiziert, hat Pech. Kranke und
       Angehörige müssen sich selbst um Sauerstoffflaschen für die
       lebensnotwendige Beatmung kümmern. Doch Sauerstoff ist Mangelware und
       exorbitant teuer. [2][Die Ägypter*innen leiden sowieso] unter einer
       Teuerungsrate, die einige von ihnen buchstäblich verhungern lässt.
       
       Regelmäßige Zugunglücke und einstürzende Gebäude, eine andauernde
       Wirtschaftskrise: Was hat das mit dem Kapitalismus und der Dividende
       deutscher Aktionär*innen zu tun?
       
       Präsident Abdel Fatah al-Sisi [3][setzt auf Großprojekte] und holt sich
       dafür internationales Knowhow ins Regime. Er baut sich seit Jahren eine
       neue Hauptstadt mitten in der Wüste. Das Kalkül: sich in Megaprojekte
       zurückziehen, den Rest des Landes und die Infrastruktur derweil einfach
       verfallen lassen. Kritiker*innen landen im Kerker. Deutsche Firmenchefs
       freut das.
       
       Siemens hat sich Anfang des Jahres einen Milliardenauftrag für eine
       Schnellzugtrasse zwischen der neuen Hauptstadt und dem Mittelmeer
       gesichert. So profitieren multinationale Konzerne vom Leid der ägyptischen
       Bevölkerung. Manchmal kommt Angela Merkel vorbei und lächelt mit al-Sisi um
       die Wette. Die „Ever Given“ wurde am Ende dank Vollmondflut befreit. Für
       kapitalistisch ausgebeutete Gesellschaften, scheint es, braucht es
       ebenfalls eine extraterrestrische Kraft. So hartnäckig ist das Problem.
       
       1 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Mohamed Amjahid
       
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