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       # taz.de -- Die Macht der Entschuldigung: Feministische Kommunikation
       
       > Frauen entschuldigen sich ständig für alles Mögliche, weil sie gelernt
       > haben, dass das höflich sei. Dabei sollten sie viel öfter nein sagen.
       
   IMG Bild: Elif Shafak beschäftigt sich in ihrem neuen Roman unter anderem mit der Kunst des Entschuldigens
       
       In Oxford trifft Peri, eine junge Studentin aus Istanbul, mit ihrem
       Professor eine Abmachung: Weil sie sich ständig entschuldige, dürfe sie
       sich von nun an nie wieder bei ihm entschuldigen. Diese Geschichte erzählt
       Elif Shafak in ihrem Roman „Der Geruch des Paradieses“ und es ist einer der
       Klassiker, wenn es um [1][feministische Kommunikation] geht: Frauen
       entschuldigen sich ständig für alles Mögliche, weil wir irgendwie gelernt
       haben, dass das höflich sei, von uns erwartet werde, unsere Gesellschaft
       für andere weniger unangenehm und uns weniger anstrengend mache. Und
       natürlich ziehen wir das auch in der Uni durch – und bei der Arbeit.
       
       In „Wie du erfolgreich wirst, ohne die Gefühle von Männern zu verletzten“,
       einem nicht ganz ernst gemeinten Buch von Sarah Cooper, findet sich eine
       Checkliste von Entschuldigungen, um die man täglich bitten sollte: Weil man
       als Frau eine Frage stellt, zu viel über sich erzählt oder einfach mal
       Ahnung von seinem Job hat.
       
       Da ist natürlich die logische Folge: Sich das Entschuldigen abtrainieren.
       Googelt man „Women apologize workplace“, findet man Listen wie [2][„25
       Things Women Should Stop Apologizing For“] und viele ähnliche Texte, die
       einem dabei helfen wollen. So wie der Professor in Shafaks Roman.
       
       ## Verantwortung übernehmen
       
       Deren Geschichte geht dann aber so weiter, dass Peri nicht zu einer
       Anhörung erscheint, den Professor dort nicht entlastet und dieser auch
       deshalb seinen Professorenposten verliert. Weil Peri aber ja nicht mehr bei
       ihm um Entschuldigung bitten soll, tut sie das nicht – und der Kontakt
       bricht über viele Jahre ab. Und so zeigt die Geschichte von Peri, wie
       wichtig es eben doch sein kann, sich zu entschuldigen. Weil es Beziehungen
       rettet, weil man damit Verantwortung übernimmt und sogar Macht demonstriert
       – wie Angela Merkel vor fast zwei Wochen im Bundestag.
       
       Nicht wir sollten uns verändern, sondern die Welt. Nicht wir sollten
       entlernen, sondern es sollte ganz normal werden, dass wir „Entschuldigung“
       immer wieder hören, von Kolleg:innen und Chef:innen. [3][Nicht als
       Floskel, sondern mit Einsicht.] Wir sollten Listen schreiben mit Titeln wie
       25 Dinge, für die sich Männer öfter entschuldigen sollten (zu viel
       mansplaint, Kaffeetasse nicht in die Spülmaschine geräumt, den Mitarbeitern
       zu viel und den Mitarbeiterinnen zu wenig gezahlt, zu beleidigt auf
       angemessene Kritik reagiert). Vielleicht wächst aus der Entschuldigung ja
       irgendwann auch Einsicht und ein anderes Verhalten.
       
       Was ich aber wirklich nie wieder schreiben möchte: Sorry für die späte
       Rückmeldung, wenn eine E-Mail drei Tage alt ist. Aber auch hier liegt das
       Problem nicht im Entschuldigen an sich – sondern in der dämlichen Idee,
       ständig präsent und erreichbar sein zu müssen. Statt zu üben, uns nicht
       mehr zu entschuldigen, sollten wir besser einen anderen Klassiker
       feministischer Kommunikation trainieren: Nein sagen.
       
       6 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Feministisches-Vorbild-Clara-Zetkin/!5757103
   DIR [2] https://fairygodboss.com/articles/25-things-women-should-stop-apologizing-for-at-work
   DIR [3] /Entschuldigungen-sind-politisch/!5745034
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susan Djahangard
       
       ## TAGS
       
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