# taz.de -- Neue Corona-Verbote: Besuche im Dunkeln
> Wenn Verbote kaum noch zu begründen sind, riechen sie nach Willkür. Das
> tut der Disziplin in der Pandemie nicht gut.
IMG Bild: Regeln werden zur Gewohnheit, sie ab und zu zu brechen, aber auch
Die auf den Gehweg in der Bergmannstraße gepinselten Hinweise „Hier bitte
Maske tragen“ hat der Regen längst wieder verschwinden lassen. Stattdessen
hat jemand mit Leugner-Hintergrund „1984“ aufs Trottoir gesprayt.
Mund-Nase-Schutz trägt hier an guten Tagen einer von zwei Menschen, oft
sind es weniger. So verhält es sich an den meisten Straßen, auf denen
Maskenpflicht herrscht.
Kein Wunder, dass die Disziplin im Keller ist: Kontrolliert wird kaum. Und
dem Senat ist seine eigene Regel so unwichtig, dass er bei der jüngsten
Anpassung der Verordnung vergessen hat, die Straßenliste in der Anlage
korrekt an den Paragrafen anzubinden. Juristisch hat die Pflicht
möglicherweise gar keinen Bestand.
Sowieso ist umstritten, was eine Gehweg-Maskenpflicht bringt, um das
Corona-Infektionsgeschehen zu reduzieren. Aber sollte der Senat zu diesem
Schluss gekommen sein, warum schleppt er dann die Regel weiter mit?
Vorschriften, die höchstens so halb gelten, schaden dem Gesamtpaket.
Hinzu kommt nun, dass mindestens eine der neuen Verschärfungen – keine
Herren-, Damen- oder sonstigen Besuche ab 21 Uhr – kaum noch
nachvollziehbar ist. Während das Verbot von Menschenansammlungen im Park
epidemiologisch durchaus Sinn macht, ist völlig unklar, warum der liebe
Freund oder die entfernte Verwandte am späten Abend ein höheres Risiko
bedeuten als am frühen.
Der Regierende Bürgermeister betont, wie wichtig Eigenverantwortung sei,
und beteuert, man wolle ja „niemanden ärgern“. Aber warum werden dann
private Besuche nicht einfach mit einer Testpflicht verknüpft? Beim
Einkaufen geht das ja auch. Sollte jemand einwenden, das könne niemand
kontrollieren: Auch das Komplettverbot ist quasi unkontrollierbar –
allerdings bietet es Menschen mit denunziatorischem Drang eine neue
Steilvorlage.
Coronamaßnahmen zu kritisieren ist knifflig. Man will sich nicht mit
KomplettverweigerInnen gemein machen, und die Grenze zwischen sinnvoll und
nicht-mehr-ganz-so-sinnvoll ist im Halbdunkel schwer auszumachen. Wenn aber
Verbote kaum noch zu begründen sind, riechen sie nach Willkür. Und das tut
der Disziplin in der Pandemie nicht gut.
6 Apr 2021
## AUTOREN
DIR Claudius Prößer
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