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       # taz.de -- Ex-Abgeordneter mit dubiosen Kontakten: CDU-Mann mit Vietnam-Faible
       
       > Als er noch im Bundestag saß, vermittelte Mark Hauptmann Masken aus
       > Vietnam. Sein Kreisverband erhielt eine dubiose Spende.
       
   IMG Bild: Hansdampf in allen Gassen: Mark Hauptmann (rechts) als Kicker beim FC Bundestag im Herbst 2018
       
       Berlin/Frankfurt am Main taz | Mark Hauptmann galt als Zukunftshoffnung der
       CDU. Mit gerade mal 29 Jahren zog er 2013 in den Bundestag ein. Nachdem er
       2017 sein Direktmandat verteidigen konnte, stieg er zum Vorsitzenden der
       Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf und wurde Mitglied im
       Fraktionsvorstand. Hauptmann war ein Hansdampf in allen Gassen – mit einem
       Blick weit über seinen Südthüringer Sprengel hinaus. Gestern noch in einer
       Teddybärenwerkstatt in Sonneberg, morgen schon im Schlepptau von
       Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu Besuch beim vietnamesischen
       Premierminister Nguyen Xuan Phuc in Hanoi.
       
       „Südthüringen auch über die Grenzen Deutschlands hinaus zu einer Marke mit
       Wiedererkennungswert zu machen, ist und bleibt eines meiner wichtigsten
       Ziele“, verkündete Hauptmann auf seiner Homepage.
       
       Doch das alles ist inzwischen Geschichte. Am 11. März [1][hat Hauptmann
       sein Bundestagsmandat niedergelegt] und ist von allen seinen Ämtern in der
       CDU zurückgetreten. Und die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft prüft, ob
       ein Anfangsverdacht wegen Bestechlichkeit gegen den Politiker vorliegt. Zum
       Problem werden könnte dem 36-jährigen Christdemokraten, dass er bei seinen
       guten Kontakten zu Ländern wie Vietnam, Aserbaidschan und Taiwan seine
       politischen Aktivitäten möglicherweise allzu sehr mit eigenen
       wirtschaftlichen Ambitionen verquickt hat.
       
       Unbestritten ist, dass großflächige Anzeigen aus diesen drei asiatischen
       Ländern maßgeblich [2][zur Finanzierung des Südthüringen Kurier
       beigetragen] haben. Das von Hauptmann herausgegebene Blatt erschien seit
       2015 vierteljährlich in einer Auflage von rund 55.000 Exemplaren und wurde
       wie eine bezahlte Firmenbeilage vor allem über die regionale Tageszeitung
       Freies Wort verbreitet. Dabei war die Anschrift der Redaktion des
       Südthüringen Kurier identisch mit der des Wahlkreisbüros von Hauptmann.
       Auch die Suhler CDU, deren Kreisvorsitzender er war, hat dort ihren Sitz.
       
       Der CDU-Kreisverband ist nun um Schadensbegrenzung bemüht. Denn bei der
       Prüfung der Unterlagen nach Hauptmanns Rücktritt stieß er nach eigenen
       Angaben auf eine Spende in Höhe von 7.000 Euro. Anfang 2021 sei das Geld
       „von einem inländischen Unternehmen“ in die Parteikasse gespült worden.
       
       Die Suhler CDU hat die Spende inzwischen „vorsorglich gemäß dem
       Parteiengesetz an die Bundestagsverwaltung zur Prüfung gemeldet“, wie sie
       in einer Erklärung mitgeteilt hat. Unabhängig vom Ergebnis will sie es
       nicht behalten.
       
       ## Masken aus Vietnam vermittelt
       
       Was die Parteispende höchst anrüchig erscheinen lässt: Der Absender ist die
       TY-Capital & Trade GmbH in Frankfurt am Main. Das ist eben jenes
       Unternehmen, für deren FFP2- und OP-Masken Hauptmann zu Beginn der
       Coronakrise beim Land Thüringen, bei verschiedenen Thüringer Landkreisen
       und Krankenhäusern warb.
       
       Die Firma habe „erfolgreich neue funktionierende Lieferketten aus Vietnam
       nach Deutschland aufgebaut“, schwärmte Hauptmann damals. Die Ware aus
       Vietnam sei von höherer Qualität als so manche Maske aus China.
       
       Die Landkreise Sonneberg und Hildburghausen orderten die – nicht gerade
       billigen – Masken. Die Kreisverwaltung von Schmalkalden-Meiningen lehnte
       das Angebot hingegen ab, es erschien ihr unseriös. Auch das von der
       Linkspartei geführte Sozial- und Gesundheitsministerium Thüringens winkte
       ab.
       
       Aber wer ist eigentlich die TY-Capital & Trade GmbH, für die Hauptmann sich
       so ins Zeug gelegt hat? Sieht man von den Presseveröffentlichungen der
       letzten Tage ab, findet man im Internet lediglich die Einträge im
       Handelsregister. Keine Firmenwebsite, keine Facebookseite, keine
       Möglichkeit der Kontaktaufnahme.
       
       Laut Handelsregister wurde die Firma 2018 zunächst als
       Unternehmergesellschaft, kurz UG, gegründet und 2020 in eine GmbH
       umgewandelt. Als Geschäftsführerin fungiert die Vietnamesin Thi Viet Huong
       N. Für ein paar Monate, von Mitte Juni bis Oktober 2020, tauchte
       zwischendurch ein Jan M. als Geschäftsführer auf. Dabei handelt es sich
       wohl um einen vielfältig wirtschaftlich aktiven jungen Mann, der zumindest
       eine Zeit lang auch in der Jungen Union in Rheinland-Pfalz aktiv war.
       
       Zweck der Gesellschaft soll die „Finanzierung, der An- und Verkauf, das
       Halten, Verwalten und Betreuen von Unternehmensbeteiligungen, die Gründung
       von Gesellschaften im In- und Ausland, die Verwaltung des eigenen
       Vermögens, IT-Beratung, der Im- und Export sowie der Handel mit Pflege- und
       medizinischen Produkten“ sein – also alles Mögliche.
       
       ## Nur eine Briefkastenfirma?
       
       Die taz hat sich unter vietnamesischen Geschäftsleuten deutschlandweit
       umgehört und ist dort auf niemanden gestoßen, der die Frau oder die Firma
       kennt. Das verwundert, weil die Akteure innerhalb der vietnamesischen
       Community durch umfangreiche Geschäftskontakte gut vernetzt sind. Man kennt
       sich.
       
       Doch im Internet findet sich eine zweite Firma derselben Geschäftsführerin:
       die TY Medicare. Von diesem Unternehmen existiert eine semiprofessionelle
       Website, auf der es sich als „führender Händler von medizinischen Produkten
       in Europa“ anpreist und medizinische Ausrüstungen aller Art anbietet, auch
       OP- und FFP2-Masken sind im Angebot.
       
       Die taz hat sich am angeblichen Geschäftssitz der TY Medicare im
       Frankfurter Stadtteil Rödelheim umgeschaut. Die Adresse führt zu einem
       ehemaligen Industriekomplex. Die sechsstöckigen Gebäude werden von
       unzähligen Unternehmen als Büroräume genutzt. Dutzende Firmenschilder
       finden sich, daneben jeweils große Briefkastenanlagen. Ein weiteres großes
       Schild an der Straße nennt die Firmen, die hier zu Hause sind: eine Bank,
       ein Logistikunternehmen, ein Filminstitut, eine Kanzlei, der Medizinische
       Dienst der Krankenkassen und so einiges mehr.
       
       Am Hinterhofeingang von Haus B gibt es einen unauffälligen, etwas
       ramponierten Postkasten. Die schiefhängende Alu-Abdeckung des
       Briefschlitzes verdeckt teilweise den mit Tesafilm aufgeklebten Zettel. Der
       kleingeschriebene Text darauf ist der einzige Hinweis auf den Firmensitz
       von TY Medicare.
       
       Die TY-Capital & Trade GmbH hat ihren Sitz angeblich auf der anderen
       Straßenseite. Bei ihrer Adresse befindet sich ein fünfstöckiges Wohnhaus.
       Im Erdgeschoss bietet ein Matratzenlager Schlafunterlagen an. Am
       Klingelschild stehen 28 Namen, darunter kein einziger Firmenname. Aber
       immerhin findet die taz an der Klingel von Wohnung 34 denselben Namen, den
       auch die Geschäftsführerin der TY-Capital & Trade GmbH und der TY Medicare
       trägt.
       
       ## Werbetext des vietnamesischen Botschafters
       
       Allerdings handelt es sich um einen in Vietnam weit verbreiteten Namen. Ob
       der Geschäftsführerin die Wohnung tatsächlich gehört, ist möglich, aber
       nicht sicher. Die taz schreibt die Frau an und erhält keine Antwort. So
       bleibt unklar, wer und was tatsächlich hinter den beiden Frankfurter Firmen
       steckt. Handelt es sich um Briefkastenfirmen, die eigentlich ihren Ursprung
       in Vietnam haben?
       
       Das würde zumindest die Verbindung zu Hauptmann erklären. Denn der
       unterhielt beste Kontakte zu dem Land und seinen Honoratioren. Ein
       Beispiel: Im März 2018 druckte Hauptmanns Südthüringen Kurier über eine
       halbe Zeitungsseite einen Beitrag von Vietnams damaligem Botschafter in
       Deutschland, Doan Xuan Hung. Titel des Traktats: „Neue Impulse für
       vietnamesisch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen“.
       
       Der Beitrag kommt wie ein redaktioneller Text daher, man muss schon genau
       hinschauen, um hinter dem Autorennamen das in Klammern gesetzte Wort
       „Anzeige“ zu entdecken.
       
       Das ist nicht das einzig Problematische daran: Der Werbetext des
       Botschafters, mit dem sich Hauptmann auch schon mal beim Skifahren in
       Oberhof ablichten ließ, erschien zu einer Zeit der diplomatischen Eiszeit
       zwischen Deutschland und Vietnam, nämlich ein paar Monate nach der
       [3][Entführung des Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh aus dem Berliner
       Tiergarten] durch den vietnamesischen Geheimdienst.
       
       ## Diplomatische Eiszeit? Nicht für Hauptmann
       
       Die Bundesregierung hatte seinerzeit die zwischenstaatlichen Kontakte auf
       das absolut unerlässliche Minimum heruntergefahren. Vietnams Botschafter
       wurde zu keinen Empfängen mehr eingeladen, nicht einmal von anderen
       ausländischen Botschaften in Deutschland, weil das Auswärtige Amt die
       Kontaktdaten von den Listen gelöscht hatte. Dass gerade ein Abgeordneter
       der Unionsfraktion das Kontaktvermeidungsgebot einfach in seiner Zeitung
       ignorierte, ist bemerkenswert.
       
       Im Juni 2018, [4][immer noch während der diplomatischen Eiszeit], durfte
       der vietnamesische Botschafter Hauptmann in seinem Wahlkreis besuchen. Es
       dürfte eine von ganz wenigen Einladungen gewesen sein, die der zum
       Nichtstun verdammte Botschafter damals erhielt. 2020, inzwischen war die
       diplomatische Blockade beendet, besuchte Hauptmann im Gegenzug Vietnams
       Botschaft in Berlin und ließ sich dort als Brückenbauer feiern.
       
       Vietnam sei für Deutschland zwar ein wichtiger Wirtschaftspartner, aber
       „autoritäre Strukturen, eine schwache Justiz, Korruption und die schwierige
       Menschenrechtslage sind Hemmschuh einer positiven Entwicklung“, sagt Martin
       Patzelt, der für die CDU im Menschenrechtsausschuss des Bundestags sitzt.
       Er warnt davor, die vietnamesische Regierung könnte den Eindruck gewinnen,
       dass das deutsche Parlament die Verletzung der Menschenrechte in Vietnam
       nicht ernst nehmen würde. „Das ist aber nicht der Fall“, betont Patzelt.
       
       Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ steht
       Vietnam auf Platz 175 von 180 Staaten, noch hinter Aserbaidschan, das es
       immerhin auf Platz 168 schaffte. Hauptmann scheint das während seiner Zeit
       im Bundestag wenig gestört zu haben. Dass sich dieses Desinteresse für ihn
       monetär ausgezahlt hat, bestreitet er. Letztlich hat es ihn seine Karriere
       als Politiker gekostet.
       
       22 Mar 2021
       
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