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       # taz.de -- Grüne starten in dreitägige Konferenz: „Wir sind die neue Berlin-Partei“
       
       > Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nimmt in ihrer Rede Kurs auf
       > das Rote Rathaus und stellt den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Politik.
       
   IMG Bild: Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch kritisierte zum Parteitagsauftakt am Freitag die SPD
       
       Berlin taz | Mit einer kämpferischen Rede von Spitzenkandidatin Bettina
       Jarasch hat am Freitagabend die dreitägige Landesdelegiertenkonferenz der
       Berliner Grünen begonnen. Die 155 Delegierten bestimmen bis Sonntag über
       das Wahlprogramm für die Abgeordnetenhauswahl am 26. September und ihre
       Kandidatenliste für die Bundestagswahl am selben Tag. Jarasch erneuerte
       dabei ihren Anspruch, das Rote Rathaus zu übernehmen und erste grüne
       Regierungschefin in Berlin zu werden. Dabei stellte sie den Klimaschutz ins
       Zentrum künftigen Regierungshandelns.
       
       Die Konferenz findet größtenteils digital statt: Jaraschs Rede zum Auftakt
       kommt aus einem Hotelsaal in Mitte, in dem sich sonst nur wenige Dutzend
       Parteimitglieder inklusive Landesvorstand und Technikexperten aufhalten.
       Erst am Sonntag, bei der Wahl der Bundestagskandidaten, sollen die 155
       Delegierten persönlich im Saal sitzen und direkt abstimmen. Der Zutritt
       soll dabei nur mit einem negativen Coronatest möglich sein.
       
       In ihrer fast 20-minütigen Rede stellt sich Jarasch als Spitzenkandidatin
       dar, die in alle Kieze und Milieus der Stadt hinein horcht bis hin zu
       Kleingärtnern und Feuerwehrleuten. Was alle eine, mit denen sie in den
       vergangenen Woche gesprochen haben will, sei die Forderung nach einer
       modernen Verwaltung. Und alle würden nach der Vision ihrer Partei für
       Berlin fragen. „Alle wollen wissen, worauf sie sich einstellen können, wenn
       das Rote Rathaus grün wird“, sagt Jarasch.
       
       Ihr Angebot: „Ich will Berlin zu einer krisenfesten Stadt machen.“ Für die
       Grünen gelte: „Veränderung gibt auch Halt.“ Berlin soll aus ihrer Sicht
       resilient werden – „gegen den Virus und gegen den Klimawandel“. Das soll
       klappen mit der von den Grünen parteiintern schon beschlossenen, aber im
       Senat jüngst gescheiterten konkreten Festlegung auf Jahreszahlen, wann
       keine Autos mehr mit Verbrennungsmotor in Berlin unterwegs sein dürfen: ab
       2030 nicht mehr innerhalb des S-Bahn-Rings, spätestens 2035 in der ganzen
       Stadt nicht mehr.
       
       ## Scharfe Kritik an SPD-Konkurrentin Giffey
       
       Die politische Konkurrenz für die Abgeordnetenhauswahl spricht Jarasch zwei
       Mal an. Zum einen hält sie der in den jüngsten beiden Umfragen einmal knapp
       hinter, einmal vor den Grünen liegenden CDU vor, Klimavorstöße oftmals mit
       angeblicher Wirtschaftsfeindlichkeit abzuwehren. Diese Denke ist für
       Jarasch falsch, auch die Wirtschaft profitiert aus ihrer Sicht
       Verkehrsumbau und Klimaschutz.
       
       Die schärfste Kritik in ihrer Rede übt sie am bisherigen Koalitionspartner,
       den Sozialdemokraten. „Von der SPD und ihrer Spitzenkandidatin habe ich
       auch noch nicht viel zum Klimaschutz gehört“, sagt Jarasch, ohne den Namen
       eben jener Spitzenkandidatin – Franziska Giffey – auszusprechen. Das
       überrasche sie aber eigentlich nicht, denn: „Ihr (Giffeys, d. taz) Programm
       ist ja auch mehr ein Rendezvous mit der Vergangenheit.“
       
       Ein Stück gegen die SPD geht es auch, als sie mit Blick auf das Großthema
       Wohnen sagt: „Wer nur auf Neubau setzt, hat den Blick für die Realität
       verloren.“ Die soziale Frage werde im Bestand gelöst. Jarasch legt merklich
       Wert darauf, nicht als wirtschaftsfeindlich wahrgenommen zu werden: „Jedes
       Unternehmen braucht eine vernünftige Rendite, völlig klar“, gesteht sie
       Vermietern zu. Renditen über zehn Prozent aber empfindet sie als nicht
       vernünftig. Dem von der rot-rot-grünen Koalition vereinbarten Mietendeckel
       misst sie dabei große Bedeutung zu: „Wir werden ihn nicht auslaufen lassen,
       wir werde ihn weiter entwickeln“, verspricht sie.
       
       ## „Wir kämpfen für die Menschen“
       
       Jarasch beansprucht für ihre Partei, worauf bislang die SPD ein Monopol zu
       haben glaubte: „Wir sind die neue Berlin-Partei“, sagt sie und begründet
       das so: „Wir sind die, die überall gleichermaßen stark sind, im Osten wie
       im Westen.“ Das mit dem „gleichermaßen“ stimmt zwar so nicht ganz, weil die
       Grünen bei der jüngsten Wahl in Berlin, der Europawahl im Mai 2019, zwar in
       Kreuzberg über 40 Prozent der Stimmen bekamen, aber in Marzahn-Hellersdorf
       nur knapp über 13. Dort aber war auch die CDU kaum besser, die SPD sogar
       schwächer. In anderen Außenbezirken wie Zehlendorf oder Köpenick waren die
       Grünen sogar stärkste Partei.
       
       „Wir kämpfen für die Menschen“, schließt Jarasch nach kaum 20 Minuten ihre
       Rede, begleitet vom Applaus der pandemiebedingt wenigen Grünen im
       Hotelsaal. Koalitionsoptionen erwähnt sie nicht. In einer Pressekonferenz
       am Dienstag hatte sie eine weitere Zusammenarbeit mit SPD und Linkspartei
       bevorzugt, allerdings unter grüner Führung. „Ausschließeritis“ in bezug auf
       andere Optionen sei aber wegen des Debakels nach der Landtagswahl in
       Thüringen nicht angesagt.
       
       19 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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