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       # taz.de -- Corona und politische Unvernunft: Zwischen Hoffnung und Angst
       
       > Durch Impfungen kann Corona im Sommer unter Kontrolle sein. Doch vorher
       > droht die dritte Welle. Gefragt ist Vernunft – notfalls gegen die
       > Politik.
       
   IMG Bild: Impfen allein wird die dritte Welle nicht verhindern
       
       Berlin taz | Eigentlich sind die Aussichten in diesem Frühjahr großartig.
       Doch fehlende Verantwortung in der Politik gefährdet den greifbaren Erfolg.
       Anders als vor einem Jahr ist klar, dass die Coronapandemie gestoppt werden
       kann. Und inzwischen lässt sich sogar recht genau vorhersagen, wann der
       Großteil der erwachsenen Deutschen geimpft sein wird: Schon im Juni könnten
       alle Impfwilligen eine Erstimpfung erhalten haben, wenn alles nach Plan
       läuft.
       
       Das war bisher nicht der Fall – Lieferprobleme bei den Herstellern,
       vermeidbare Organisationsprobleme in den Bundesländern und
       [1][unvorhergesehene Nebenwirkungen] des AstraZeneca-Vakzins haben den
       Impfstart überschattet.
       
       Doch all das ist lösbar. Die angekündigten Liefermengen steigen ab Ende
       April drastisch an. Die Probleme bei der Terminvergabe sollten deutlich
       geringer werden, wenn dann auch in den Hausarztpraxen in größerem Umfang
       geimpft wird. Denn dort kann – ohne die Impfreihenfolge komplett aufzugeben
       – flexibler und pragmatischer agiert werden. Und auch die neuen
       Beschränkungen beim Einsatz von AstraZeneca werden die Impfkampagne
       insgesamt nicht aufhalten, denn es gibt trotz einiger Verunsicherung zum
       Glück noch genug Menschen, die damit geimpft werden dürfen und wollen.
       
       Die Hoffnung, die dieses absehbare Ende der Krise aufkommen lässt, wird
       indes überschattet von der Angst, was bis dahin noch geschehen kann, wenn
       Politik und Gesellschaft so untätig bleiben wie zuletzt. Im März hat sich
       die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen innerhalb von nur drei
       Wochen verdoppelt.
       
       ## Mittelfristig düstere Prognosen
       
       Mit dem Ferienbeginn hat sich der Anstieg der Zahlen zwar gerade
       verlangsamt, aber die mittelfristigen Prognosen bleiben düster.
       Intensivmediziner warnen vor einer starken Überlastung der Kliniken ab Mai.
       Auch eine aktuelle Prognose des Robert-Koch-Instituts zeigt dramatische
       Szenarien: Ihr zufolge reicht der Fortschritt beim Impfen in den nächsten
       beiden Monaten noch nicht, um einen starken Anstieg der Infektions- und
       Todeszahlen zu verhindern. Selbst wenn die Kontakte noch einmal um 50
       Prozent reduziert werden, drohen demnach im Mai und Juni mehr als 1.000
       Coronatote pro Tag – und damit mehr als auf dem Höhepunkt der zweiten
       Welle.
       
       Um diese Entwicklung zu vermeiden oder zumindest zu mindern, müssen die
       Kontakte – und zwar vor allem die in geschlossenen Räumen – in den nächsten
       Wochen [2][noch stärker verringert werden] als im ersten Lockdown im
       vergangenen Jahr. Doch statt intensiv für diese letzte Anstrengung bis zur
       erlösenden Impfung zu werben, haben viele Ministerpräsident*innen
       mit diversen Lockerungen zunächst das gegenteilige Signal geschickt: So
       ernst sei die Lage gar nicht. Eine Mehrheit der Bevölkerung hat es für
       diese Öffnungen nie gegeben; nachgegeben hat die Politik vielmehr einer
       lautstarken Minderheit.
       
       Angesichts der steigenden Zahlen ist zwar damit zu rechnen, dass diese
       Fehlentscheidungen teilweise korrigiert werden. Doch vermutlich betreffen
       künftige Beschränkungen erneut vor allem den Privatbereich. In Unternehmen,
       wo ein Großteil der Indoorkontakte stattfindet, blieb es bisher meist bei
       freundlichen Appellen. Auch in Schulen herrschte vielerorts Präsenzpflicht,
       ohne dass Tests und Technik für ausreichend Sicherheit sorgten.
       
       Das muss sich nach Ostern unverzüglich ändern. Und wenn die Politik nicht
       handelt und auch Verwaltung und Unternehmen nicht von sich aus auf
       unsicheren Präsenzbetrieb verzichten, müssen die Betroffenen selbst aktiv
       werden – und für die wenigen Wochen, auf die es jetzt ankommt, Urlaub
       nehmen oder sich notfalls krankmelden.
       
       So etwas kann natürlich nur ein letztes Mittel sein. Doch wenn die Zahlen
       dramatisch steigen und es gegen alle Vernunft dabei bleiben sollte, dass
       die Verantwortlichen nichts unternehmen, kann es notwendig werden, dass die
       Vernünftigen sich selbst schützen.
       
       3 Apr 2021
       
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   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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