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       # taz.de -- Christdemokratischer Klimaverein: Die Union klimatisieren
       
       > Der neugegründete Verein KlimaUnion will CDU und CSU zu ernsthafter
       > Klimapolitik bringen. Die Gegenkräfte sind stark. Wie soll das gelingen?
       
   IMG Bild: Der Verein wurde am Earth Hour Day (27. März) gegründet
       
       Berlin taz |. Die KlimaUnion ist eine neue Gruppierung in CDU und CSU, die
       die Unionsparteien zur Bundestagswahl auf einen klimapolitischen
       Modernisierungskurs bringen will. An diesem Freitag wurde sie offiziell
       vorgestellt. Zu den Gründern des eingetragenen Vereins gehören der Berliner
       Klima-Aktivist und -Experte Heinrich Strößenreuther, das Bremer
       CDU-Bundesvorstandsmitglied Wiebke Winter, der frühere Siemens-Chef
       Heinrich von Pierer und der frühere Tesla-Chef Deutschland Philipp
       Schröder.
       
       Das Ziel des aus symbolischen Gründen am [1][Earth Hour Day] (27. März)
       gegründeten Vereins ist es, Mehrheiten zu gewinnen in Partei und
       Gesellschaft „für eine wirtschaftsfördernde Klimapolitik“, die das Land in
       den nächsten zehn bis zwanzig Jahren klimaneutral machen soll. Die
       bisherigen Maßnahmen zur Einhaltung des von der Union-geführten
       Bundesregierung unterzeichneten Pariser Klimaabkommens seien „bei weitem
       noch nicht ausreichend“, heißt es in der Vereins-Satzung.
       
       Die KlimaUnion-Gründer sind Leute, die man nicht unbedingt in einem
       Ortsverband der CDU erwartet. Der in Hamburg lebende Philipp Schröder, 37
       Jahre, hatte mit 23 seine ersten Millionen für ein Startup eingesammelt,
       mit 30 war er Deutschlandchef von Tesla, danach ging er zum
       Energiespeicherunternehmen Sonnen, dann gründete er das
       Fondsinvestmentportal Capinside. Seine privatwirtschaftliche Erfahrung ist,
       dass man in kurzer Zeit sehr viel machen kann. Die Frage lautet, ob und wie
       er das auf gemeinhin zähe Parteiprozesse übertragen kann.
       
       Schröder ist auf einem Biobauernhof in der Lüneburger Heide aufgewachsen
       und demonstrierte im Wendland, was sich nach klassischem Grünen-Milieu
       anhört. Er war auch Grünen-Mitglied, trat aber im letzten Jahr aus. „Um
       echte Veränderung anzustoßen, reicht die grüne Bubble nicht, das Thema ist
       so groß geworden“, sagt er im Zoomgespräch mit der taz. „Der Druck des
       Finanzmarktes, die Technologien, die reif genug sind, die wenige Zeit, die
       wir haben und die Wichtigkeit des wirtschaftlichen Aspektes, den die Grünen
       aus meiner Sicht etwas stiefmütterlich behandeln“. Das habe für ihn zur
       „logischen Schlussfolgerung“ geführt, seine Zeit und Argumentation in die
       CDU einzubringen.
       
       ## Klimafrage als wirtschaftspolitischer Wettbewerb
       
       „Wir werden die CDU und die bürgerliche Mitte brauchen und vor allem
       brauchen wir die Wirtschaft.“ Diese müsse man „aus dem Korsett der Fossilen
       befreien“. Die Grünen hätten „den Reflex, den Süchtigen anzuschreien, statt
       ihm zu helfen.“ Die KlimaUnion will Leute überzeugen, die sich nicht
       angesprochen fühlen von der „linken Klimaschutzbewegung“, „Verzichtdebatten
       und „moralischer Überhöhung“, wie sie das nennen, die aber das
       Grundanliegen teilen, die Erderhitzung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.
       
       Schröders Mitstreiter Heinrich Strößenreuther war unlängst [2][unter
       medialem Aufsehen in die CDU eingetreten]. Strößenreuther ist [3][seit
       vielen Jahren im Aktivismusgeschäft]. Anders als andere Aktivisten gilt er
       als knallharter Stratege, der um die Wichtigkeit von gesellschaftlichen
       Mehrheiten weiß. 2015 hatten er und seine Mitstreiter die eher unwillige
       rot-rot-grüne Berliner Landesregierung mit dem Druck von mehr als 100.000
       Unterschriften gezwungen, ein Fahrradgesetz auf den Weg zu bringen, und
       damit die Dominanz der autozentrierten Verkehrspolitik gebrochen. Damit
       wurde eine politische Dynamik ausgelöst, die seither viele deutsche Städte
       erreicht hat und zu über 40 Radentscheidnachahmungen geführt hat.
       
       Strößenreuther war 2015 aus den Grünen ausgetreten, um für seinen
       Fahrradentscheid parteilos zu sein. Sein Eintritt in die CDU scheint
       zumindest bisher Ökos und Linke mehr zu verstören als seine neuen
       Parteifreunde. „Kaum retweete ich etwas aus der CDU, geht es in die
       Hunderte von Followern, die verloren gehen“, sagt er. Schröder hat ähnliche
       Reaktionen. Offenbar sind das Leute, die ihnen den neuen Ort für ihr
       Klimaengagement nicht ab-, sondern übelnehmen.
       
       Genau diesen politisch-kulturellen Graben wollen die KlimaUnionisten
       überwinden und die Lösung des gemeinsamen Problems in den Vordergrund
       stellen. Die Konkurrenz zu den Grünen könnte dann fruchtbar werden, wenn es
       tatsächlich gelänge, die Klimafrage von einer Moralfrage in konkreten
       Fragen zu einem wirtschaftspolitischen Wettbewerb zu machen. Etwa die
       Frage, wie man die erneuerbare Infrastruktur jetzt schnell ausbaut und wie
       man das finanziert. „Die Klimaprogramme der Grünen sind eben nicht der
       Gold-Standard“, sagt Schröder, in der Konkretion hapere es doch sehr. Er
       vermisst bei ihnen vor allem auch die „Can Do-Mentality“.
       
       ## Eine Art Anti-KlimaUnion gibt es schon länger
       
       Nichtsdestotrotz versteht sich die KlimaUnion als Brücke zwischen der
       angeblichen „Grünen Bubble“ und dem „wirtschaftskonservativen Lager“ und
       hat auch eine mögliche Bundesregierung aus Grünen und Union im Blick. Die
       Begrifflichkeiten des Vereins sind ganz klar auf Entideologisierung,
       Wirtschaftspolitik und Vermeidung eines gesellschaftlichen Kulturkampfes
       getrimmt. Die andere Frage ist indes, was innerhalb der CDU passiert.
       
       Eine Art Anti-KlimaUnion gibt es ja schon länger, wie zuletzt wieder eine
       Studie von LobbyControl enthüllt: Etwa der Lobbyverband „Wirtschaftsrat“,
       oft fälschlich als Parteigremium verstanden, dessen Interesse offenbar die
       Bewahrung fossiler Strukturen und die Verhinderung von Klimapolitik ist und
       als dessen parlamentarischer Arm vor allem baden-württembergische
       CDU-Bundestagsabgeordnete fungieren.
       
       Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, wen von den Anti-KlimaUnionisten der
       Korruptionsskandal der Partei noch erwischt. Auch wenn Heinrich
       Strößenreuther harmlos sagt, man wolle „mit Wissen, Fakten, guten
       Argumenten und Charme neue Bewegung in eingefahrene Diskussionen bringen“:
       Das wird vor allem ein knallharter Machtkampf.
       
       9 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR Peter Unfried
       
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