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       # taz.de -- Mario Draghi nennt Erdoğan Diktator: Plötzlich Klartext
       
       > Er war lange ein Mann des Geschwurbels. Jetzt nennt Mario Draghi
       > plötzlich Dinge beim Namen – während Europa nicht mal um einen Stuhl
       > bitten kann.
       
   IMG Bild: Mario Draghi hat deutliche Worte gefunden und damit die türkische Regierung erbost
       
       Man kannte ihn als Herrn des Geldes – und als Meister der Anspielungen. Als
       Mario Draghi noch Chef der Europäischen Zentralbank in Frankfurt war,
       musste er jedes Wort auf die Goldwaage legen. Ein falsches Adjektiv, eine
       vieldeutige Andeutung – und schon konnte der DAX in den Keller rauschen und
       der Euro in Gefahr geraten. Draghi wusste das und redete wie das Orakel von
       Delphi: unverständlich.
       
       Umso mehr überrascht nun die Deutlichkeit, mit der Draghi – mittlerweile
       Premierminister von Italien – über Recep Tayyip Erdoğan spricht. [1][Einen
       „Diktator“ hat er ihn genannt] und damit Entrüstung in der Türkei
       ausgelöst. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu verurteilte
       Draghis „hässliche und maßlose Äußerungen“ aufs Schärfste – und forderte
       Draghi auf, sie zurückzunehmen.
       
       Aber was ist Erdoğan bitte sonst – wenn nicht ein Diktator, der die Presse
       knebelt, die Opposition gängelt und in fremde Länder einmarschiert? Draghi
       kommt das Verdienst zu, das laut und deutlich ausgesprochen zu haben. Für
       diesen Klartext wurde es höchste Zeit. Appeasement gegenüber Erdoğan und
       seinem islamischen Regime hat es genug gegeben.
       
       Dieses Appeasement hatte zuletzt völlig absurde Formen angenommen. Wie
       Bittsteller waren EU-Kommissionspräsidentin [2][Ursula von der Leyen und
       Ratspräsident Charles Michel nach Ankara gereist], wo sie Erdoğan zur
       Audienz empfing. Wie Amateure fügten sie sich in das türkische Protokoll,
       das für Michel einen Chefsessel neben Erdoğan vorsah und für von der Leyen
       einen Platz auf der Couch – protokollarisch entspricht das dem Katzentisch.
       Aber weder Michel noch von der Leyen wagten es, von Erdoğan einen weiteren
       Sessel zu fordern. Von der Leyen machte von ihrem Sofa aus dem Gastgeber
       allerlei Versprechungen.
       
       Seither diskutiert ganz Brüssel über das #Sofagate“ und die Erniedrigung
       der „Ersten Dame“ der EU – nicht aber über Erdoğans Diktatur und Europas
       Komplizenschaft. Draghis klare Worte bieten die Chance, nun endlich auf den
       Punkt zu kommen. Dafür müssten allerdings auch noch andere EU-Politiker
       mitziehen. Angela Merkel und Heiko Maas, wie halten Sie es eigentlich mit
       dem Diktator?
       
       9 Apr 2021
       
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