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       # taz.de -- Kindersport in der Pandemie: Ansteckende Zweifel
       
       > Der Bundestag verhandelt über ein Verbot von Kinder-Teamsport bei zu
       > hohen Coronazahlen. Ein Umdenken der Regierungsparteien deutet sich an.
       
   IMG Bild: Training nach Zwangspause ohne Kontakt: Das Dragon Gym übt im Würzburger Ringpark
       
       Möglicherweise ist der Hilferuf der Wissenschaftler:innen doch noch
       angekommen. Dagmar Freitag, die sportpolitische Sprecherin der
       SPD-Fraktion, sagt der taz: „Was die Bedeutung von Sport und Bewegung
       angeht, werbe ich stets dafür, diese wichtigen Aktivitäten zu ermöglichen,
       ohne allerdings das Infektionsgeschehen auszublenden. Die Wissenschaft gibt
       uns hier viele Hinweise, was möglich sein kann und was unterlassen werden
       sollte.“
       
       In dem [1][Entwurf für ein verändertes Infektionsschutzgesetz], der von der
       Bundesregierung und damit auch von der SPD verfasst wurde und an diesem
       Freitag erstmals im Bundestag verlesen wird, kann man bei den Vorgaben für
       den Sport allerdings keine wissenschaftlich fundierten Risikoabwägungen
       erkennen. Das bislang mögliche kontaktlose Kinder-Teamsporttraining soll
       untersagt werden, wenn der Inzidenzwert in einem Landkreis/einer Stadt pro
       100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100 drei
       Tage lang übersteigt. Erlaubt ist dann lediglich Sport allein, zu zweit
       oder mit Mitgliedern des eigenen Hausstandes.
       
       Die Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) hat vergangenen Sonntag [2][in
       einem offenen Brief] an die Bundeskanzlerin und die
       Ministerpräsident:innen beklagt, dass sich in der Debatte zur
       Bekämpfung der Pandemie zu wenig vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse
       widerspiegeln würden. „Übertragungen im Freien sind äußerst selten und
       führen nie zu ‚Clusterinfektionen‘ “, schrieben die Wissenschaftler. Es
       müsse bei den Gefährdungsabwägungen zwischen drinnen und draußen
       unterschieden werden.
       
       Eine solche Unterscheidung, etwa zwischen Hallen- und Freiluftsport, sieht
       aber der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht vor. In den Fraktionen der
       Regierungsparteien wächst aber offenbar die Erkenntnis, dass es
       Nachbesserungen bedarf. Am Mittwoch hatte erstmals der parlamentarische
       Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, eine Ausnahmeregelung
       für Kinder bis zu 14 Jahren gefordert. Ihnen sollte auch bei erhöhten
       Inzidenzzahlen weiter Teamsport ermöglicht werden. Fraktionskollegin
       Freitag schiebt jetzt die Verantwortung dem Koalitionspartner zu: „Es liegt
       nun an CDU/CSU, sich hier ebenfalls zu bekennen.“
       
       ## „Deutlicher Nachbesserungsbedarf“
       
       [3][Eberhard Gienger, der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU], lässt an
       Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Er nimmt in seiner Stellungnahme
       gegenüber der taz Bezug auf die Erklärung der Aerosolforscher und schreibt:
       „Deshalb setze ich mich beim Infektionsschutzgesetz für entsprechende
       Ausnahmeregelungen für den Outdoorsport ein.“ Ähnlich äußert sich auch
       Monika Lazar, Bundestagsabgeordnete der Grünen, zum Entwurf der
       Bundesregierung: „In einigen Bereichen sehen wir noch deutlichen
       Nachbesserungsbedarf, insbesondere bei den aktuell noch zu harten
       Einschränkungen für den Kinder- und Jugendsport.“
       
       Die Stimmungslage deutet darauf hin, dass in der Kindersportfrage Spielraum
       für Veränderungen besteht. Der Verweis von Gienger auf die Erkenntnisse der
       Aerosolforscher öffnet allerdings auch das Feld für weitergehende Fragen.
       Warum sollen die Ausnahmeregelungen nur für Kinder bis 14 Jahre gelten?
       Gienger erklärt, die Festlegung einer Altersgrenze sei „grundsätzlich
       schwierig“, und er fügt an: „In einem weiteren Schritt sollten Ausnahmen
       auch für die 14- bis 18-Jährigen und darüber hinaus erwogen werden.“
       
       Passend zu der Debatte hat der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach
       gerade via Twitter [4][auf eine US-amerikanische Studie] hingewiesen, die
       der Frage nachgeht, welchen Einfluss regelmäßige Sportausübung auf den
       Krankheitsverlauf von Covid-19 und die Sterblichkeitsrate hat. Die
       kalifornischen Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass die
       Wahrscheinlichkeit für sportlich inaktive Menschen, mit einer
       Corona-Erkrankung auf der Intensivstation zu landen und zu sterben,
       deutlich größer ist. Genauer: Die Sterblichkeitsrate ist 2,5-mal höher. Die
       US-Forscher empfehlen den Gesundheitsbehörden, den Menschen zu
       kommunizieren, dass abgesehen von der Impfung und den Hygieneregeln
       (Abstand halten, Maske tragen etc.) Sport „die wichtigste Maßnahme sein
       kann“, um heftigen Covid-19-Erkrankungen vorzubeugen.
       
       Karl Lauterbach ist dennoch gegen die generelle Erlaubnis von
       Mannschaftssport, der draußen stattfindet. Er warnt vor der höheren
       Ansteckungswahrscheinlichkeit durch die Coronamutanten und der Gefahr, dass
       Treffen, die draußen ihren Anfang nehmen, drinnen enden könnten. Viele
       Sportverbände fühlen sich wiederum durch die Ausführungen der Gesellschaft
       für Aerosolforschung bestätigt, dass Teamsport draußen kein
       Infektionstreiber ist. DFB-Vizepräsident Rainer Koch forderte diese Woche
       deshalb: „Der Ball muss wieder rollen.“ Die Vereine hätten sich schließlich
       auch im Breitensport bewährte Hygienekonzepte erarbeitet.
       
       15 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/B/4._BevSchG_Formulierungshilfe.pdf
   DIR [2] http://docs.dpaq.de/17532-offener_brief_aerosolwissenschaftler.pdf
   DIR [3] /CDU-Politiker-ueber-Eishockey-WM-in-Belarus/!5741851
   DIR [4] https://bjsm.bmj.com/content/early/2021/04/07/bjsports-2021-104080?referringSource=articleShare
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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