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       # taz.de -- Überschwemmungen in Australien: Flutkatastrophe durch Klimakrise
       
       > Die Überschwemmungen in Australien halten an. Die Grundursache für die
       > Krise geht laut Experten in der Dramatik der Situation unter.
       
   IMG Bild: Land unter in Down Under: Premierminister Morrison fliegt über überschwemmtes Land
       
       Canberra taz | Fernsehbilder von Landschaften [1][Australiens], die Seen
       gleichen. Kängurus, in brusthohem Wasser, kämpfen ums Überleben. Von Schock
       gezeichnete Gesichter jener Menschen, die alles verloren haben in den so
       genannten „Jahrhundertfluten“. „Ich habe keine Tränen mehr“, sagt eine Frau
       in die Kamera. Berichte über die Folgen der Flut und das Schicksal
       Betroffener dominieren die australischen Medien. Sie überschatten aber die
       Auseinandersetzung mit den Ursachen der Katastrophe, warnen
       Wissenschaftler.
       
       Nur in Ausnahmefällen kommen Experten zu Wort, die auf den erwiesenen
       Zusammenhang zwischen den extremen Niederschlägen und [2][globaler
       Erwärmung] hinweisen. Zwar sind Starkregen und Fluten seit Jahrtausenden
       Attribute der australischen Natur und Umwelt – ebenso wie Waldbrände. Wie
       die Intensität der Buschfeuer nähmen aber auch Stärke, Häufigkeit und
       Zerstörungskraft extremer Regenfälle zu, sagen Wissenschaftler.
       
       „Weltweit steigt mit dem Klimawandel das Risiko von extremen Regenfällen
       und Überschwemmungen“, fasst Will Steffen von der australischen
       Nationaluniversität zusammen. Der Professor ist einer der führenden
       Klimatologen Australiens. „Die globale Durchschnittstemperatur ist bereits
       um etwa 1,1 Grad Celsius gestiegen. Für jeden Temperaturanstieg von einem
       Grad kann die Atmosphäre etwa sieben Prozent mehr Wasser aufnehmen“, so
       Steffen.
       
       Die zusätzliche Wärme und Feuchtigkeit in der Atmosphäre bedeute „mehr
       Energie für Wettersysteme“, die schließlich intensive Regenfälle erzeugten.
       Das Wetter im gegenwärtigen australischen Sommer und Herbst werde zwar auch
       von einem La-Niña-Klimaereignis beeinflusst, das für weite Teile
       Australiens tendenziell mehr Regen bringe. Aber es sei wichtig, daran zu
       erinnern: „Alles, was wir heute erleben, geschieht im Zusammenhang mit
       einer raschen Erwärmung des Planeten.“
       
       Die Überflutungen der letzten Tage folgen den verheerenden Waldbränden, die
       zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 an der Ostküste Australiens und im
       Süden des Kontinents tausende von Quadratkilometern Land in Schutt und
       Asche gelegt hatten. 34 Menschen starben in den Bränden, hunderte weitere
       an den Folgen von Verbrennung und Rauchvergiftung. Der Schaden an Gebäuden
       und Infrastruktur ging in die dutzenden von Milliarden Dollar. Obwohl
       Wissenschaftler auch damals Klimawandel als eskalierenden Faktor
       identifiziert hatten, ging die konservative Regierung von Premierminister
       Scott Morrison bisher kaum auf Warnungen vor einer weiteren Verschärfung
       der Situation ein. Im Gegenteil: sie hält am im globalen Vergleich
       bescheidenen Ziel Australiens zur Reduzierung klimaschädigender Emissionen
       fest.
       
       Die Denkfabrik Climate Council warnt in einem Bericht, dass Australien
       unter den Industrieländern schon heute besonders von den Folgen der
       Klimaerhitzung betroffen sei – eine Situation, die sich in den kommenden
       Jahren nur noch verschlimmern werde. „Australier haben ein fünfmal höheres
       Risiko, durch eine klimabedingte Katastrophe aus ihren Wohngebieten
       vertrieben zu werden, als jemand, der in Europa lebt“, so die Forscher des
       Climate Council'. Im Pazifik sei dieses Risiko sogar 100-mal höher, meinte
       die Gruppe führender Klimawissenschaftler.
       
       ## „Klimaflüchtlinge“ erwartet
       
       Australien sei von vielen Ländern umgeben, die als Folge des steigenden
       Meeresspiegels akut von den Auswirkungen des Klimas betroffen seien.
       Experten warnen seit Jahren vor einem kommenden Strom von
       „Klimaflüchtlingen“ aus pazifischen Inselstaaten, die gezwungen würden,
       ihre im Meer versinkende Heimat zu verlassen. „Regierungen wie die
       australische, die es versäumt haben, die Emissionen in den letzten zehn
       Jahren substanziell zu reduzieren, haben die Australier und die Menschheit
       weltweit zu einer weitaus gefährlicheren Zukunft verurteilt, als wenn sie
       auf die wiederholten Warnungen der Wissenschaftler reagiert hätten“, so das
       Climate Council.
       
       Als Folge dieser Untätigkeit reichten „langsame, maßvolle Schritte nicht
       aus, um eine Katastrophe zu vermeiden“, schreibt das Institut. Es seien
       jetzt „nur wirklich transformative Maßnahmen erforderlich“. Konkret bedeute
       dies mindestens eine Halbierung der globalen Emissionen im kommenden
       Jahrzehnt und das Erreichen von Netto-Null-Emissionen weltweit bis
       spätestens 2040.
       
       Die australische Regierung dagegen will am Status Quo festhalten. Canberra
       stellt zwar in Aussicht, mit neuen Technologien wie Wasserstoffkraft und
       der Endlagerung von klimaschädigendem Kohlendioxid im Boden den Klimawandel
       bekämpfen zu wollen. Gleichzeitig hält die Regierung am Ausbau der für
       Australien lukrativen Kohle- und Gasexportindustrie fest. Australien ist
       einer der größten Produzenten dieser Brennstoffe. Kohle und Gas werden für
       einen wesentlichen Teil der globalen Klimaemissionen verantwortlich
       gemacht.
       
       24 Mar 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Urs Wälterlin
       
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