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       # taz.de -- Filmhighlights aus dem Archiv: Zum Freiheitskämpfer in 7 Minuten
       
       > Der Marshall-Plan im Kino, ein politischer Kurzfilm von Harun Farocki,
       > Jutta Hoffmann zum Achtzigsten: Das zeigen die Kinomuseen in Berlin und
       > Potsdam.
       
   IMG Bild: Jutta Hoffman zum 80. im Filmmuseum Potsdam (u. a. mit „Karla“, DDR 1965-1966/1990, R: H. Zschoche)
       
       Nachdem ich in den vergangenen Wochen immer mal wieder kleine Einblicke in
       die Streamingangebote bedeutender oder auch weniger bekannter Filmmuseen
       und Sammlungen in aller Welt gegeben habe, ist heute der Blick auf die
       nähere Umgebung fällig: Was bieten eigentlich die Kinomuseen in Berlin und
       Potsdam an, wenn man sich ihnen per Internet nähert?
       
       Das [1][Zeughauskino] als Teil des Deutschen Historischen Museums besitzt
       mittlerweile ein Online-Angebot, das es kostenfrei ermöglicht, auf die
       umfangreiche Sammlung von zeitgenössischen Filmen zum sogenannten
       Marshall-Plan zuzugreifen: Filme, die mit Mitteln des European Recovery
       Program (ERP, so hieß der Marshall-Plan offiziell) gedreht wurden und in
       den Jahren von 1948 bis 1953 die Programme und Ziele der amerikanischen
       Wirtschaftshilfe für Europa nach dem Krieg erläutern und popularisieren
       sollten.
       
       Je nach Zielpublikum verfolgten die Filme dabei ganz unterschiedliche
       Argumentationsstrategien. Für die Europäer geht es in erster Linie um
       Wiederaufbau, Fortschritt und das Versprechen von Wohlstand: „Ich und Mr.
       Marshall“ (R: Stuart Schulberg, 1949) etwa richtet sich an die deutsche
       Bevölkerung und lässt einen jungen Bergmann berichten, der sein privates
       Schicksal (endlich wieder Arbeit, ein Dach über dem Kopf und bescheidener
       Konsum) mit Erläuterungen zum Marshall-Plan verknüpft.
       
       Der Film „The Invisible Link“ (R: Victor Vicas, 1950) erzählt ganz konkret
       vom Wiederaufbau des Wasserkraftwerks Kaprun und der Bedeutung für den
       Fortschritt, den der massive Ausbau der Elektrizität für Industrie und
       Landwirtschaft in Österreich bedeutet. „Your Eighty Dollars“ (1952)
       hingegen erläutert der amerikanischen Bevölkerung, warum mit deren
       Steuergeldern auch den einstigen Kriegsgegnern wieder auf die Beine
       geholfen wird. Da kommen dann auch die strategischen Interessen der USA zum
       Tragen: Nur ein wirtschaftlich starkes Westeuropa kann als militärisch
       kraftvoller Verbündeter im Kampf gegen den Kommunismus von Nutzen sein
       (Reihe im Stream: [2][www.dhm.de/zeughauskino/]).
       
       ## Vom Wahlhelfer zum Revoluzzer mit Harun Farocki
       
       Und was bietet die [3][Deutsche Kinemathek], die im Normalbetrieb immer mit
       der absurden Situation zu kämpfen hat, dass sie kein Kino besitzt, um die
       rund 20.000 Filme in ihrem Archiv auch mal vorführen zu können? Sie bietet
       online vor allem das Archiv der Filmhochschule dffb, wo man so interessante
       Werke wie „Der Wahlhelfer“ (1967) von Harun Farocki ansehen kann, in dem
       sich der 26-jährige Harald Loch aus Kreuzberg in nur sieben Minuten
       16mm-Film vom Referendar bei der Staatsanwaltschaft und Wahlhelfer der FDP
       (strategisch immer schön platziert zwischen Plakaten der CDU und der SED-W)
       zum Freiheitskämpfer mit Interesse für die Revolutionsbewegung in Algerien
       wandelt (Stream von „Der Wahlhelfer“ und weitere Filme Farockis auf:
       [4][www.dffb-archiv.de]).
       
       ## Geburtstagskino
       
       Bleibt noch das [5][Filmmuseum Potsdam]: Hier hat man an die kommerzielle
       Streaming-Plattform Cinemalovers aus Nürnberg angedockt, die gleichwohl ein
       mit den Kinos solidarisches Modell vertritt. Das Filmmuseum ist dort mit
       kleinen Filmreihen vertreten, zurzeit unter anderem mit Hommagen an die
       Potsdamer Schauspielerin Jutta Hoffmann (zum 80. Geburtstag) und an den
       bedeutenden Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase (zum 90. Geburtstag), der
       nicht nur mit einem Klassiker wie „Berlin – Ecke Schönhauser…“ (1957)
       vertreten ist, sondern auch mit einem Interviewfilm (2005), in dem er über
       seine Karriere erzählt (Stream bei Filmmuseum Potsdam:
       [6][https://filmmuseum-potsdam.cinemalovers.de]).
       
       24 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dhm.de/zeughauskino/
   DIR [2] https://www.dhm.de/zeughauskino/filmreihen/online-filmreihen/filme-des-marshall-plans/
   DIR [3] https://dffb-archiv.de/
   DIR [4] https://dffb-archiv.de/dffb/der-wahlhelfer
   DIR [5] http://Filmmuseum%20Potsdam
   DIR [6] https://filmmuseum-potsdam.cinemalovers.de
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
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