# taz.de -- Kunsttipps der Woche: Ganz plastisch, ganz da
> Drei Mal Material: Ayşe Erkmen auf Internetsuche, „neutral-graue“ Gemälde
> von David Ostrowski und Hoda Tawakols textile Frauenkörper.
IMG Bild: Installation view, David Ostrowski, „So kalt kann es nicht sein / It can't be that cold“, Sprüth Magers Berlin
Als wäre nach so langer Zeit geschlossener Galerien die virtuelle auf die
materielle Ausstellung übergesprungen, so scheint es für einen Moment in
der wieder geöffneten [1][Galerie Barbara Weiss]. [2][Ayşe Erkmen] hat hier
nämlich mit zahlreichen Fotoprints eine Ansicht an den Wänden installiert,
die eigentlich auf dem Display in der Google-Bildersuche auftaucht. Man
kann jetzt entlanglaufen, wo man sonst mit wenigen Fingerbewegungen
entlangscrollte: an allem Bildmaterial, das bei Google unter dem Begriff
„Ayşe Erkmen“ auftaucht.
Die hunderten, mal hochaufgelösten, mal arg verpixelten Digitalabzüge
wirken wie ein dilettantisches Bilderalbum zur jüngeren Kunstgeschichte,
von der die international erfolgreiche Erkmen mittlerweile Teil ist: Der
[3][Ernst-Franz-Vogelmann-Preis] für zeitgenössische Skulptur (2020), ihr
Wassersteg bei den letzten Skulpturprojekten in Münster (2017), der
türkische Pavillon in Venedig (2011), ihre Retrospektive im Hamburger
Bahnhof (2008).
Auf die ihr eigene, konzentrierte Weise macht die Konzept-Bildhauerin
Erkmen mit der Installation „Itself (green)“ aber einen Widerspruch
erfahrbar, den wir alle vielleicht einmal erlebt haben, fragt man eine
Suchmaschine nach dem eigenen Namen ab: Sie scheint visuell kontrollieren
zu wollen, was inhaltlich längst außer Kontrolle geraten ist. „Macht nix“
signalisieren die Bitmoji-Avatare von Ayşe Erkmen dann von einer im
Hintergrund laufenden Videoprojektion. Doch die sind ja nur eine digitale
Beruhigungspille.
## Alles Grau mit David Ostrowski
Ganz plastisch, ganz da, so wie Farbe auf Leinwand eben da sein kann, ist
die Malerei des Kölners [4][David Ostrowski]. Ihm geht es bei [5][Sprüth
Magers] um die Präsenz des Materials. Deswegen hängen seine abstrakten
Bilder auch in ihrer unperfekten Beschaffenheit mitten im Raum. Malerisch
betreibt er jedoch die totale Reduktion, die er geradezu in der malerischen
Verneinung findet. Denn all seine monochromen Bilder dieser Ausstellung
sind in „Neutral-Grau“ angefertigt. Jenes Standardgrau aus dem Baumarkt, in
das auch Stapelboxen nach DIN-Format oder Stoßstangen von Sprintern getönt
sein können.
David Ostrowski übermalte bereits existierende Bilder von ihm mit dieser
Farbe einer größtmöglichen Unsichtbarkeit. Und während er den vorherigen
Bildinhalt dadurch löschte, machte er das bestehende Material sichtbar. Man
erkennt Konturen, Kleckse, Leerstellen – letztlich Tiefe. An einer Stelle
zeichnet sich unter dem Grau auch eine hineincollagierte Figur ab. Ob dies
wohl der italienische Sänger Adriano Celentano ist, der – neben anderen von
Ostrowski gehörten Musiker:innen – in einem Titel der
Neutral-Grau-Serie auftaucht?
## Textile Körper von Hoda Tawakol
Bein, Busen, Bauch sind massig, der Kopf ist gar nicht erst vorhanden.
Vollkommen überzogene, füllige Frauenkörper ̵̶ irgendwie „Nana“ von Niki de
Saint Phalle, irgendwie Venus von Willenstein und irgendwie „Bunny“ von
Sarah Lucas ̵̶ installierte [6][Hoda Tawakol] in der 24 Meter langen Vitrine
des [7][Institut Français] am Kurfürstendamm.
Wie viele feministischer Künstler:innen eignet sich auch Hoda Tawakol
das Textil als Arbeitsmaterial an und sie tut dies provokativ und humorvoll
zugleich. Die Brustwarzen ihrer Frauenkörper markiert sie mit Batikkreisen,
die Massigkeit des Bauches formt sie mit einem tief eingenähten Nabel aus.
Tawakols Installation „corps (in)visibles“ bildet den Auftakt für eine
ganze Ausstellungsreihe in der Vitrine des Institut Français. Hier im alten
Berliner Westen, zwischen den Schaufenstern von Edelboutiquen und
Luxusimmobilienmarklern, wo manch eine „femme de“ vormittags zur
Schönheitschirurgie fährt, ist Tawakols Kritik am „Objekt Frau“ gut
platziert.
25 Mar 2021
## LINKS
DIR [1] https://galeriebarbaraweiss.de/exhibitions/ay%C5%9Fe-erkmen/
DIR [2] http://ayseerkmen.com/works
DIR [3] /Kuenstlerin-ueber-moderne-Bildhauerei/!5695958
DIR [4] http://david-ostrowski.com/
DIR [5] https://spruethmagers.com/
DIR [6] http://hodatawakol.com/
DIR [7] https://www.institutfrancais.com/en
## AUTOREN
DIR Sophie Jung
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