URI: 
       # taz.de -- Bremer Bamf-Prozess: Ulrike B. ist unschuldig
       
       > Das Verfahren um den vermeintlichen Bremer Bamf-Skandal ist mangels
       > Vorwürfen eingestellt worden. Dafür ermittelt nun die
       > Generalstaatsanwaltschaft.
       
   IMG Bild: Das Landgericht Bremen hat den Bamf-Prozess zunächst auf großer Bühne verhandelt
       
       Bremen taz | Der groß angelegte Prozess im sogenannten [1][Bremer
       Bamf-Skandal] ist zu Ende, bevor er richtig begonnen hat. Das Verfahren
       gegen Ulrike B., die frühere Leiterin der Bremer Außenstelle des
       Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, kurz: Bamf, wurde am Dienstag
       vom Landgericht [2][eingestellt] – gegen eine Geldauflage von 10.000 Euro.
       Seine Mandantin gehe „ohne Strafmakel“ aus dem Verfahren, sagt ihr Anwalt
       Johannes Eisenberg, es gebe keinerlei Schuldfeststellung.
       
       Auch beim zweiten Angeklagten, einem auf Asylrecht spezialisierten Anwalt
       aus Hildesheim, seien sich alle Beteiligten im Prinzip über eine
       Verfahrenseinstellung einig, sagte Richterin Maike Wilkens. Er wehrt sich
       aber nach eigenen Angaben gegen die vorgeschlagene Geldauflage von 5.000
       Euro. Bei ihm ging es um den Vorwurf, er habe Ausländer:innen illegal
       zum Aufenthalt in Deutschland verholfen.
       
       Ulrike B. indes wurde vom CSU-geführten Bundesinnenministerium gar der
       Bandenbildung bezichtigt, von „massenhaftem Asylmissbrauch“ war die Rede:
       In „mindestens 1.200 Fällen“ habe sie zwischen 2013 und 2015 zu Unrecht
       Asylanträge bewilligt, so der Vorwurf aus der Politik. Angeklagt war die
       beurlaubte Beamtin am Ende aber nur noch wegen 14 Fällen von Verstößen
       gegen das Dienstgeheimnis, Dokumentenfälschung und Vorteilsnahme (Az. 2 KLs
       311 Js 71761/17).
       
       ## Übrig blieben zwei Hotelrechnungen
       
       99 von 121 Anklagepunkte wurden gar nicht erst zur Verhandlung zugelassen.
       Die Bremer Staatsanwaltschaft, die mit einem nie dagewesenen Aufwand gegen
       B. ermittelt hatte, konnte sie deswegen nicht eines einzigen Verstoßes
       gegen das Ausländerrecht beschuldigen. Was übrig blieb: Der mitangeklagte
       Anwalt soll ihr zwei Hotelrechnungen von je 65 Euro bezahlt haben – B.
       sagt, sie hätte ihm das Geld in bar zurückgegeben.
       
       An ihren Entscheidungen im Asylrecht indes war nichts auszusetzen, im
       Gegenteil: Die Verwaltungsgerichte bestätigten wiederholt rechtskräftig,
       was die Staatsanwaltschaft als Straftat von Frau B. werten wollte. Von
       18.000 durch eine Bamf-interne Gruppe untersuchten Bescheiden aus Bremen
       wurden jedoch lediglich 165 zurückgenommen oder widerrufen. Dabei hatte
       Bundesinnenminister Horst Seehofer 2018 dem Bremer Bamf zwischenzeitlich
       sogar untersagt, überhaupt noch Asylentscheidungen zu treffen – eine
       Maßnahme, die von Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) [3][in einer
       offiziellen Pressemitteilung] seinerzeit ausdrücklich begrüßt wurde.
       
       Bundesweit befeuert worden war der [4][vermeintliche Skandal] von der Bild,
       aber auch dem Spiegel – Medienanwalt Eisenberg kritisierte nach Prozessende
       denn auch jene Medien, die den Fall 2018 „aufgebauscht“ hätten.
       [5][Zwischen April und September jenes Jahres] hat allein das Hamburger
       Nachrichtenmagazin 20 Seiten mit Geschichten über Frau B. und das Bremer
       Bamf gefüllt.
       
       „Darauf ist die Politik angesprungen“, sagte Eisenberg. Für ihn ist der
       Fall deswegen vor allem „[6][ein Skandal der Presse]“, der zeige, wie
       schnell ein unbescholtener Mensch in Verdacht geraten könne. Und der kein
       Skandal geworden wäre, hätten alle Medien „die Grundsätze der
       Verdachtsberichterstattung beachtet“, wie Eisenberg sagt. Auch bei
       Informationen, die einem zugesteckt wurden, müsse man kritisch bleiben und
       in Erwägung ziehen, „dass einem Scheiße erzählt werden könnte“, sagte er
       dem Portal [7][Übermedien].
       
       ## Keine Rückkehr in den alten Job
       
       Ulrike B. muss sich nach dem Ende des Prozesses nun noch
       disziplinarrechtlichen Auseinandersetzungen stellen, ihre bürgerliche
       Existenz als Beamtin ist aber gesichert. Doch „ganz sicher“ werde sie nicht
       auf ihre alte Stelle als Bamf-Behördenleiterin zurückkehren, sagte
       Eisenberg. Das Verfahren habe sie „stark belastet“, deswegen stimmte die
       Verteidigung nun der teuren Einstellung des Verfahrens zu, auch wenn aus
       ihrer Sicht durchaus „ein Freispruch zu erwarten“ war.
       
       Dafür wird nun wieder gegen die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt: Die
       Generalstaatsanwältin Kirsten Graalmann-Scheer teilte der taz mit, dass sie
       die von der Staatsanwaltschaft Bremen schon eingestellten Ermittlungen
       gegen die eigenen Kolleg:innen mittlerweile [8][an sich gezogen], die
       Entscheidung der ihr untergeordneten Behörde bereits aufgehoben und neue
       Ermittlungen angeordnet hat. Deren Ergebnis steht aber noch aus.
       
       Mindestens ein Vertreter der Staatsanwaltschaft hat durch seine Äußerungen
       „unzulässig in die Privatsphäre“ von Ulrike B. eingegriffen, stellte das
       Bremer [9][Verwaltungsgericht] schon 2019 fest. Dabei geht es um zunächst
       von Zeit online publizierte, dann von Focus online, dem Weser-Kurier und
       Presseagenturen weiter verbreitete Plaudereien, die Frau B. eine
       ehrenrührige Liebesgeschichte mit dem nun mitangeklagten Anwalt angedichtet
       hatten.
       
       Auch glaubte der Informant, „Beweise für eine kriminelle kollusive
       Zusammenarbeit“ zu haben, die zu einer Haftstrafe führen könnten. Die
       „Mutmaßungen“ über Liebesbeziehungen gingen die Öffentlichkeit nichts an,
       stellte das Verwaltungsgericht klar. Die Äußerungen würden „eine
       Vorverurteilung darstellen“. Dabei ist die [10][„Verletzung von
       Privatgeheimnissen“] eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis
       zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird.
       
       20 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Prozessauftakt-Bamf-Skandal/!5760564
   DIR [2] https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__153a.html
   DIR [3] https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?id=299938&asl=bremen146.c.25714.de
   DIR [4] /Bamf-Prozess-vorm-Bremer-Landgericht/!5760565
   DIR [5] /Prozessauftakt-Bamf-Skandal/!5760564
   DIR [6] https://community.beck.de/2018/06/14/der-eigentliche-bamf-skandal-erst-der-rufmord-dann-die-recherche
   DIR [7] https://uebermedien.de/59277/schnelle-vorverurteilung-keine-skepsis-kaum-selbstkritik-das-bamf-skandal-debakel-der-medien/
   DIR [8] http://www.rechtslexikon.net/d/devolutionsrecht/devolutionsrecht.htm
   DIR [9] /Gericht-missbilligt-Justizbehoerde/!5591146
   DIR [10] https://dejure.org/gesetze/StGB/203.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Landgericht Bremen
   DIR Asyl
   DIR Horst Seehofer
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Geht's noch?
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Gerichtsprozess
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Soli-Sammlung für frühere BMAF-Leiterin: Erfolgreich beendet
       
       Gegen Geldauflage ist das Verfahren gegen die frühere Bremer Bamf-Leiterin
       eingestellt. Die geforderten 10.000 Euro wurden für sie gesammelt.
       
   DIR Urteil im Bamf-Prozess: Es gab keinen „Asylbetrug“
       
       Mit Freisprüchen in allen ausländerrechtlichen Anklagepunkten endet der
       Landgerichts-Prozess um den Bremer „Bamf-Skandal“.
       
   DIR Ermittlung gegen Bremer Staatsanwälte: Die Pflicht zum Geständnis
       
       Bremens Staatsanwaltschaft braucht neues Personal: Ihr Chef hat zugelassen
       und gefördert, dass sie während der Bamf-Ermittlungen Recht bricht.
       
   DIR Bremer Bamf-Prozess: Für Ulrike B.
       
       Die Leiterin der Bremer Bamf-Stelle ist eine vorbildliche Beamtin. Dafür
       wurde sie diffamiert und kriminalisiert.
       
   DIR Bamf-Prozess vorm Bremer Landgericht: Den wahren Skandal erkennen
       
       Der Prozess um den vermeintlichen Bremer Bamf-Skandal braucht eine große
       Bühne. Nur auf ihr wird anschaulich, wie grotesk das Verfahren ist.
       
   DIR Prozessauftakt Bamf-Skandal: Großes Theater für Kleinkram
       
       Im Konzertsaal verhandelt das Bremer Landgericht über die Reste des
       Bamf-Skandals. Zwei Angeklagten werden 22 vage Taten zur Last gelegt.
       
   DIR Asylanträge von Geflüchteten beim Bamf: Jede:r Dritte zu Unrecht abgelehnt
       
       Das Bamf verwehrt vielen Flüchtlingen den Schutz, auf den sie Anrecht
       haben. Fast jede dritte Klage gegen abgelehnte Asylanträge war 2020
       erfolgreich.