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       # taz.de -- Morrissey bei den „Simpsons“: Rassismus trotz geiler Hooklines
       
       > Die „Simpsons“ zeigen Morrissey als rechtspopulistischen Veganer.
       > Zurecht, findet unser Autor und plädiert für weniger Nostalgie in der
       > Popkultur.
       
   IMG Bild: Lisa Simpson bekommt Besuch von einem imaginären depressiven britischen Sänger aus den 80ern
       
       Ich bin aufgewachsen mit den besten Hits der 70er und 80er Jahre. Sie
       trällerten im Radio herum und mit ihr die Idee, dass die Zeit, in der ich
       lebe – und ihre Popkultur, nichts mehr zu bieten hätten. The Smiths, die
       Talking Heads oder Joan Didion, das seien noch echte Künstler*innen
       gewesen. Mir war das immer zuwider.
       
       Heute weiß ich, dass es nur eine Marketingstrategie der Babyboomer war. Sie
       haben uns falsche Erinnerungen an eine bessere Zeit eingepflanzt. Wie den
       Replikanten in „Blade Runner“. Egal, welche Texte wir schreiben oder Musik
       wir machen, alles sei immer schon dagewesen. „Retromania“ nannte das der
       Journalist Simon Reynolds, „Nostalgie für die Zukunft“ [1][der
       Kulturtheoretiker Mark Fisher]. Sie haben nicht nur meinem zuvor diffusen
       Unwohlsein einen Namen gegeben, sondern auch die Mauern einer
       populistischen Chronopolitik eingerissen, nach der früher alles besser war.
       
       Während die Huldigung der New Wave-Band Talking Heads oder [2][der
       brillanten Essayistin Joan Didion] bis heute berechtigt ist, erweisen sich
       die Morrisseys, des ehemaligen Sängers von The Smiths, der sich seit Jahren
       rassistisch äußert, als lächerlich – und aufgrund der unhinterfragten
       Heroisierung durch seine Fans sogar als gefährlich. Ja, Roland Barthes
       hatte Recht mit der These vom „Tod des Autors“, nach der Künstler*in und
       Kunstwerk getrennt werden müssen.
       
       ## Rassist und Brexit-Fan
       
       Das darf aber nur gelten, wenn der tote Autor dann nicht ständig als Zombie
       aufersteht und uns mit rassistischem Bullshit zulabert – übrigens schon
       seit 1986, als der Sänger [3][in einem Interview mit Melody Maker] von
       einer Black- Music-Verschwörung sprach. 2013 sympathisierte er mit dem
       britischen Rechtspopulisten Nigel Farage und feierte 2016 den Brexit ab.
       
       Dass ihn eine neue Folge der „Simpsons“ kürzlich persiflierte, lässt sich
       auch als Mittelfinger in Richtung der gerade unter Rechtsextremen beliebten
       Verklärung der Vergangenheit verstehen. Sie handelte von einem Musiker
       namens Quilloughby, militanter Veganer mit rechtspopulistischen Tendenzen
       und Sänger der Band The Snuffs – und war [4][eindeutig auf Morrissey
       zugeschnitten]. Der versuchte sich kurzerhand selbst zu verteidigen und
       sprach über eine Welt, die von „hate laws“ besessen sei.
       
       Doch es sind genau jene „hate laws“, die zeigen, dass 2021 trotz aller
       globalen Miseren ein bisschen besser ist als die 70er und 80er. Weil
       Rassismus nicht mehr ignoriert wird, nur weil er von Leuten kommt, die
       geile Hooklines schreiben.
       
       20 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kulturkritiker-Mark-Fisher/!5753052
   DIR [2] /Netflix-Doku-ueber-Joan-Didion/!5457717
   DIR [3] https://illnessasart.com/2020/03/08/melody-maker-11-october-1986/
   DIR [4] /Kolumne-Gehts-noch/!5409270
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Philipp Rhensius
       
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